Serie - Tickets zu Macht (II) Kennen und helfen - Netzwerke in Deutschland

Am Ufer des Genfer Sees, in einem Örtchen im Allgäu, in einer Frankfurter Villa und in einem Palais in Baden-Baden – vier Treffpunkte der deutschen Politik- und Wirtschaftselite.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Elitenetzwerke beeinflussen maßgeblich Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Eine neue Serie bietet einen Blick hinter die Kulissen der Macht – und beschreibt, wie Sie Zugang finden.
von Daniel Rettig

Union Club - Intellektuelle und kulinarische Kost

Große Bäume, grüner Rasen, ein sauberer Pool, umgeben von einem 5.000-Quadratmeter-Anwesen – willkommen im Frankfurter Union International Club. In der Villa Merton trifft sich seit knapp 60 Jahren die deutsche Wirtschafts- und Finanzelite. 1927 baute der Industrielle Richard Merton eine Villa, 1953 verkaufte er sie an die Stadt Frankfurt. Seine einzige Bedingung: Das Gebäude solle zu einem Ort der Völkerverständigung werden. Gesagt, getan.

Drei Jahre später gründeten Frankfurter Unternehmer den Union Club. Sie pachteten das Anwesen von der Stadt und modernisierten Villa samt Park. In der Nachkriegszeit diente das Gebäude der US-Armee als Pressezentrum. Heute nutzen die aktuell 600 Mitglieder des Clubs die Räume für Besprechungen, Konferenzen und Geschäftsessen. Wirtschaftsbosse, Investoren und Politiker halten dort regelmäßig Vorträge. Deutsche-Post-Chef Frank Appel sprach dort vor einigen Jahren über unternehmerische Verantwortung, der damalige Haniel-Chef Jürgen Kluge über die Herausforderungen der Globalisierung, auch der US-Großinvestor Warren Buffett oder Bürgerrechtler Jesse Jackson waren schon zu Gast. Kürzlich referierten Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann über Konjunktur und Euro-Krise. Alle ehemaligen EZB-Präsidenten waren bereits da, bald wird auch der derzeitige Chef-Notenbanker Mario Draghi erwartet. Auf Veranstaltungen treffen die Mitglieder die ehemalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth oder Hessens Innenminister Boris Rhein.

Vortrag in der Villa - Post-Chef Frank Appel sprach im Union Club über Verantwortung Quelle: AP/dpa

Neben der intellektuellen Kost denken die Veranstalter auch ans kulinarische Wohl ihrer Gäste: 2012 wurde das clubeigene Restaurant mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Und auch an akustischen Genuss ist gedacht. Jährlicher Höhepunkt ist ein Benefizkonzert im Sommer, bei dem Justus Frantz mit seiner Philharmonie der Nationen unter freiem Himmel spielt.

Wer in den Club eintreten will, braucht Geduld und Kontakte. Bewerber müssen einen tabellarischen Lebenslauf inklusive Anschreiben einreichen, aus dem ihr internationaler Hintergrund und ihre Motivation hervorgehen. Außerdem müssen zwei Mitglieder für sie bürgen, ein normales und eines aus dem Vorstand. Jährlich werden 1.200 Euro Mitgliedsbeitrag fällig.

BBUG - Drei Wochen Dialog im Palais

Das Palais Biron ist Treffpunkt der Baden-Badener Unternehmer Gespräche.

Jon Baumhauer zeigt sich selten in der Öffentlichkeit. Eine Ausnahme machte der Vorsitzende des Familienrates der E. Merck KG vor einigen Monaten. Da hielt er einen Vortrag über Werte in Familienunternehmen – bei den Baden-Badener Unternehmer Gesprächen (BBUG ).

Seit 1955 treffen sich im Palais Biron zweimal pro Jahr mehr als 60 deutsche CEOs, Experten und Entscheider aus unterschiedlichen Branchen. Ins Leben gerufen wurde der Kreis von 30 Unternehmen, gemeinsam mit den deutschen Arbeitgeberverbänden. Die Idee war angelehnt an US-Business-Schools, die Manager nicht nur weiterbilden, sondern ihnen auch beim Netzwerken helfen. Die BBUG wollten aber auf akademische Vorträge verzichten und auf Dialog setzen.

