So schnell kann es gehen: "Apple ist die schlechteste Aktie der Welt – mit Abstand!", motzt "Mac-Life", ein Magazin für Apple-Enthusiasten. 270 Milliarden Dollar Börsenwert habe das Management "in nur fünf Monaten verbrannt – mehr Geld als je ein anderes Unternehmen in der Wirtschaftsgeschichte!"
Noch vor wenigen Monaten hatten Journalisten und Analysten Apple hochgejubelt: Das Technikunternehmen brach Umsatzrekorde im Quartalstakt, machte mit seinen Kultprodukten wie dem iPhone aus einem Dollar Umsatz 50 Cent Reingewinn und wurde darüber zum wertvollsten Unternehmen der Welt, teurer als McDonald’s, Coca-Cola und Siemens zusammen.
Und noch immer laufen die Geschäfte gut bei Apple. Doch an der Börse scheint das keinen mehr zu interessieren. Die jüngste Apple-Hauptversammlung geriet nicht mehr zur gewohnt harmonischen Selbstbeweihräucherung der Vorjahre: Ein Drittel der Aktionäre stimmte sogar gegen Gehaltserhöhungen für die Chefs. Speziell einige Großanleger machen plötzlich Stunk. Sie meinen, Apple tue nicht genug gegen die anhaltende Kursschwäche.
Konzerne mit Luxusproblem
Die könnte aber schon bald der Vergangenheit angehören. Denn genau betrachtet sind viele der IT-Giganten – nicht nur Apple, sondern auch Microsoft oder Google – derzeit für Anleger so attraktiv wie lange nicht mehr. Gut möglich, dass ihre Aktien vor einer Renaissance stehen. Denn nicht nur bei Apple machen enttäuschte Aktionäre derzeit Druck aufs Management. Auch bei Microsoft, Dell, HP oder Cisco bricht sich die Unzufriedenheit der Anleger mit den Aktienkursen Bahn. Der Kernvorwurf: Die Konzernmanager sähen der – oft schon seit Jahren – anhaltenden Kursflaute tatenlos zu, horteten unsinnigerweise Milliardenberge in Steueroasen wie den Cayman Islands und ruhten sich auf den Erfolgen der Vergangenheit aus.
Richtig ist: Viele der großen IT-Konzerne haben ein Luxusproblem. Sie haben hoch profitable Geschäftsmodelle, die sich in enormen Mittelzuflüssen (Cash-Flows) manifestieren. Die Technologie ist weitgehend ausgereift, investieren müssen sie nur noch einen Bruchteil dessen, was sie regelmäßig verdienen. Auch die anhaltende Schuldenkrise trifft die meisten Unternehmen kaum. Ihre Kunden sparen anderswo – nicht aber an der IT.
Auf die Dauer bleibt so bei den IT-Firmen dermaßen viel Geld hängen, dass deren Manager gar nicht mehr wissen, wohin damit, sagen die Kritiker. Sie fordern immer energischer höhere Dividenden.
Für Großanleger attraktiv
Und die Konzernchefs dürften sich dem Druck schon bald beugen, um die Talfahrt der Aktien zu stoppen. Das macht die – an der Börse derzeit extrem niedrig bewerteten – IT-Giganten attraktiv. Besonders für Großanleger, die auf regelmäßige Ausschüttungen angewiesen sind, beispielsweise Pensionsfonds. Schon jetzt bieten einige Tech-Aktien höhere Dividendenrenditen als die Aktien aus klassischerweise freigiebigen Branchen, wie etwa Konsumgüter, Auto, Chemie oder Energie. Und die Tech-Firmen können sich ohne Weiteres noch weit üppigere Dividenden erlauben.
Hinzu kommt: Die Konzerne dürften ihre immense Finanzkraft bald auch wieder vermehrt für Firmenkäufe einsetzen. Das bietet Anlegern Chancen mit Aktien kleinerer Spezialisten, die ins Visier der cash-strotzenden Großen geraten könnten.
