In der vergangenen Woche sickerte durch, dass Apple für rund 3,2 Milliarden Dollar Beats Electronics (BE) kaufen wolle. Das Unternehmen aus Südkalifornien ist vor allem durch seine bunten, klobigen Kopfhörer bekannt. Zahlreiche Fußballstars, von Marco Reus über Jerôme Boateng bis Mario Götze, haben die BE-Ohrmuscheln bei TV-Interviews locker um den Nacken hängen - und das BE-Logo werbewirksam in den Fokus der Kameras gerückt. Auch der legendäre Apple-Gründe Steve Jobs ließ sich einst mit den bunten Ohrhörern von Beats Electronics ablichten.
Vermarktung beherrscht BE also schon mal ganz gut. Neben den Kopfhörern betreibt BE auch einen Musik-Abo-Dienst; den so genannten Streaming-Diensten gehört nach einhelliger Meinung von Branchenexperten die Zukunft im digitalen Musikgeschäft. Apple hat bislang kein konkurrenzfähiges Streaming im Angebot, den Boom also offenbar unterschätzt. Viele Marktbeobachter gehen daher davon aus, dass es Apple mit dem geplanten BE-Kauf weniger auf die Kopfhörer von BE, als auf deren Streaming-Dienst abgesehen hat.
Aber wie um alles in der Welt haben die beiden Gründer, der Musikmanager Jimmy Iovine und der Rapper Dr. Dre, den Computergiganten Apple dazu bekommen, drei Milliarden Dollar für Ihr Unternehmen auf den Tisch zu legen? Die nicht börsennotierte BE machte 2013 nicht ganz 1,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Ein stolzer Preis also für einen Kopfhörerhersteller; Hardware erzielt normalerweise an der Börse selten mehr als eine doppelte Umsatzbewertung. Und vor allem: Was sagt so ein spektakulärer Kauf über Apple aus, das bisher nie mehr als eine Viertel Milliarde Dollar in einen Zukauf gesteckt hat?
Harsche Kritik
Auf jeden Fall bedeutet so eine große Übernahme einen Strategiewechsel. Kritik ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Der bekannte US-Musikmanager Bob Lefsetz, der sich regelmäßig wortgewaltig mit Branchengrößen, Stars und Sternchen anlegt, bringt sie auf den Punkt: „Der Deal beweist, dass Apple ein sterbender Dino ist“, schrieb Lefsetz in seinem Blog, „… Tim Cook [Steve Jobs‘ Nachfolger , Anm. d. Verf.] ist ein reiner Zahlenmensch, der keine Visionen und vom Musikgeschäft keine Ahnung hat (…). Seit Jahren pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die Zukunft allein dem Streaming gehört; Apple hat den Trend komplett verschlafen und sich auf seinem gut laufenden Geschäft mit bezahlten Downloads [iTunes] verlassen“, wettert Lefsetz.
iTunes – Pfründe langfristig in Gefahr
Was davon stimmt: Apple setzt bisher im Musikgeschäft fast nur auf sein Online-Kaufhaus iTunes; dort wird die Musik – wie dereinst in der physischen Welt der Vinylscheiben und CDs – noch immer einzeln (als Song) oder als Album (mit meist acht bis 15 Titeln) verkauft. Nur, dass die Kunden das Produkt nicht mehr als physischen Tonträger bekommen, sondern als Datei downloaden. Die Wachstumsraten mit iTunes waren anfangs sehr gut, auch, weil Apple als erster in das Geschäft mit legalen Musik-Downloads investierte und mit dem iPod das passende Hardwareprodukt dazu hatte, das ein internationaler Verkaufsschlager wurde.
Doch inzwischen schwächt sich das Wachstum mit dem bezahlten Download von MP3-Musikdateien schon wieder ab; schuld sind diesmal aber nicht neue illegale Formate, sondern das legale Streaming.
