Preismanagement Teuer macht sexy

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Schleichendes Gift

Elektronikmarkt Saturn Quelle: dpa/dpaweb

Zwar haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland Dutzende von Billiganbietern breitgemacht. Egal, ob die Lebensmittelhändler Aldi oder Lidl, die Kleiderkette H&M oder das Möbelhaus Ikea – viele Discounter sind mit weitem Abstand Marktführer. Auch appellierten viele Unternehmen mit teuren Werbekampagnen an den deutschen Schnäppchen-Instinkt. Ob „Geiz ist geil“, „Wir hassen teuer“ oder „Sternhagel günstig“ – vor allem der Elektronikmarkt Saturn fachte die deutsche Billigheimer-Attitüde an.

Diese mediale Aufmerksamkeit ging auf Kosten des Profits. Auch die Baumarktkette Praktiker offerierte seinen Kunden per jahrelangem medialem Dauerfeuer „20 Prozent auf alles“. Der Spruch wurde zwar Kult, erwies sich aber als finanzielles Eigentor: Im vergangenen Jahr machte Praktiker einen Verlust von mehr als 500 Millionen Euro, viele Filialen sollen künftig in die Schwestermarke Max Bahr geändert werden, die Unternehmensleitung bastelt derzeit an einem Sanierungskonzept.

„Rabatte wirken häufig wie schleichendes Gift“, sagt Marketingexperte Martin Fassnacht, „denn sie können die Loyalität der Kunden zerstören.“ Außerdem konditionieren sie diese darauf, dass die Produkte wenig kosten.

Schleckers teure "Discounter-Preise"
Eine junge Frau trägt einen Lippenbalsamstift auf Quelle: dapd
Eine Kundin lässt sich von einer Friseurin die Haare färben Quelle: dapd
Mit einer 9,4 Meter langen Zahnbürste demonstriert die Dr.Best-Forschung die flexible Borstenverankerung ihrer neuesten Zahnbürstenentwicklung. Quelle: obs
Zwei blonde Personen auf dem Catwalk Quelle: REUTERS
Modells zeigen neue Frisurentrends Quelle: AP
Eine Filiale der Drogeriekette Schlecker Quelle: dpa

Drei Marketingkomponenten

Früher mussten Produkte vor allem einen funktionalen Nutzen haben, heute betonen Marketingforscher vor allem drei entscheidende Komponenten: eine emotionale, eine symbolische und eine gesellschaftliche. Die Produkte verfügen über gewisse Eigenschaften, die die Menschen mit Geld zu bezahlen glauben. Die einen wollen sich Geltung verschaffen, die anderen ihr Selbstbewusstsein steigern oder durch den Kauf nachhaltiger Produkte etwas für die Umwelt tun.

Wer eine dieser Komponenten erfüllt, kann die Preise durchaus anheben oder höhere Preise verlangen als die Konkurrenz – sogar in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Längst nicht immer ist für diese Erkenntnis eine teure Werbekampagne notwendig. Manchmal reicht es schon aus, die internen Abläufe gründlich zu überprüfen.

So geschehen kürzlich bei einem deutschen Elektronikhersteller, der mit seiner Marge in Norwegen unzufrieden war. Die Führungsetage ging davon aus, dass die Zahlungsbereitschaft der dortigen Kunden traditionell niedrig sei. Zu Unrecht.

Preisberater um Oliver Roll, Professor an der Hochschule Osnabrück, erstellten daraufhin eine ausführliche Analyse. Sie werteten norwegische Preisindizes aus, die Einkommensverteilung und Vorlieben der Konsumenten. Und erkannten schnell, dass die Zahlungsbereitschaft in Norwegen keinesfalls niedrig sein konnte. Also entschied das Management, die Preise in Norwegen zu erhöhen – und steigerte dadurch den Gewinn.

Manchmal sind es solche kleinen Stellschrauben, die ein sinnvolles Preismanagement auszeichnen – zumal die Vorteile offensichtlich sind. Zum einen können Preise schnell geändert werden, zumindest im Vergleich zur Entwicklung neuer Produkte. Zum anderen merken die Unternehmen an der Reaktion der Kunden rasch und unmittelbar, wie die Preise im Markt ankommen.

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