Altersvorsorge Die Riester-Bombe

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Größtes Protestmahnmal gegen Quelle: obs

Krüger, der in Wirklichkeit anders heißt, hatte nicht viel dabei, ein paar Unterlagen, einen teuren Tintenroller, einen Block, auf dem sein Name stand. Später fand ich heraus, dass er sehr viel Kriegsgerät im Angebot hat: Panzer, Flugzeuge, Granatwerfer. Krüger sprach nicht darüber.

Das liegt wohl daran, dass Herr Krüger gar nicht weiß, was er alles verkauft. Auf seiner Visitenkarte steht nicht Waffenhändler. Da steht: „Deutscher Ring".

Der Deutsche Ring ist ein Versicherungsunternehmen. Es wurde 1913 in Hamburg gegründet, gehört heute aber größtenteils dem Schweizer Versicherungskonzern Baloise. Beim Deutschen Ring kann man sich gegen fast jede Unbill des Lebens versichern, egal ob Unfall, Feuer, Diebstahl, Arbeitslosigkeit oder Wasserschaden.

Mir ging es um meine Altersvorsorge. Ich wollte eine private Rentenversicherung abschließen, eine sogenannte Riester-Rente. Die funktioniert so: Man zahlt jeden Monat einen kleinen Teil seines Gehalts ein, und der Staat gibt einen festen Betrag dazu. Steuerlich absetzbar ist das Ganze auch noch. Man bekommt also zweimal Geld geschenkt. Ich hätte mir so eine Altersvorsorge schon früher zulegen sollen.

„Sicher ist sicher"

Auf den Deutschen Ring kam ich, weil ein Bekannter dort versichert ist. Auch Fachzeitschriften haben das Unternehmen mehrfach für seinen guten Service und die günstigen Tarife ausgezeichnet. Also erkundigte ich mich nach einem Vertreter des Deutschen Rings in meiner Nähe. Es ist Herr Krüger.

Die Versicherung, die er mir anbietet, heißt RingRiesterAktiv top3. Die genauen Konditionen erläutert mir Krüger in meiner persönlichen Kundenmappe. Mein monatlicher Beitrag liegt demnach bei 162,17 Euro, zu überweisen an den Deutschen Ring. Die staatliche Zulage beträgt 154 Euro im Jahr, plus 800 Euro Steuerersparnis.

Zu Rentenbeginn in 26 Jahren hätte ich dann bei durchschnittlicher Konjunkturentwicklung etwa 100.000 Euro zur Verfügung, rechnet mir Krüger vor. 25.000 Euro bekäme ich vom Staat geschenkt. Mir erscheint das als gutes Geschäft.

Bevor ich den Vertrag unterschreibe, überreicht mir Krüger ein kleines Geschenkpaket des Deutschen Rings. Es enthält ein Erste-Hilfe-Set, eine Löschdecke und einen kleinen Ratgeber zur Vermeidung von Unfällen in Haus und Garten. „Sicher ist sicher", sagt Krüger lächelnd.

Normalerweise wäre die Sache jetzt erledigt gewesen. Ich hätte jeden Monat das Geld überwiesen und beruhigt meinem 67. Geburtstag entgegengesehen. Wäre im Fernsehen wieder ein Beitrag über Streubomben gelaufen, hätte ich mich weiter auf der Seite der Guten gewähnt. Von der CBU-105 hätte ich nichts erfahren, und Naser Aayash hätte ich nie kennengelernt.

Meine Riester-Rente wäre meine Privatsache geblieben. Es wäre keine journalistische Recherche daraus geworden.

Dass es anders kam, liegt an einem Buch, das mir zufällig in die Hände fiel. Es heißt Die Einkaufsrevolution . In diesem Buch beschreibt die Journalistin Tanja Busse, wie seltsam es ist, dass wir alle gegen Kinderarbeit und Tierquälerei sind und trotzdem genau dafür unser Geld ausgeben: weil es uns nicht kümmert, wie die Dinge entstehen, die wir jeden Tag kaufen. Weil wir nur das schön aussehende, von der Werbung angestrahlte Endprodukt vor Augen haben: das T-Shirt, den Teppich, das Steak.

Oder die Rente.

Auch die Versicherung RingRiesterAktiv top3 ist ein Produkt. Es ist eine Art Automat. Oben wirft man viel Geld hinein. Unten kommt noch mehr Geld heraus. Man sieht das auf seinem Konto.

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