Europa-Marktführer Spotify aus Schweden etwa hat seinen Umsatz von 2011 auf 2012 auf fast 400 Millionen Dollar mehr als verdoppelt, schrieb aber noch rund 50 Millionen Dollar Verluste. US-Konkurrent Pandora machte im ersten Quartal 2014 125 Millionen Dollar Umsatz bei mehr als 20 Millionen Dollar Verlust.
Die Vorteile des Streamings
Trotz der Anfangsverluste: Streaming ist der am schnellsten wachsende Bereich in der Musikindustrie. Inzwischen scheint er nicht nur CD-Verkäufe, sondern auch das Geschäft mit dem Download bezahlter Dateien (also Apples Domäne) zu kannibalisieren. Beim Streaming wird Musik nicht mehr Songweise oder in Alben gebündelt verkauft, sondern im Monats-Abo, meist für relativ kleines Geld (rund sieben bis zehn Dollar im Monat). Es gibt auch viele kostenlose Dienste, die sich über Werbung finanzieren.
Streaming hat – sowohl aus Sicht der Musikindustrie, als auch der Kunden -, überragende Vorteile:
- Kunden können alles anhören und durchprobieren, ohne gleich eine Kaufentscheidung treffen zu müssen. Die meisten Anbieter haben 20 bis 30 Millionen Titel gespeichert. Das deckt nahezu den gesamten zeitgenössischen Rock und Pop- sowie große Teile des Jazz- und Klassik-Marktes ab; lediglich bei heute aus der Mode geratenen Veröffentlichungen aus den 1970ern, 80ern und 90ern klaffen noch einige Lücken, die aber nach und nach gefüllt werden
- Während die kostenfreien Angebote meist nur über einen Webbrowser gehört werden können, dürfen die Käufer der Bezahl-Abos Musik auf bis zu 3 Geräten abspeichern und abspielen, wann und wo immer sie wollen; klassisch -- als Album --, oder als selbst zusammengestellte Playlist. So kundenfreundlich, das muss man eingestehen, war die Musikindustrie wohl noch nie.
- Auch die ist inzwischen Feuer und Flamme , schließlich kann sie weiter mit Verlagen und den Major Labels Lizenzdeals schmieden, aber auch mit kleinen Indie-Plattenfirmen oder Künstlern, die sich selbst um die Wahrung ihrer Rechte kümmern; der Aufwand ist technisch minimal, die Standardverträge minimieren die Verwaltung
- Langfristig am wichtigsten: Es gibt erste Anzeichen, dass sich mittels Streaming längst verloren geglaubte Kunden aus dem illegalen Internet zurückholen lassen.
„Die Hemmschwelle für Raubkopierer und illegale Nutzer aus dem Internet, wieder (oder erstmals im Leben) für Musik zu bezahlen, ist viel kleiner als bei Downloads oder CDs, weil Streaming überall verfügbar ist, auch auf Smartphones in guter Qualität, es im Vergleich zu anderen Distributionsmodellen relativ wenig kostet und die Auswahl an Titeln immens ist“, sagt Francis Moore, CEO des Internationalen Verbandes der Phonoindustrie, IFPI.
Warum Musik für Apple so wichtig ist
Zahlreiche Risikokapitalgeber, Hedgefonds und Finanzinvestoren haben sich in den vergangenen zwei Jahren daher an Streamingfirmen beteiligt; man schätzt, dass Marktführer Spotify bei einem Börsengang aus dem Stand bis zu fünf Milliarden Euro Börsenwert erreichen würde. Nun bezahlt Apple 3,2 Milliarden Dollar für einen Konkurrenten, der relativ spät in den Markt kam und einen Bruchteil des Spotify-Umsatzes erwirtschaftet.
