Auf der Internetseite artfacts.net können sich Kunst-Nerds vom phänomenalen Vormarsch ihrer Lieblinge in der Künstler-Weltrangliste überzeugen: Piene zum Beispiel ist von Platz 1330 im Jahre 2005 auf Platz 254 geklettert. Wem das nicht reicht, kann sich auf dem artverwandten Portal artnet.de die Ergebnisse ansehen, die seine Rauch- und Rußbilder auf den Auktionen der vergangenen zehn Jahre erzielt haben.
Kann das ewig so weitergehen? Zweifel sind angebracht. Die großen Auktionshäuser verdienen zu wenig. So betrug der Gewinn des US-Versteigerers Sotheby’s im Jahr 2014 bei Auktionserlösen von 5,2 Milliarden nur 226 Millionen Dollar, ein bescheidenes Plus von 1,6 Prozent. Und im ersten Halbjahr 2015 setzten die vier führenden Auktionshäuser der Welt in China mit 1,6 Milliarden Dollar 2,6 Prozent weniger um als im gleichen Zeitraum 2014. Umsatzrückgänge von fünf Prozent vermeldeten auch die Kunstmärkte in England, Frankreich und Deutschland.
Vielleicht bricht sich auch die Zero-Welle: Die Herbstauktionen von Grisebach und Lempertz in der vergangenen Woche zeigten, dass mit Spitzenkunst immer noch Spitzenpreise erzielt werden, aber nicht jeder Mack oder Piene, auch nicht jeder Nolde ein Selbstläufer ist. So langsam scheint es einigen Kunstbegeisterten zu dämmern, dass Kunst als materielle Investition eine Anlageform wie jede andere ist, „dass ihre Preise“, so Illies, „auch fallen können“. Hinzu kommt: „Wenn die Zinsen wieder hochgehen“, sagt Ketterer, „wird es mehr Waren auf dem Markt geben, aber weniger Interessenten“. Schon heute wird die Hälfte aller Kunstwerke auf dem Auktionsmarkt teurer erworben als verkauft.
Dem gegenüber steht der Trend, dass man mit Kunst heute immer noch Sozialprestige einkaufen kann. „Plakativ gesagt: Was früher der Porsche war“, so Robert Ketterer, „ist heute die Kunst.“ Auch machen die Auktionshäuser inzwischen bis zu 50 Prozent ihres Umsatzes mit Neukunden, die erst zwei Jahre dabei sind. Sie „kaufen für die Wände“, auf zwei, drei Auktionen, mit variabler Preisgrenze, für etwa 30 000 Euro, je nach Intensität des Haben-Wollens. Das ist die Klientel, die die Auktionshäuser umwerben, mit aufwendigen Katalogen, die kunstgeschichtliche Einordnungen und Marktanalysen bieten, mit Vorbesichtigungen in den wichtigsten Städten, in Zürich, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Berlin, mit Partystimmung an den Auktionstagen.
Die Zeiten, da der Auktionsmarkt ein „closed shop“ war, der vor allem die Kunsthändler belieferte, sind vorbei. Die Kataloge stehen heute online, bei der Versteigerung eines kolumbianischen Meisters bieten „nicht nur ein paar Eingeweihte“, so Hanstein, „sondern Interessenten weltweit per Live-Auktion mit“. Schließlich der Wegfall der EU-Binnengrenzen: Früher fielen jedes Jahr Zehntausende D-Mark für Zollpapiere an. Heute kann man die Sachen in Europa hin- und herschicken. Die Kunstwelt sei „kleiner geworden“, sagt Hanstein, „auch schneller“. Gerade bei der modernen und zeitgenössischen Kunst, mit der die Auktionshäuser mehr Umsatz machen als mit den „400 Jahren davor“.
Vor allem aber wird die Auktion als Thrill ihre Faszination behalten. Eine Versteigerung ist für den Kunstfreund, was für den Börsenhändler die riskante Wette ist. Die Auktion, so fasst es Ketterer zusammen, ist ein „permanenter Wettstreit zwischen dem Wunsch zu gewinnen und der Angst zu verlieren. Zum Ersten, zum Zweiten und ... zum Dritten.“