Wo sich die Mächtigen noch treffen

Mehr als 130 Gespräche mit etwa 3.000 Personen haben seitdem stattgefunden. Kandidaten werden meist vom Vorstand oder Aufsichtsrat der 120 Mitgliedsunternehmen nominiert. Über die Zulassung entscheidet ein Ausschuss, pro Runde sind etwa 30 Plätze zu vergeben. Aber: „Wir sind offen für externe Nominierungen“, sagt Karl-Ludwig Kley, hauptberuflich CEO des Pharma- und Chemiekonzerns Merck, nebenberuflich BBUG-Chef.

Wer teilnehmen will, muss sich aber Zeit im Kalender freiräumen: Die Gespräche dauern drei Wochen am Stück.

Evian-Kreis - Parlieren mit Seeblick

Haus am See - Unter anderem gehören BASF-Chef Kurt Bock und E.On-Boss Johannes Teyssen zum Evian-Kreis Quelle: Presse

Das französische Städtchen Evian am Südufer des Genfer Sees ist vor allem wegen der gleichnamigen Wassermarke berühmt. Doch mittlerweile schätzen auch deutsche Wirtschaftsbosse die idyllische Lage. Jedes Jahr im September treffen sich in der Nobelherberge Hotel Royal etwa 50 Vorstandschefs aus Deutschland und Frankreich. Bei herrlichem Blick auf den See debattieren sie über die Politik in beiden Ländern. Dadurch soll das gegenseitige Verständnis auf höchster Ebene steigen.

Lange Tradition

Zurück geht der Evian-Kreis auf das Jahr 1990. Damals waren in Frankreich längst vergessen geglaubte Ängste vor einem wiedervereinigten und übermächtigen Deutschland aufgekommen. Der ehemalige Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter gründete daraufhin das Netzwerk gemeinsam mit dem Ex-Bosch-Chef Marcus Bierich und dem früheren Danone-Boss Antoine Riboud. Seitdem trifft sich der Kreis einmal jährlich für zwei Tage in dem Hotel am See. Praktisch: Die Herberge gehört Danone.

Gastronomische Highlights an der Isar
Bogenhauser HofIm Jahr 2010 von den Inhabern renoviert, erstrahlt nun jede Ecke im denkmalgeschützten Gebäude im neuen Glanz.Gäste: Die Chefs der Unternehmensberatung Roland Berger, Goldman-Sachs-Chef Alexander Dibelius sowie die Poltiker Horst Seehofer und sein Vorgänger als Ministerpräsident Edmund Stoiber.Adresse: Ismaninger Straße 85, 81675 Münchenwww.bogenhauser-hof.de Quelle: Kay Blaschke
Blauer BockIn Sichtweite des Viktualienmarktes und dennoch ein wenig im Abseits.Gäste: Linde-Chef Wolfgang ReitzleAdresse: Sebastiansplatz 9, 80331 Münchenwww.restaurant-blauerbock.de Quelle: Pressebild
BrennerOffener Kohlegrill, riesige Fläche. Hinter der Oper ein Treffpunkt, wenn man sehen will, wer noch so unterwegs ist.Gäste: Berater, Anwälte, MedienmenschenAdresse: Maximilianstraße 15, 80539 Münchenwww.brennergrill.de Quelle: Pressebild
Bayerischer Hof„Eine Welt für sich“, lautet das Slogan des Bayerischen Hofs. Genauer genommen sind es viele Welten, die hier aufeinandertreffen. So ist an der Falk’s Bar der Ort für lockere Gespräche, das Atrium dient als Bühne für Preisverleihungen, und in der ersten Etage verbergen sich Besprechungszimmern und der Kaisersaal.Gäste: Vor allem internationale Gäste und die Münchner Gesellschaft.Adresse: Promenadeplatz 2–6, 80333 Münchenwww.bayerischerhof.de Quelle: Pressebild
Käfer Schänke Quelle: Pressebild
Südtiroler Stuben Quelle: Pressebild
Tantris Quelle: Pressebild

Der Zugang ist nur mit dem Titel CEO möglich, möglichst eines Unternehmens von Dax-Dimensionen. Zu den Mitgliedern gehört der fließend französisch parlierende ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der einst beim französischen Mischkonzern Saint Gobain als Generalbevollmächtigter tätig war. Außerdem dabei: BMW-Lenker Norbert Reithofer, BASF-Chef Kurt Bock und E.On-Boss Johannes Teyssen.