Die Probleme von Beats
Dessen Problem: Er wird zwar in der Branche und von Labels hoch gelobt wegen seiner kreativen Menüführung und Vorschlags-Algorithmen; er ist aber weltweit nicht unter den größten Fünf der Branche. Der Umsatz mit Streaming wird auf rund drei Millionen Dollar pro Monat geschätzt; 90 Prozent des BE-Umsatzes kommen also noch aus den Kopfhörern, die zwischen 170 und 400 Dollar das Stück kosten. Für den globalen Massenmarkt scheinen sie somit weniger gut geeignet.
BE ein reiner Panikkauf?
Vieles spricht also dafür, dass BE für Apple ein Panikkauf ist. Der einflussreiche Apple-Anlayst Gene Munster sagt: “Wir haben so unsere Probleme, den wirtschaftlichen Nutzen hinter so einem Deal zu sehen. Beats Electronic würde zwar eine Premiummarke mehr ins Apple-Produktportfolio bringen, aber Apple ist ja bereits sehr wirksam als Premiummarke positioniert.”
Doch möglichweise war es für Apple schon eine der letzten Gelegenheiten, sein bereits rückläufiges digitales Musikgeschäft zu retten. „Mit dem Trend zum Streaming einher geht ein verändertes Nutzerverhalten“, sagt Moore, „Kunden wollen ihre Musik heute überall hören, nicht mehr nur im heimischen Wohnzimmer, ohne den starken generellen Trend in der IT hin zu mobilen Internetgeräten wie dem Smartphone oder Tablet wäre auch der Streamingboom nicht so stark.“
Auf dem Smartphone spielt die Musik
Umgekehrt ist Musik der perfekte Inhalt, mit dem Premium-Smartphone-Hersteller wie Apple langfristig Kunden an sich binden können. „Apple unterscheidet sich je gerade durch sein reichhaltiges Produktuniversum um die eigene Hardware herum – Musik, Software, Apps, Filme – von reinen Hardwareherstellern wie Samsung oder HTC und nutzt diese Dinge sehr effizient, um Kunden an sich zu binden“, sagt Analyst Munster, „fiele dieses Argument weg, wären auch die Apple-Margen in Gefahr. Musik ist daher kritisch für Apple: Zukunftsfähig oder nicht?“
Denn um Apple, mit 380 Milliarden Euro Börsenwert das wertvollste Unternehmen der Welt, ist ein heftiger Streit entbrannt. Kritiker bemängeln, dass Apple seit Jahren kein wirklich neues Produkt geliefert hat, wie sie unter Jobs reihenweise aus den Laboren kamen: erst der Musikplayer iPod, dann das iPhone, schließlich der Minicomputer iPad. Asiatische Konkurrenten wie Samsung, Lenovo, HTC und Huawei seien „wie eine Schar Piranhas hinter Apples Märkten her“, schreibt der Branchenblog Cult Of Android.
Die Hetzjagd zeigt an der Börse Wirkung: Die Aktie fiel vom Hoch im September 2012 bei fast 700 Dollar um fast 30 Prozent, notierte am Mittwoch bei nur noch 530 Dollar. Viel zu billig, sagen die Apple-Bullen. Auch sie haben gute Argumente: Der Gewinn wächst Jahr für Jahr, und kein anderes Unternehmen der Welt generiert auch nur annähernd so viel Cash: Über 150 Milliarden Dollar hat der Gigant auf der Bilanz. Das, so die Befürworter, reiche, um mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren als die Konkurrenz, notfalls neue Technik einzukaufen und die Dividende aufzustocken.
Mehr als zwei Jahre nach Jobs’ Tod hadert der Kapitalmarkt noch immer mit Cook. Ein neues Buch heizt in den USA die Diskussion an. „Haunted Empire“ von Yukari Kane geriet zur Generalabrechnung. Jobs’ Nachfolger sei ein knochentrockener Zahlenmensch, unter dem die 75 000 Apple-Mitarbeiter weniger motiviert seien. Cooks Augenmerk gelte vorrangig dem Drücken der Zulieferfirmen, nicht dem Design neuer Produkte. Cook konterte, das sei „Unsinn“. Buchautorin Kane verstehe weder ihn noch Jobs, noch Apple.