Allein Apple hat rund 137 Milliarden Dollar an Barmitteln angesammelt. Alle drei Monate kommen derzeit rund 16 Milliarden Dollar hinzu. Damit schwimmt der Technologiekonzern geradezu in Geld. Zum Vergleich: Der Ölmulti ExxonMobil, mit einem Börsenwert von knapp 400 Milliarden Dollar derzeit fast so teuer wie Apple, hortet netto (liquide Mittel nach Abzug aller Schulden) überhaupt kein Cash.
Die Dagobert Ducks der Tech-Branche
Großanleger haben deshalb schon gefordert, einen größeren Teil der Reserven an die Aktionäre auszuschütten. David Einhorn, einer der bekanntesten US-Hedgefondsmanager, brach im Februar sogar ein Tabu: Er drohte, Apple auf höhere Dividenden zu verklagen. Einhorns Fonds hält Apple-Aktien im Wert von immerhin mehr als 600 Millionen Dollar und fordert, Apple solle seine Dividende verdoppeln. "Angesichts der weltweit dürftigen Zinsen bei Unternehmens- und Staatsanleihen fordern große Aktionäre, etwa Pensionsfonds, immer aggressiver hohe Dividenden von den gut verdienenden Unternehmen ein", beobachtet Gerald Kichler, Leiter des Portfoliomanagements bei Flossbach von Storch.
Höhere Dividenden locker drin
Und die Techies könnten sich weit höhere Dividenden locker leisten. Trotz einer aktuellen Dividendenrendite von immerhin knapp vier Prozent schüttet etwa Microsoft derzeit aber noch nicht einmal ein Drittel seiner regelmäßigen freien Mittelzuflüsse aus (Cash-Flow nach Abzug aller Investitionen, Zinsen, Steuern und Kosten). Auch Apple kann seine derzeitigen Ausschüttungen an die Aktionäre mit einem Bruchteil seiner regelmäßigen Mittelzuflüsse begleichen. Obwohl der Konzern seit vergangenem Jahr erstmals seit 1995 wieder Dividende zahlt und seitdem immerhin rund zehn Milliarden Dollar pro Jahr unter den Anlegern verteilt, wird er von Quartal zu Quartal reicher.
Ein Problem, auf das die IT-Manager gerne und oft verweisen, um die Dividendenerwartungen ihrer Aktionäre zu dämpfen: Das meiste Cash der IT-Konzerne liegt aus steuerlichen Gründen auf Konten und Depots außerhalb der USA, meist in Steuerparadiesen wie Singapur oder den Cayman Islands. Würde Apple sein Geld (etwa 97 Milliarden der rund 137 Milliarden Dollar Cash-Reserven liegen im Ausland) zurück in die USA holen, um es an die Aktionäre auszuschütten, müsste es wieder versteuert werden. Grob gerechnet rund 30 Prozent davon würden dann aber beim Fiskus landen.
Doch auch ohne höhere Dividenden locken die großen Tech-Werte – nämlich wegen ihrer derzeit extrem günstigen Bewertungen. Intel und Microsoft, die Börsenstars der Hausse in den Neunzigerjahren, kosten heute nicht einmal mehr das Zehnfache ihres aktuellen Jahresgewinns. Der Drucker- und PC-Hersteller HP bringt es gar nur auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 6,5.
Tech-Aktien zum Schnäppchenpreis
Selbst die Apple-Aktie mutet inzwischen wie ein Schnäppchen an. Nachdem ihr Kurs vom Hoch bei 705 Dollar im September 2012 fast 40 Prozent abgesackt ist, kostet sie nur noch den rund zehnfachen Gewinn des laufenden Geschäftsjahres. Rechnet man Apples enorme Cash-Bestände heraus, liegt die Gewinnbewertung gar nur noch bei rund sieben. Zum Vergleich: Die Börse billigt Aktien wie Colgate-Palmolive, Nestlé oder Reckitt Benckiser wegen deren hoher Gewinnqualität und guten Cash-Flows KGVs von um die 20 zu. Seltsamerweise kosten die Tech-Giganten bei oft besseren Bilanzkennzahlen nur die Hälfte.