Vorformulierte Präsentationen sind strikt verboten, mit oder ohne PowerPoint. Stattdessen sollen die Teilnehmer frei reden – und möglichst Französisch sprechen. Beim letzten Treffen schilderte François Hollande seine Vorstellungen von französischer Wirtschaftspolitik. Vor ein paar Jahren war Ex-Außenminister Joschka Fischer zu Gast und sprach über das deutsch-französische Verhältnis. Beim Abschlussdinner sitzen viele Teilnehmer schon wieder im Hubschrauber. Evianisten haben viel zu tun – und wenig Sinn für angesäuselte Gemütlichkeit

Isny-Runde - Treffen beim Torfbaron

Deutschlands erfolgreichste Manager
Der Ehrgeizige: Matthias MüllerSchon nach wenigen Monaten an der Spitze des exklusiven Sportwagenbauers Porsche überraschte Vorstandschef Matthias Müller mit einem mutigen Vorstoß: Die kleine, aber feine Sportwagentochter von Volkswagen solle bis 2018 ihren Absatz auf rund 200.000 Autos verdoppeln, gab er als Ziel vor. Unrealistische Annahmen? Schließlich hatte Volkswagens Konzernchef Martin Winterkorn zuvor nur davon gesprochen, dass Porsche für 150.000 Autos im Jahr gut sei. Inzwischen ist der gebürtige Bayer Müller aber auf dem besten Weg, seine hohen Ziele zu erreichen. Dies belegen die jüngsten Halbjahreszahlen: Mit dem Rekordwert von 68.940 Autos haben die Zuffenhausener gut ein Fünftel mehr verkauft als im Vorjahreshalbjahr und den Umsatz um 30 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro erhöht. Quelle: dapd
Mit einer Umsatzrendite von 18,7 Prozent überragt Porsche die Konkurrenz von BMW und Mercedes bei weitem. Und daran wird sich so schnell nichts ändern: Müller sicherte Porsche die Führungsrolle beim Sportwagenbau im VW-Konzern. Porsche investiert dafür in die Standorte mehr als eine Milliarde Euro. Mit dem kleinen Sportgeländewagen Macan kommt Anfang 2014 die fünfte Baureihe auf den Markt. Sie gilt mit einem erwarteten Absatzvolumen von 50.000 Fahrzeugen als Garant dafür, dass Müller seine Ziele erreichen kann. Porsche beweist, dass eine Automarke auch unter dem Dach eines Großkonzerns in neue Dimensionen vorstoßen kann. Quelle: dpa
Die Kundenfreundlichen: Jim Hagemann Snabe (l.) & Bill McDermottMut und Erfolg gehören zusammen. Das wissen auch Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott. Der Däne und der Amerikaner sind bereit, als SAP-Chefs auch ungewöhnliche und überraschende Schritte zu gehen. Etwa den, Lars Dalgaard, Chef der von SAP übernommenen IT-Firma Sucess-Factors, in den SAP-Vorstand zu holen. Dalgaard ist ein junger „Wilder“. McDermott und Snabe stehen für eine neue SAP. Jung und dynamisch soll der in die Jahre gekommene Softwareriese sein. Vor allem Snabes Aufgabe war es, auf dem wichtigen Heimatmarkt Deutschland und Europa für ein besseres Image zu sorgen. Quelle: dpa
Der Erfolgsausweis: Im letzten Quartal verkaufte SAP Softwarelizenzen im Wert von 1,06 Milliarden Euro, 26 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Erzrivale Oracle schaffte in seinem letzten Quartal nur ein Plus von sieben Prozent. Die Lizenzerlöse spiegeln den Verkauf von neuer Unternehmenssoftware wider. Der soll nach Prognosen von Analysten der Gartner Group 2012 weltweit um 4,3 Prozent steigen. SAP schneidet bei wichtigen Kennzahlen besser ab als die Konkurrenz und der Gesamtmarkt. Quelle: dpa
Der Durchgreifer: Johannes TeyssenSeit zwei Jahren führt Johannes Teyssen den Energiekonzern Eon und hat ihn seither wettbewerbsfähiger gemacht. So strich er die Standorte München und Essen zusammen, die zuvor weitgehend unbehelligt von der Zentrale ein Eigenleben führen konnten. Zuletzt konnte er auch den langfristigen Liefervertrag mit dem russischen Konzern Gazprom neu verhandeln, der Eon trotz sinkender Erdgaspreise an einen vor Jahren ausgehandelten teuren Tarif gebunden hatte. Die von Teyssen ausgehandelte und rückwirkend geltende Vertragsänderung trug mit einer Milliarde Euro erheblich zum Gewinnsprung um fast 55 Prozent im ersten Halbjahr bei. Diese Ergebnisentwicklung wird Teyssen so nicht fortschreiben können. Aber trotz der Belastungen durch die Energiewende kann er immerhin mit einem Wachstum rechnen. „Selbst wenn der Strompreis auf dem aktuellen Niveau bleibt, dann wird Eon sein Ergebnis zumindest marginal steigern können“, sagte Analyst Heck. Quelle: dpa
Ein weiteres Beispiel für den nüchternen Führungsstil des Juristen ist das aktuelle Umbauprogramm: Als sich 2011 eine Abschwächung des Stromgeschäfts abzeichnete, leitete er kurzerhand das Sparprogramm „Eon 2.0“ ein, das den Abbau von 11.000 der 80.000 Stellen vorsieht. Bei der erfolgsverwöhnten Belegschaft sorgten die Einschnitte für massiven Ärger, es gab sogar Proteste vor der Konzernzentrale in Düsseldorf. Doch der Chef ließ sich nicht beirren: „Das Sparprogramm hat Teyssen intern Kritik eingebracht, es ist aber die richtige Entscheidung gewesen“, sagte Matthias Heck, Analyst bei Macquarie. Ohne die Einsparungen hätte er riskiert, dass die Ergebnisse wegen der gefallenen Strompreise sinken. Quelle: dpa
Der Konservative: Nikolaus von BomhardNikolaus von Bomhard ist für seine Bescheidenheit bekannt. In die Arbeit kommt der Chef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re mit dem Fahrrad, Besucher holt er gern persönlich am Eingangsportal ab. Nun passt es zu von Bomhard, dass er angab, beim rechtzeitigen Verkauf der HVB-Beteiligung habe man auch Glück gehabt. „Man muss rechtzeitig durch die Tür kommen.“ Auf der anderen Straßenseite, bei der Allianz, hatten sie weniger Glück. Der Kauf der Dresdner Bank vor dem Ausbruch der Finanzkrise kostete Milliarden. Quelle: dapd