Der Kunde will Phablets
Kanes Vorwurf, Apple habe an Kreativität und Innovationskraft eingebüßt, ist nicht neu. Auch nicht falsch. Die bislang letzte Erfindung, die zum weltweiten Kassenschlager wurde, das iPad, ist über vier Jahre alt. Die Konkurrenz baut es nach, billiger. Neue Produkte, die wie iPhone oder iPad eine technologische Lücke schließen und so aus dem Nichts einen Milliardenmarkt schaffen, sind nicht in Sicht, obwohl die Gerüchteküche immer wieder hochkocht. Mal soll eine Apple-Armbanduhr kommen, dann ein Apple-Fernseher. Selbst wenn: Set-Top-Boxen, die Internet und TV verbinden, gibt es schon. Armbänder, die Daten aus dem Netz oder vom Smartphone anzeigen und mit Körperdaten wie Puls und Blutdruck kombinieren, sind nett, aber kein Blockbuster, der Umsatz, Gewinn und Kurs treibt. Das Kernproblem: „Die Anleger sind verwöhnt von den Innovationen der Nuller-Jahre und erwarten von Apple, dass sie das Rad ständig neu erfinden“, sagt Mark Moskowitz, Leiter Research IT Hardware bei JP Morgan.
Auch Apple-intern steigt die Nervosität. Auf einem Treffen hochrangiger Manager Anfang April schlug der Vertrieb Alarm, wenn man nicht bald bessere Produkte bekomme, seien die eigenen Ziele nicht haltbar. „Der Konsument will etwas, was wir zurzeit nicht haben“, so der Titel einer viel diskutierten Präsentation. Gemeint: Smartphones mit einem Riesen-Display (5,5 Zoll oder mehr), die das Betrachten von Videos, Tabellen oder Grafiken erleichtern und in die größere Akkus passen, sogenannte Phablets. „Auf dem schnell wachsenden Markt hat Apple erstmals nicht die Nase vorn, sondern Samsung“, sagt Cyrus Mewawalla von CM Research, der treffsicherste Apple-Analyst laut Finanznachrichtendienst Bloomberg, „hier wird der – sonst meistens abstrakt an der Person Steve Jobs festgemachte – Innovationsstau konkret, Apple verliert dadurch Marktanteile in der Zukunft.“
Weltweit wurden 2013 laut Marktforscher Gartner fast eine Milliarde Smartphones verkauft. Apple besitzt zwar im Hochpreissegment mit dem iPhone 5 das meistverkaufte Einzelgerät; weil aber Samsung stets zahlreiche Modelle unterschiedlicher Größe zugleich verkauft, hatten die Koreaner mit mehr als 83,3 Millionen Geräten im vierten Quartal klar die Nase vorn. Apple kam nur auf 50 Millionen Stück.
IOS hat nur 20 Prozent Marktanteil
Immerhin: Nur in der Gruppe wirken die Konkurrenten wie Piranhas, jeder für sich (außer eben Samsung) ist von Apple meilenweit entfernt: Nokias Hoffnung, im Verbund mit Microsoft verlorenen Boden gutzumachen, hat sich kaum erfüllt; Sony, Google, HTC, Huawei und Lenovo kommen auf je drei bis sechs Prozent Marktanteil. Doch der Trend für Apple zeigt nach unten. Dramatisch wirkt es, wenn man die Betriebssysteme betrachtet, auf denen Smartphones laufen. Damit verdienen die Hersteller zwar kaum Geld. Wichtig sind sie aber, weil darauf Handyprogramme, die Apps, laufen. Wer nicht möglichst viele, populäre und neue Apps auf seine Handys bringt, verkauft auch keine Geräte.
