Betriebsprüfung Erfolgreich den Aufstand proben

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Prüfer fingieren Zahlen

Tanzmariechen am Rosenmontag Quelle: dpa

Ähnlich umstritten wie die Chi-Quadrat-Tests sind sogenannte Zeitreihenvergleiche. Dabei untersuchen Finanzbeamte, wie sich Warenverbrauch und Einnahmen im Wochenvergleich entwickeln. Die Annahme dabei: Das Verhältnis der beiden Werte muss – im Falle einer ordentlichen Buchführung – zumindest halbwegs stabil sein. Ausschläge deuten dagegen auf eine Manipulation hin. Das vermutete ein Betriebsprüfer etwa im Fall eines Brauhauses in der Karnevalshochburg Köln. Dort schwankten die Werte tatsächlich erheblich. So erzielte der Wirt in der zehnten Kalenderwoche des Streitjahres äußerst hohe Einnahmen in Höhe von 1755 Prozent des Warenverbrauchs. In der Vorwoche hatte dieser Wert lediglich bei 111 Prozent gelegen. Angesichts dieser Schwankungen konstatierte der Prüfer fingierte Zahlen. Der niedrige Wert in der neunten Kalenderwoche und in einigen anderen Wochen deute daraufhin, dass der Wirt in diesen Phasen in großem Umfang Einnahmen nicht in die Kasse eingetippt habe, meinte er und forderte eine Steuernachzahlung von 89.000 Euro. Vor Gericht kam er damit jedoch nicht durch. Denn die Richter in der rheinischen Metropole fanden eine plausible Erklärung für die Ausschläge: In der neunten und zehnten Kalenderwoche des Streitjahres, belehrten sie den Steuerprüfer, habe ausgerechnet Karneval stattgefunden. Und in der fünften Jahreszeit verzeichnen die Brauhäuser bekanntermaßen erhebliche Umsatzsteigerungen.

Bester Schutz ist korrekte Buchführung

Der niedrige Wert von 111 Prozent in Woche neun sei deshalb ganz einfach zu erklären, so die Richter: Der Wirt habe unmittelbar vor dem Altweiber-Donnerstag hohe Warenbestände eingekauft, zum Beispiel allein 2500 Liter Kölsch, „um für die Zeit bis Aschermittwoch gerüstet zu sein“. In der Folgewoche habe er dagegen fast gar nichts gekauft, aber hohe Einnahmen erzielt – vor allem wegen des umsatzstarken Rosenmontags. Das erkläre den hohen Wert von 1755 Prozent. Die Vergleichsberechnung auf Wochenbasis, die der Betriebsprüfer vorgenommen hatte, so der Tenor des Urteils (6 K 3954/07), sei wegen der Verzögerungen zwischen dem buchungswirksamen Kauf und dem tatsächlichen Verbrauch von Waren praktisch wertlos.

Doch egal, ob es sich um Testkäufe handelt, Branchenvergleiche, Softwareprüfungen oder eigene Kalkulationen: Stets stellen Richter klar, dass auffällige Abweichungen noch lange kein Beweis für Steuerhinterziehung sind. Prüfer müssen darüber hinaus noch weitere Belege für ihren Verdacht präsentieren. Unternehmer mit reinem Gewissen haben deshalb in der Regel nichts zu befürchten – sie können einem eventuellen Rechtsstreit gelassen entgegensehen. Es sei denn, sie haben geschlampt. Denn wenn ein Finanzbeamter vor Gericht aufzeigen kann, dass der Unternehmer seine Ein- und Auszahlungen nicht lückenlos dokumentieren kann, schlagen sich die Richter schnell auf seine Seite. Und dann führt die Kombination aus Dokumentationsschwächen und verdächtigen Testergebnissen zu ebenso hohen wie schmerzhaften Nachzahlungen. „Der beste Schutz vor unberechtigten Steuernachforderungen“, sagt Steuerberater Idler, „ist deshalb eine korrekte Buchführung.“

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