Nachahmen ist so lukrativ, dass kürzlich eine Gruppe von Managern Rocket Internet verließ und die Klonfabrik der Samwer-Brüder selbst klonte: Project A Ventures heißt der Inkubator, der ähnlich wie Rocket Internet Geschäftsmodelle importiert. Die Samwer-Brüder selbst gießen im Wochentakt weiter Öl ins Feuer: Im Februar kopierten die Klonkrieger das Portal Pinterest. Und kürzlich wurde bekannt, dass sie auch das US-Unternehmen Square imitieren, das ein neues Bezahlsystem für Kreditkarten etablieren will. Natürlich schickten sie auch eine Kopie von Fab.com ins Rennen. Die ähnelte dem US-Vorbild so sehr, das dessen Gründer nur zwei Worte fand: „Complete Rip-off“ – totale Abzocke.
Auch Christian Reber bereitet das Sorgen. Der Mitgründer des Unternehmens 6wunderkinder hat mit etwa 30 anderen Startups deswegen zur „Anti-Copycat-Revolution“ aufgerufen und fordert vor allem zu echter Innovation auf. „Klonen“, sagt Reber, „ist nicht nachhaltig.“
Bekannte Kopien erfolgreicher Firmen
Rabattgutscheine übers Internet: Die Idee der US-Plattform Groupon lockte in Deutschland mehrere Nachahmer. Einen davon kaufte sich Google. Aber der erfolgreichste hieß Citydeal: Den Klon der Samwer-Brüder schnappte sich Groupon selbst – im Tausch gegen Firmenanteile, von denen die Citydeal-Gründer und Investoren später einen Teil für 170 Millionen Dollar verkauften.
Zwei Millionen individuelle Produkte, 130.000 Anbieter: „Die Einzigartige“ bedeutet der Name des Online-Marktplatzes Dawanda. Doch das Unternehmen ist ein Klon des US-Portals Etsy.
Rot statt blau – das war anfangs einer der wenigen Unterschiede zwischen Facebook und StudiVZ. Anfangs Marktführer in Deutschland, wurde StudiVZ 2009 von Facebook überholt. Heute fristet es ein Schattendasein.
Kurz nachdem in den USA Twitter gestartet war, ging in Deutschland Frazr auf Sendung. Als Twitter im Jahr 2009 bereits mehr als eine Million Nutzer in Deutschland zählte, gab Frazr auf.
Wissenschaftler sehen das anders. „Nachahmer werden gewaltig unterschätzt“, sagt Alexander Nicolai, Entrepreneurship-Professor an der Universität Oldenburg. Aktuell untersucht Nicolai, wie sich Geschäftsideen in 28 Ländern der Erde verbreiten. Dazu verfolgte er vier Geschäftsmodelle, die Hunderte Male nachgeahmt wurden. Dabei zeigte sich: Weder das soziale Netzwerk Facebook noch das Businessnetzwerk LinkedIn oder das Videoportal YouTube waren die Ersten ihrer Art – und dennoch sind sie heute Marktführer. Für Nicolai ist klar: „Frühe Nachahmer sind oft erfolgreicher als die Vorbilder.“
Zudem sind die Trittbrettfahrer weder ein neues noch ein deutsches Phänomen. Leica etwa brachte Mitte der Zwanzigerjahre die erste Kleinbildkamera auf den Markt und strich satte Pioniergewinne ein, bevor Nachahmer den Erfolg sogar noch übertrafen. Bayer vermarktete als Erstes Aspirin – heute gibt es zahllose ähnliche Medikamente. McDonald’s ahmte das Geschäftsmodell der Kette White Castle nach, und der Kreditkarten-Pionier Diners Club musste zusehen, wie er von Visa, Mastercard und Co. überholt wurde.
Ebenso wenig wie Deutschland das Land der Nachahmer ist, sind die USA das Land der Pioniere. Das erste soziale Netzwerk hörte auf den Namen 5460 und entstand Nicolais Studie zufolge in China. Die erste Video-Plattform hieß nicht YouTube, sondern Metacafe und erblickte in Israel das Licht der Welt. Selbst Apple, das sich mit Samsung derzeit heftige Patentstreitigkeiten liefert, sei ein großer Imitator, sagt Oded Shenkar, Professor am Fisher College of Business im Bundesstaat Ohio. Gründer zitieren den Apple-Erfinder Steve Jobs übrigens gerne mit einem Satz des Künstlers Pablo Picasso: „Gute Künstler kopieren, großartige Künstler klauen.“