Die Handys der meisten Konkurrenten laufen auf der offenen Softwareplattform Android; sie hat 80 Prozent Marktanteil, Tendenz steigend. Apple besteht auf der eigenen, proprietären Software iOS. Das ist gefährlich, denn die Programmierer neuer Apps könnten sich öfter für das offene System entscheiden, das ihnen die Kunden fast aller Handyhersteller erschließt, statt ihre Ressourcen an einen Hersteller (Apple) zu binden, der obendrein Marktanteile verliert. Schmerzhaft ist der Verlust der Smartphone-Vorherrschaft, weil Apple hier am meisten verdient. Das iPhone alleine macht 56 Prozent des Umsatzes und 70 Prozent des Gewinnes aus.
Die Zulieferer wollen mehr vom Gewinn
Diese Pfründe sind in Gefahr. „Die Gewinnmargen beim iPhone werden fallen“, warnt Toni Sacconagghi von der US-Investmentbank Sanford C. Bernstein, „Apples Zulieferer und vor allem die Auftragsfertiger in Taiwan begehren auf, sie selbst arbeiten mit Margen von zwei bis acht Prozent, wollen ein größeres Stück vom Kuchen.“ Ihre Verhandlungsmacht wächst in dem Maß, in dem mehr Smartphones von Apple-Konkurrenten produziert werden, die Fertigungskapazität nachfragen.
„Stimmt alles“, sagen die Apple-Befürworter, nur: Das alles sei im aktuellen Aktienkurs schon eingepreist. Es sei „alles andere als ausgemacht“, dass Apple ständig Innovationen braucht, damit der Aktienkurs steigen kann. „Eine solche Innovation müsste aus dem Stand in Millionenstückzahlen zum Preis von je 200 bis 300 Dollar über den Ladentisch gehen, um sich im Zahlenwerk von Apple signifikant niederzuschlagen“, gibt Peter Dreide von TBF Global Asset Management zu bedenken. „Ist es da nicht viel sinnvoller, die bestehenden Cash-Kühe zu verbessern und weiterzuentwickeln, als auf Deibel komm raus das Rad neu erfinden zu wollen?“
Apple kann nicht negativ überraschen
Analyst Mewawalla hat die jüngste Studie „Warum Apple wieder steigen wird“ überschrieben. „Machen wir Tabula rasa“, fordert er, „was haben wir? Wir haben ein hoch profitables Unternehmen, das noch immer wächst; wir haben weiter steigende Gewinne, wenn auch langsamer als zuletzt, und wir hatten sehr lange kein neues Produkt.“ Apple könne kaum noch negativ überraschen. Gerd Häcker, Leiter Portfoliomanagement beim Vermögensverwalter Huber, Reuss, Kollegen, sieht das ähnlich: „Apple hat ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur 11,5 – das wäre die angemessene Bewertung für ein Unternehmen, das überhaupt nicht mehr wächst.“
Doch Apple wächst, wenn auch langsamer als in den besten Jahren: Nach 108 Milliarden Dollar Umsatz 2011 waren es 2012 schon 157 Milliarden (plus 45,4 Prozent) und 2013 171 Milliarden (plus 8,9 Prozent). Für 2014 schätzen Analysten 181 Milliarden Dollar Umsatz, immerhin 5,8 Prozent Zuwachs. Der Gewinn je Aktie kletterte seit 2011 von 27,7 auf fast 39,8 Dollar; für 2015 werden 42,8 erwartet. Vor allem passe das Apple-KGV nicht zum Gesamtmarkt: „Aktien sind zurzeit nicht günstig; der S&P 500 Index hat ein KGV von 17,5, der Dax von 17,7“, sagt Häcker, „Apple wird als überdurchschnittlich wachsendes und profitables Unternehmen mit einem Abschlag von fast 40 Prozent auf den Markt bewertet.“ Fondsmanager Dreide, der abwechselnd am Bodensee und im Silicon Valley arbeitet, meint: „Würde Apple nicht High-Tech-Produkte, sondern, wie in dem alten Gag im Film ,Forrest Gump‘, tatsächlich Äpfel produzieren, wäre die Aktie derzeit 50 bis 60 Prozent teurer.“
