Dennoch versuchen sich in Deutschland immer mehr Menschen daran, Dry-Aged-Steak selbst herzustellen. Bislang verließen sich die meisten Hobbyisten dabei auf die Reifebeutel, wie sie Markus Delfs vertreibt.
Für die außergewöhnlicheren Methoden, Fleisch zu reifen, ist schon etwas Mut nötig. So lässt der im hessischen Schlüchtern ansässige Schlachter Dirk Ludwig sein Rind in einem nicht luftdicht geschlossenen Behältnis in Mineralwasser reifen. Dabei muss es von Wasser umgeben sein, darf aber nicht schwimmen. Im Unterschied zum klassischen Reifen im Vakuum entfällt so der leicht metallische Geschmack, der dabei entstehen kann.
Auch die von Frank Bensberg in Ratingen bei Düsseldorf praktizierte Reifung eignet sich kaum, um sie daheim auszuprobieren: Bensberg lässt das Fleisch luftdicht von Rindertalg umgeben im Fett reifen.
Das Fachblatt für die männliche Fleischeslust, "Beef", weiß in seiner aktuellen Ausgabe Rat für Menschen mit Platz und knapp 2800 Euro Investitionsvolumen für die heimische Reifung. Es beschreibt die Geschichte der Familie Landig, die bislang mit Vakuum- und Kühlgeräten für die Wildindustrie in Bad Saulgau, 30 Kilometer nördlich von Ravensburg ein Unternehmen betreibt.
Der "Dry Ager" sieht im Grunde aus wie ein Weinklimaschrank ohne Einlegeböden. An einer Art Kleiderstange können Fleischhaken eingehängt werden, die einen ganzen Rinderrücken aushalten. Zwei Stück passen - für die besonders hungrigen Esser - gut nebeneinander in den 165 Zentimeter hohen und 70 Zentimeter breiten Kühlschrank, in dem es nicht nur kalt und feucht ist, sondern stets ein frischer Luftstrom dafür sorgt, dass das Fleisch nicht schlicht versauert.
Die Mär vom guten Fleisch? Wie es nutzt und wo es schadet
Fleisch liefert hochwertiges Eiweiß, essenzielle Aminosäuren sowie die Vitamine B1, B6 und B12. Das Spurenelement Eisen ist wichtig für die Blutbildung. „Fleisch trägt dazu bei, den Protein- und Eisenbedarf zu decken“, erläutert der Präsident des Max-Rubner-Instituts für Ernährung und Lebensmittel, Prof. Gerhard Rechkemmer. „Mit Ausnahme von Vitamin B12 können wir alle essenziellen Nährstoffe aber auch aus pflanzlichen Lebensmitteln bekommen.“ Wer als Vegetarier Milch und Eier esse, sei nicht automatisch unterversorgt.
Gerade geräuchertes Fleisch und Wurst enthalten relativ viel Salz - wer viel davon isst, überschreitet schnell die empfohlenen Mengen. Nicht schmecken kann man dagegen Rückstände von Antibiotika und resistente Keime. Um den Medikamenten-Einsatz in der Massentierhaltung wird seit langem gerungen. Beanstandet wird aber nur relativ wenig mit Antibiotika belastetes Fleisch, wie aus dem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von 2012 hervorgeht. Durch verunreinigtes Futter wurde in Fleisch auch schon Quecksilber nachgewiesen. Viren auf Fleisch gelten als schwer nachzuweisen. Der Anteil lebensmittelbedingter Virusinfektionen lässt sich laut DGE nicht abschätzen.
Sind Höchstgrenzen überschritten, dürfen Produkte nicht in den Handel gelangen. Verkaufsverbot gilt europaweit auch für Fleisch von Tieren, die mit Wachstumshormonen behandelt wurden. „Der Standard der Lebensmittelsicherung in Deutschland ist so hoch, dass man sich um die Gesundheit keine Sorgen machen muss“, sagte der Epidemiologe Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE). Durch resistente Keime auf Fleisch wird allerdings eine Resistenz gegen Antibiotika auch für Krankheitserreger des Menschen befürchtet.