Immer im Spätherbst, immer im gleichen Hotel, immer der gleiche Moderator: Tradition ist Helmut Aurenz wichtig. Seit 1979 veranstaltet der 75-Jährige die Isny-Runde, benannt nach dem Ort im Allgäu. 20 Personen kamen zum Startschuss, im November waren es 190. Darunter: VW-Chef Martin Winterkorn, Drogerieketten-Gründer Dirk Rossmann und Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung.

Wie die globalen Netzwerke beim Weltwirtschaftsforum in Davos, auf der Bilderberg-Konferenz, beim Rotary Club und am European Roundtable funktionieren.
von Tim Rahmann, Daniel Rettig, Silke Wettach, Lin Freitag

Aurenz, der sein Vermögen mit Blumenerde machte und deswegen den Spitznamen „Torfbaron“ trägt, ist CDU-Mitglied und Autonarr. Und diese Interessen spiegelt auch die Gästeliste wider: Die christlich-konservative Elite trifft auf Automobil-Adel und Dax-Chefs. Bundeskanzlerin Angela Merkel war ebenso schon zu Gast in Aurenz’ eigenem Hotel Jägerhof wie Siemens-CEO Peter Löscher. Zu den Stammgästen zählen der Bilfinger-Chef Roland Koch, der frühere Nestlé-Boss Michael Maucher und Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, der die Veranstaltung moderiert.

Die Teilnehmer schätzen es, in vertraulicher Atmosphäre über Themen aus Industrie und Politik zu sprechen. Die Runde gilt in der Autoindustrie und bei Christdemokraten als meinungsbildend. Die Grundregel lautet: „Jeder darf etwas sagen – aber es darf nicht länger als 15 Minuten dauern“, sagt Wissmann.

Die Schwerpunkte setzt Aurenz, im November ging es vor allem um China. Wissmann erinnert das Treffen an das Davos der Frühzeit, aber mit einem Unterschied: „Das Ticket für Isny ist nicht zu kaufen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%