Nackte Zahlen sprechen für Apple | |||
Wichtige Kennzahlen Apples im Vergleich zu den größten Wettbewerbern | |||
Aktie | Apple | Samsung* | Lenovo* |
ISIN | US0378331005 | US7960508882 | US5262501050 |
Kurs (in Euro) | 407,35 | 484,61 | 16,16 |
Börsenwert2 | 354.018 | 122.796 | 8.628 |
Umsatz 20132 | 130.301 | 108.978 | 26.320 |
Gewinn 20132 | 27.898 | 12.337 | 491 |
Gewinn/Aktie | 30,52 Euro | 77,87 Euro | 0,05 Euro |
KGV 2014 (1) | 11,5 | 9,9 | 14,1 |
KUV (2) | 2,6 | 1,2 | 0,3 |
Cash/Aktie | 33,34 Euro | 162,98 Euro | 0,27 Euro |
Cash-Flow | 39.861 Mill. Euro | 19.572 Mill. Euro | 50 Mill. Euro |
Kurs/Cash-Flow | 8,1 | 6,3 | 158,1 |
Kurs/Buchwert | 3,4 | 1,5 | 3,9 |
Dividende | 2,6 % | 1,3 % | 2,3 % |
Empfehlung | kaufen | kaufen | verkaufen |
* an westlichen Börsen gehandelter Anteilsschein; 1 = Kurs-Gewinn-Verhältnis laufendes Jahr, geschätzt; 2 Kurs-Umsatz-Verhältnis, 2013, gesch.; Quelle: Bloomberg, Unternehmensangaben |
Er verweist auf die Aktien von Lebensmittelproduzenten wie Nestlé, die derzeit durch die Bank hohe KGVs (zwischen 18 und 22) aufweisen. Die üblichen Erklärungen dafür sind deren „Gewinnqualität“ und „verlässliche Dividenden“. Klar: Für Stabilität und zuverlässige Ausschüttungen zahlen viele Anleger einen Aufpreis. Nur: Apples Gewinnqualität (dessen Höhe, die Wachstumsrate und die Abwesenheit negativer Überraschungen) ist sogar höher als die der Nahrungsmittelkonzerne. In zehn Jahren stieg der Gewinn neun Mal, der Umsatz jedes Jahr. Dreide: „Da passt etwas nicht zusammen. Auch die Margen im Geschäft mit überteuerten Kaffeekapseln sind schließlich nicht auf Dauer haltbar.“
Mehr Geld für Innovationen
Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei Apples Cash-Reichtum: 150 Milliarden Dollar liquide Mittel hatten die Kalifornier zuletzt; das entspricht etwa der Wirtschaftsleistung 2013 von Neuseeland oder Rumänien. Cook hat jetzt zwar eine Dividendenerhöhung und weitere Aktienrückkäufe angekündigt. Doch selbst wenn das den Cash-Berg etwas erodiert – Apple bleibt das reichste Unternehmen der Welt. Rechnete man das Cash aus dem KGV heraus – man kauft das Bargeld an der Börse schließlich mit – sänke das KGV auf acht.
Vor allem kann Apple mit dem Geld einiges anfangen: „Apple kann mehr in Forschung und Entwicklung stecken als irgendein anderer Hersteller“, sagt James Cordwell, Analyst bei Atlantic Equities; nicht einmal Samsung habe ein solches Budget. Wenn alle Stricke reißen, könnte Apple neue Technologie auch einfach kaufen. Hedgefondsmanager David Einhorn und der Milliardär Carl Icahn fordern Dividendenerhöhungen. Zuletzt schüttete Apple drei Dollar pro Quartal und Aktie aus. Am Mittwoch versprach Cook eine Erhöhung auf 3,30 Dollar. Doch die Ausschüttungsquote (Anteil des Nettogewinns, der in Dividenden fließt) liegt noch immer bei rund 30 Prozent – ausbaufähig.
