Diversity Wer Vielfalt lebt, braucht keine Quote

Nur innovative Unternehmen werden überleben – doch dafür müssen sie vor allem Vielfalt fördern.

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Was haben Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Fußball-Bundestrainer Jogi Löw gemeinsam? Beide verstehen es meisterhaft, die Kraft der Vielfalt zu nutzen, um daraus Außergewöhnliches entstehen zu lassen. Facebook hätte niemals die größte weltumspannende Community werden können, wenn das Unternehmen nicht von Beginn an Vielfalt zum Kern seiner Unternehmensphilosophie gemacht und vorgelebt hätte: offen, bunt, liberal. Und Deutschland wäre 2014 nicht Weltmeister geworden, wenn Löw und sein Team nicht das Potenzial der Vielfalt, das im Kader steckte, konsequent gefördert hätten. Vielfalt scheint für beide die entscheidende Quelle zu sein, aus der wahrhaft Neues und Großes entsteht – also das, was man Innovation nennt. Was aber macht Vielfalt aus? Sind es vor allem soziodemografische Kriterien wie Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung? Oder sind es auch unterschiedliche Fähigkeiten, Neigungen, Ausbildungen? All das – und noch viel mehr.

Carsten Kratz ist seit Januar 2013 Deutschlandchef der Boston Consulting Group. Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Unternehmen profitieren enorm davon, wenn sie ein Magnet sind für Frauen und Männer ganz unterschiedlicher Herkunft, kultureller Prägung oder auch sexueller Orientierung. Genauso wichtig sind aber auch die unterschiedlichen Fähigkeiten, die Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungswegen einbringen und weiterentwickeln möchten. Deutschland hat in den vergangenen Jahren erheblich an Vielfalt gewonnen. Lebensmodelle werden vielfältiger, Einflüsse aus aller Welt bereichern unser Leben, gesellschaftliche Werte werden neu verhandelt. Die tiefstgreifende Veränderung betrifft einen der traditionellen Wettbewerbsvorteile deutscher Unternehmen: Innovation. Sie ist mehr denn je der Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Daraus ergeben sich fünf Thesen zu Innovation durch Vielfalt:

1. Vielfalt wird der entscheidende Faktor für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Industrie 4.0, neue Mobilitätskonzepte, intelligente Energiesysteme – deutsche Spitzenunternehmen müssen sich längst auf Feldern behaupten, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab und die häufig im Rahmen der Digitalisierung entstanden sind. Dafür braucht es eine ganz andere Bündelung von Kompetenzen, Talenten, Vorgehensweisen – das ist nur möglich durch eine Kultur, die Vielfalt fördert und nutzt.

2. Wir dürfen das Potenzial weiblicher Arbeitskraft nicht mehr sträflich vernachlässigen. Die Rahmenbedingungen für karriereorientierte Frauen, die sich eine Familie wünschen, sind nach wie vor zu schlecht. Ob Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach Babypausen oder Möglichkeiten zur Teilzeit- oder Home-Office-Arbeit: Weil viele talentierte Frauen irgendwann resignieren, gibt es ein ungenutztes Wertschöpfungsdepot von 200 Milliarden Euro – das kann sich auch ein Land wie Deutschland auf Dauer nicht leisten.

Chance für Deutschland

3. Wer Vielfalt lebt, braucht keine Quoten. Unternehmen wie Lego oder Puma machen es vor: Frauenförderung muss in die Praxis umgesetzt und nicht nur angekündigt werden. Es zählen Taten und Initiativen, die die Rahmenbedingungen wirklich verbessern, nicht das reine Versprechen. American Express beispielsweise hat dieses Thema früher auf die Agenda genommen. Heute liegt der Frauenanteil in Führungspositionen bei 40 Prozent und damit deutlich höher als im Branchenschnitt.

4. Vielfalt muss nicht nur in die Köpfe. Manager in leitenden Funktionen sind in der Regel stolz darauf, ihre Position aufgrund ihres Könnens erreicht zu haben – also darauf, dass sie ihr Handwerk beherrschen. Wenn sich aber einerseits der Kontext so verändert, dass die alten Werkzeuge nicht mehr gut funktionieren, andererseits neue, bessere Werkzeuge entstehen, braucht es zweierlei: die Offenheit dafür, seine Fähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln, und den Antrieb, sich neue Instrumente anzueignen und zu beherrschen.

5. Wir werden eine Renaissance der nachhaltigen Managementkultur erleben. Die Zeiten reinen Quartalsdenkens nähern sich ihrem Ende. Gefragt ist eine Balance aus agilem operativem Management und strategischer Weitsicht – mithin das, was Führungskultur im Kern ausmacht. Wie wichtig dies ist, zeigt das Beispiel der unterschiedlichen Entwicklungen von Kodak und Fuji: Kodak war seinem Wettbewerber Fuji immer voraus, was operative Managementkennzahlen betrifft. Das heute erfolgreiche Unternehmen ist aber Fuji – weil sein Management es verstanden hat, nicht nur bestehende Geschäftsmodelle zu optimieren, sondern rechtzeitig über neue Geschäftsmodelle nachzudenken – etwa in der Medizintechnik. Kodak hingegen hat eine Diversifizierung verschlafen und ist heute nicht mehr am Markt.

Die unterschiedlichen Typen eines Teams

Wer über Vielfalt spricht, darf die Flüchtlingsbewegung nicht verschweigen. Bei allem Verständnis für Fragen und Vorbehalte – es ist offenkundig, dass aus Zuwanderung eine riesige Chance für Deutschland erwachsen kann. Dazu müssen wir die zunehmende Vielfalt unserer Gesellschaft als Bereicherung verstehen und das darin schlummernde Innovationspotenzial nutzen. Es lohnt sich.

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