Börsen-Erinnerung Das Erbe des Neuen Marktes

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lehmann

Andere, weniger erdnahe Charaktere haben diese Bocksprünge aus der Bahn geworfen oder mitten hinein ins Leben eines Millionärs – oder beides. Mark Lehmann war schon Spekulant, als mit dem Börsengang der Telekom 1996 in Deutschland das Wettfieber einsetzt. 5,1 Millionen Mark stehen an einem Tag im Juni 1997 in seinem Depot zu Buche – 5,1 Millionen Mark, drei Jahre vor dem großen Crash, nur einen Anruf weit entfernt... Doch Mark ruft seinen Bankberater nicht an.

Schon als 16-Jähriger hatte er Bücher über Getty und Rockefeller gelesen und sich vorgenommen, reich zu werden. Mark hat ein eigenes Depot – und einen sicheren Tipp vom älteren Bruder: die Papiere eines kleinen Software-Unternehmens, die jedes Jahr zur Cebit steigen. Und siehe da, es funktioniert. Jahr für Jahr verwandeln sich 2000 in 2500 Mark – und Mark „entwickelt die Sichtweise, dass man mit den richtigen Entscheidungen an der Börse gutes Geld verdienen kann“. Mark bricht ein BWL-Studium „wegen Statistikdefiziten“ ab, studiert visuelle Kommunikation, fotografiert für eine Agentur, er hat mit 23 eine Goldene Mastercard und nie weniger als 10 000 Mark auf dem Konto. Anfang 1996 ahnt er, „dass die neuen Technologien den Kapitalmärkten einen Schub geben werden“. Mark kauft für 15 000 Mark Optionsscheine. Das Unternehmen „Ich werde Millionär“ beginnt.

Richtig Entschieden, Gutes geld

Anfangs läuft die Sache prima. Ende 1996 hat Mark 44 000 Mark auf dem Konto, er kauft und verkauft Calls der Telekom, er hat im Mai eine Million gewonnen – und im Juni fünf. Theoretisch. Denn Mark kann sich nicht dazu durchringen, die Papiere zu verkaufen, ihn stören die Gebühren, noch dazu muss alles schnell gehen – und so ist der Tag plötzlich vorbei, die Möglichkeit verstrichen. Marks Papiere sind nicht wertlos geworden, im Gegenteil. Als er am Jahresende Bilanz zieht, stehen immer noch rund 2,4 Millionen Mark zu Buche. Also macht Mark weiter, er spürt, „dass der Markt nach oben will“, und sein Gespür trügt nicht – nur dass er diesmal auf die falschen Pferde setzt. Bis Ende 2008 schrumpft sein Vermögen auf 406 000 Mark. Gleichzeitig flattert ihm ein Bescheid des Finanzamts in Haus: Der Fiskus fordert 900 000 Mark Steuern aus den Spekulationsgewinnen des Vorjahres. Mark Lehmann ist jetzt kein Buchwert-Millionär mehr. Mark Lehmann ist bankrott.

Als Millionär habe er sich nie gefühlt, sagt Mark heute, dafür war die Zeit zu kurz. Er gönnt sich damals einen Ralph-Lauren-Sessel und einen Design-Herd, das ist alles, er zieht in eine größere Wohnung und wieder retour, kein Problem, nur die Motivation, die ist im Keller. Erst als das Finanzamt auf seine Forderungen verzichten muss, hellt sich Marks Stimmung wieder auf. Plötzlich steht er mit 200 000 Euro im Plus. „Andererseits sind 200 000 Euro eine blöde Summe“, sagt Mark, man kann sich vielleicht eine Wohnung kaufen, aber nicht leisten. Seine Freundin warnt ihn: „Wenn du das wieder verzockst, dann möchte ich nicht mehr.“ Doch Mark kauft Calls der Telekom, verliert bis Mitte 2006 sein Geld – und seine Freundin. Geblieben ist ihm seine Faszination für die Börse. Er hat psychologische Hilfe in Anspruch genommen, er hat sich berappelt – und er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass, wenn er einmal von sich selber absehe, „die Börse eine großartige Investitionsmaschine ist, die Träume hervorbringt, realisiert – und die sie manchmal auch befriedigt“. 

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