„Zu weißem Fleisch hat man bisher in keiner epidemiologischen Studie einen Zusammenhang mit Krebs gefunden“, sagte Boeing. Generell bewertet auch die DGE Geflügel unter gesundheitlichen Gesichtspunkten günstiger als rotes Fleisch. Aus Angst vor Krebs nun vermehrt auf Geflügel umzuschwenken, ist Boeing zufolge aber nicht der logische Schluss aus der WHO-Empfehlung. Er empfiehlt auch aus ethischen Gründen eine gesündere Menge: „Wir bräuchten ernährungsphysiologisch gar nicht so viel Fleisch.“ Hinzu kommt: Antibiotika-resistente und andere potenziell krankmachende Keime werden insbesondere auf Geflügel gefunden. Hygiene bei der Zubereitung ist daher wichtig.
Auf Fleisch kann man gut verzichten, sind sich Experten einig. Vegetarier müssten sich aber mit Nährwerten und abwechslungsreicher Ernährung befassen, um beispielsweise Eisen optimal auszunutzen. Denn Eisen aus Gemüse, Hülsenfrüchten oder Vollkornprodukten kann der Körper nicht so leicht aufnehmen wie tierisches. Kombiniert mit Vitamin C lässt sich die Aufnahme aber verbessern, wie Rechkemmer schildert.
Vitamin B12 ist für Veganer ein kritischer Nährstoff, weil er nicht in pflanzlichen Quellen vorkommt: Es müsste durch Nahrungsergänzungsmittel oder angereicherte Lebensmittel ersetzt werden. Wer zu Pillen greifen will, solle aber gezielt einen Stoff einnehmen, anstatt auf den Streueffekt zu setzen: „Von Multinährstoffpräparaten halte ich gar nichts“, sagte Rechkemmer.
Massentierhaltung steht schon lange in der Kritik: Viehtransporter und dunkle, enge Ställe voller Tiere - das ist für viele Vegetarier und Veganer Anreiz genug zum Fleischboykott. Aber auch der Verzicht dem Klima zuliebe ist begründet: Die Umweltstiftung WWF etwa sieht hohen Fleischkonsum als „Brandbeschleuniger“ für die globale Klimaveränderung. Denn für eine fleischreiche Ernährung sind viel mehr Flächen nötig als für eine pflanzliche. Werden etwa Wälder in Südamerika für den Anbau von Tierfutter wie Soja abgeholzt, wird Kohlendioxid aus Bäumen und Böden freigesetzt.
Manchen Hobby-Metzger könnte überraschen, dass er mehr Fleisch einplanen muss. Durch die Trockenreifung verliert es über Wochen Wasser - und damit Gewicht. Je länger es hängt, desto stärker trocknet das Fleisch aus. Ein Grund, warum ein Filet beispielsweise ungeeignet ist - es würde einfach nur trocken werden. Die nötige Maserung mit Fett besitzt es nicht, und zart ist es ohnehin schon.
Wolfgang Otto kennt die Tücken des Dry Aging: "Wir hatten erst im Sommer ein Problem, als uns 500 Kilo Fleisch umkippten." In dem Reiferaum drängelten sich wegen einer kurzfristig eingetroffenen Bestellung fast doppelt so viele Rippen wie üblich. Das brachte die fein abgestimmte Atmosphäre aus Kälte, Luft und Feuchte in Schieflage.
"Ein guter Metzger, von denen es viele gibt, wird Ihnen immer sagen, dass es Übung braucht, um Dry Aging zu beherrschen", sagt Otto. Sein Tipp für alle, die nicht das Risiko eingehen wollen, sich mit schimmelndem Fleisch zu vergiften: das Dry Age Steak dort kaufen, wo sie auch sonst ihr Fleisch kaufen würden. "Das ist Vertrauenssache", sagt Otto.
Auch wenn es dort kein Yak gibt. Das muss sich bis auf weiteres jeder selber bei der bayerischen Yak-Zucht von Alfons Kohl ordern und wie Delfs im Reifebeutel reifen lassen.