Psychologie der Kunden Warum Innovationen scheitern

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Innovationen im Wandel der Zeit

Nicht jedem Erfinder gelingt es so gut wie Tom Sawyer, diese Bedingungen selbst herzustellen. Aber gerade in der Freizeit- und Sportindustrie ist das die entscheidende Innovationsdisziplin: Den Menschen klarmachen, dass es ein teures und begehrenswertes Vergnügen ist, an einem Gummiseil von einem Baukran zu springen, sich von einem Winddrachen über Wellen ziehen zu lassen oder in eine Badewanne voller Schlamm zu legen.

Vom entscheidenden Einfluss wandelnder kollektiver Sinn-Vorstellungen auf den Erfolg von Erfindungen kann man auch aus der Religionsgeschichte lernen. Als die katholische Kirche im frühen 16. Jahrhundert – damals noch religiöser Monopolist in Europa – den Ablasshandel einführte, war der ein Riesenverkaufserfolg. Die Menschen fürchteten sich schließlich vorm Fegefeuer.

Einige Jahre später war der Handel tot, weil die Glaubensvorstellungen sich mit der Reformation radikal gewandelt hatten. So wie wir es heute für wahnsinnig halten, dass Eltern in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts für viel Geld Eisenkäfige kauften, die sie mit ihren Säuglingen drin ans Fenster hängten (um ihnen mehr frische Luft zu bieten!), so werden vermutlich in einigen Jahrzehnten unsere Enkel über Bungee-Springer den Kopf schütteln. 

Ein Fest für Erfinder - der Deutsche Innovationspreis 2014
Würdiger Rahmen für die Preisgala: Hotel Bayerischer Hof, Muenchen Quelle: Stefan Obermeier
Er kennt bereits die Gewinner: Manfred Wittenstein, Vorstand der Wittenstein AG, ist Jury-Mitglied des Deutschen Innovationspreises Quelle: Stefan Obermeier
Massimo della Porta, Mitglied des Vorstandes Actuator Solutions und Markus Köpfer, CEO Actuator Solutions Quelle: Thorsten Jochim für WirtschaftsWoche
Michael Sinn, Direktor Category Support, OTTO und Michael Heller, Bereichsvorstand Categories, OTTO Quelle: Thorsten Jochim für WirtschaftsWoche
Kurz vor der Gala: Andreas Voegele, Geschäftsführender Gesellschafter der Con Moto Consulting Group, Katrin und Walter Döring, Geschäftsführender Gesellschafter ADWM Akademie Deutscher Weltmarktführer, Waltraud und Thomas Lünendonk, Inhaber der Firma Lünendonk Quelle: Stefan Obermeier
Chefstratege lässt sich inspirieren: Horst Kayser, Chief Strategy Officer Siemens, mit Gattin Claudia Gall-Kayser Quelle: Stefan Obermeier
Stefan Haver, Leiter Konzernkommunikation und Vorstandsbüro Evonik, und Katja Haver Quelle: Thorsten Jochim für WirtschaftsWoche

Die Bedeutung von Innovationen für den Unternehmenserfolg kann natürlich kaum überschätzt werden. Aber in vielen Unternehmen hat die Fixierung auf die eigene Innovationsfähigkeit krampfhafte Züge angenommen.

Da wird dann als ein „key performance indicator“ festgeschrieben: 30 Prozent der angebotenen Produkte müssen jünger als drei Jahre sein. Frank Piller, Professor für Innovationsmanagement an der RWTH Aachen, hält solche starren Vorgaben für unsinnig. Das Ergebnis seien dann etwa in der Konsumgüterbranche Pseudo-Innovationen. „Spülmittel mit Apfelgeschmack sind eigentlich keine Innovationen, sondern Marketingmaßnahmen, die einen Grund erzeugen, mal wieder eine Werbeanzeige zu schalten.“

Der Kunde ist denkfaul

Nach der klassischen ökonomischen Lehre müsste die Ausweitung des Angebots durch immer neue Spülmittelkreationen dem Konsumenten die Möglichkeit geben, eine für ihn immer perfektere Auswahl zu treffen. Doch, so zeigt Dilip Soman anhand psychologischer Studien: Dem Kunden tun diese Anbieter keinen Gefallen.

Wenn die Auswahl an angebotenen Waren für ein und denselben Zweck wächst und damit die Kompliziertheit des Einkaufens, dann reagieren die Kunden meist, indem sie einfach beim alten, bekannten Produkt bleiben - oder sie wechseln verunsichert bei jedem Einkauf hin und her.

Auch auf anderen Märkten, wenn es zum Beispiel um neue Altersvorsorgeangebote geht, entschließen sich Kunden vor lauter neuen Angeboten oft für gar keines. Der echte Kunde ist oft sehr viel denkfauler als der Ökonom ihn sich wünscht.

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