Fast ein Monopol bei Tablets
Höhere Dividenden würden neue Aktionäre anlocken, etwa Versicherungen oder Pensionsfonds, die regelmäßige Ausschüttungen für ihre Kunden brauchen. Zwar ist richtig, dass Apple, wie viele Konzerne, die hohen Steuern in Industrieländern teils umgeht, indem es Töchter in Steueroasen ansiedelt. Rund zwei Drittel des Cash-Reichtums kann Apple daher nicht ohne weiteres in die USA holen. Doch selbst wenn Apple auf die in Steueroasen lagernden, geschätzten 100 Milliarden Dollar 25 Prozent Steuern zahlen müsste (die übliche US-Steuerquote für Finanzgewinne), blieben noch 125 Milliarden Dollar übrig.
Im wachsenden Markt für Tablets hat Apple auch vier Jahre nach Einführung des iPads noch fast ein Monopol, der anfängliche Rückgang der Gewinnmargen ist gestoppt. Anders als beim iPhone ist das iPad den Konkurrenzprodukten technisch nach wie vor überlegen. Wichtiger: Mit dem iPad kann Apple neue Käuferschichten erschließen, etwa Leute, die alte Laptops durch ein Tablet ersetzen. Microsoft kündigte vor zwei Wochen an, seine Bürosoftware (Word und Excel) künftig auch in einer iPad-Version anzubieten. Das kann man als Eingeständnis einer Niederlage auf dem Mobile-Computer-Markt interpretieren. „Apple sollte nicht wie ein reiner Hardwarehersteller bewertet werden“, meint Analyst Cordwell. „Anders als etwa Samsung verkauft Apple mit jedem Produkt auch die zugehörige Software. Deren Anteil am Umsatz ist zwar noch klein, doch mit der Software kann Apple Kunden langfristig an sich binden und schafft damit die Basis für künftige Hardwareverkäufe.“
Nackte Zahlen sprechen für Apple | ||||
Wichtige Kennzahlen Apples im Vergleich zu den größten Wettbewerbern | ||||
Aktie | Apple | Microsoft | HTC* | |
ISIN | US0378331005 | US5949181045 | US40432G2075 | US38259P5089 |
Kurs (in Euro) | 407,35 | 28,85 | 14,88 | 392,75 |
Börsenwert2 | 354.018 | 238.550 | 2.887 | 258.178 |
Umsatz 20132 | 130.301 | 60.217 | 4.648 | 45.056 |
Gewinn 20132 | 27.898 | 16.911 | -37 | 9.199 |
Gewinn/Aktie | 30,52 Euro | 2,03 Euro | Verlust | 13,71 Euro |
KGV 2014 (1) | 11,5 | 13,8 | 286,5 | 28,1 |
KUV (2) | 2,6 | 3,9 | 0,6 | 5,7 |
Cash/Aktie | 33,34 Euro | 7,11 Euro | 0,96 Euro | 63,41 Euro |
Cash-Flow | 39.861 Mill. Euro | 23.303 Mill. Euro | -336 Mill. Euro | 14.053 Mill. Euro |
Kurs/Cash-Flow | 8,1 | 10,3 | negativ | 19,9 |
Kurs/Buchwert | 3,4 | 3,6 | 1,7 | 4,3 |
Dividende | 2,6 % | 2,7 % | 0,3 % | 0 % |
Empfehlung | kaufen | halten | verkaufen | halten |
* an westlichen Börsen gehandelter Anteilsschein; 1 = Kurs-Gewinn-Verhältnis laufendes Jahr, geschätzt; 2 Kurs-Umsatz-Verhältnis, 2013, gesch.; Quelle: Bloomberg, Unternehmensangaben |
Mit Software Kunden binden
So ist zum Beispiel das iPhone zwar nicht technisch führend in jeder Kategorie, bei Kamera-Megapixel, Bildschirmgröße oder Chip-Geschwindigkeit. Doch wer es kauft, bekommt eine Menge nützliche Software, einen Reparatur- und Update-Service und Inhalte wie Musik-Streaming. „Samsung oder HTC haben dem als reine Hardwarehersteller nichts entgegenzusetzen“, meint Dreide. Auf dem Samsung-Handy läuft Musikstreaming heute von Spotify, morgen von Pandora oder Deezer. Samsung hat davon – nichts. Schlimmer: Wechselt bei den Smartphones die Mode, dann ereilt Samsung oder HTC dasselbe Schicksal wie vor fünf Jahren Nokia. Der Umsatz bräche ein, denn die Hemmschwelle zum Gerätewechsel wäre weg.
Anders bei Apple, wo die Kunden damit ihre Musik-, Film- oder App-Bibliothek aufgäben. Diese Art der Kundenbindung kann man kritisieren, aber sie funktioniert offensichtlich: Zwar setzte Apple 2013 mit Nichthardware erst 16 Milliarden Dollar um, also gut neun Prozent des Gesamtumsatzes. Immerhin waren das aber 25 Prozent mehr als 2012. Und die Quote der Kunden, die beim Upgrade auf ein neues Handy- oder Tablet-Modell der Marke treu bleibt, ist mit mehr als 90 Prozent die höchste der Branche, hat UBS-Analyst Steve Milunovich ermittelt.
Gerade darin liegt wahrscheinlich auch der Grund, warum Apple nun so viel Geld für einen relativ kleinen Kopfhörerhersteller ausgibt, der nebenbei auch Musikstreaming macht. Diesen Vorteil muss sich Apple unbedingt bewahren, das ist die Strategie seit jeher, schon unter Jobs, gewesen.
Große Displays sind gefragt
„Weltweit wurden 2013 bereits über 100 Millionen Smartphones mit größeren Displays verkauft, von Quartal zu Quartal mehr“, sagt Andy Hargreaves vom Broker Pacific Crest. Er schätzt, dass Apple „aus dem Stand“ 20 Millionen Großhandys verkaufen wird und damit zehn Milliarden Dollar zusätzlichen Umsatz macht, „obwohl ein Teil davon die Umsätze mit dem iPad-Mini und dem alten iPhone kannibalisieren wird“. Allerdings soll es bei der Produktion des iPhone 6 Probleme geben: Taiwanesische Fachmedien kolportieren, die Auftragsfertiger hätten „technische Probleme“ bei der Fertigung der großen 5,5-Zoll-Displays.
Fest steht: Das neue iPhone wird teuer. Laut Peter Misek von der US-Investmentbank Jefferies verhandelt Apple derzeit mit Netzbetreibern über bis zu 100 Dollar Preisaufschlag gegenüber dem iPhone 5. Die hätten das zunächst zurückgewiesen, deuteten nun aber ein Einlenken an. Der Branchendienst Business Insider spekuliert, dass die Netzbetreiber sich aus einer exklusiven iPhone-Vermarktung Vorteile bei längerfristigen Verträgen mit Endkunden erhofften. Dafür sind sie offenbar bereit, das iPhone 6 stärker zu subventionieren als die Vorgänger.
Neuer Deal beflügelt Aktie nicht
Zum Jahreswechsel schloss Apple mit China Mobile, dem mit fast 800 Millionen Kunden weltgrößten Mobilfunker, ein Vertriebsabkommen. Dem Deal gingen sechs Jahre zäher Verhandlungen voraus; er soll über mehrere Jahre laufen. Die Apple-Aktie hat das bisher kaum beflügelt. China Mobile verzeichnet pro Monat etwa 1,4 Millionen neue Kunden für den neuesten, schnellen Mobilfunkstandard LTE. Die Hoffnung ist, dass diese Kunden für ihren teuren Service auch teure Handys nutzen, etwa das iPhone 6. Laut China Mobile gibt es schon „Millionen Vorbestellungen“.