Microsoft etwa werde trotz seiner nach wie vor sehr hohen Ertragskraft "von der Börse inzwischen bewertet wie ein osteuropäischer Müllsammler", beklagt Peter Dreide, der auf Technologiewerte spezialisierte Chef und Gründer von TBF Global Asset Management in Singen.
Fusionen und Übernahmen möglich
Natürlich gibt es auch gute Gründe für die niedrige Bewertung. Unter dem Strich wächst Microsoft nicht mehr, der Umsatz stagniert. Doch ist Microsoft längst nicht mehr nur Windows, wo die Erlöse zuletzt rückläufig waren. Der Konzern hat neben dem PC-Betriebssystem noch zahlreiche andere, hoch rentable Geschäftsfelder, wie Server- und Datenbanksoftware.
"Microsoft ist zwar nicht das innovativste Unternehmen der IT-Welt, war das aber genau genommen noch nie", sagt Analyst Brian Wieser von Pivotal Research in New York, "und die Ertragskraft ist nach wie vor beeindruckend, ich sehe auch keine Gefahr, dass sich daran auf absehbare Zeit etwas ändern sollte."
Übertreibt die Börse also nach unten? Es sieht so aus: Mit einem KGV von rund neun (auf Basis der Gewinne des laufenden Geschäftsjahres) ist Microsoft auf jeden Fall nicht teuer. "Auf diesem Niveau wäre ein Gewinnrückgang von 30 bis 40 Prozent in den nächsten zwei Jahren schon eingepreist, und ich glaube kaum, dass es dazu kommt", sagt Fondsmanager Kichler.
Softwarebranche interessant für Firmenjäger
Das große Vermögen, das die IT-Giganten angesammelt haben, könnte den Markt für Fusionen und Übernahmen wieder in Gang bringen. Besonders die Softwarebranche wäre interessant für Firmenjäger. Die Unternehmen dort sind meist schuldenfrei, machen Gewinn und erfordern keine hohen Investitionen, wie dies bei den meisten Chipherstellern oder Computerbauern notwendig wäre.
"Der IT-Sektor wird in den kommenden zwei Jahren stark in Bewegung geraten", prophezeit Pamela Barbaglia, Leiterin Technologiemarkt beim auf Fusionen und Übernahmen spezialisierten Marktforscher Mergermarkets.com in London. "Großaktionäre könnten zum Beispiel auf die Idee kommen, ihre unterbewerteten Firmen, wie derzeit Dell, von der Börse zu nehmen", meint Barbaglia.
Der Chef und Gründer des gleichnamigen Computerbauers, Michael Dell, exerziert es gerade vor: Dell versucht zusammen mit Partnern und Geldgebern wie dem Hedgefonds Silver Lake Partners, sein eigenes Unternehmen von der Börse zurückzukaufen. Die dafür nötigen geschätzt 25 Milliarden Dollar kann er dank üppiger Kreditzusagen durch Hedgefonds aufbringen – offenbar ein für alle Beteiligten lohnendes Geschäft. Allerdings bekommt Dell Konkurrenz. Auch die Beteiligungsfirma Blackstone und der Milliardär Carl Icahn sollen ein Auge auf Dell geworfen haben, könnten sich möglicherweise sogar zusammentun. Dell droht in ein Bietergefecht um das eigene Unternehmen verstrickt zu werden.
Schlaglicht auf der alten Garde
Das mögliche Gerangel um Dell wirft ein Schlaglicht auf die alte Garde der IT-Giganten. Jene, die vor einem Vierteljahrhundert begannen, ihre Branche zu dominieren, und damit an der Börse reüssierten, um dann im vergangenen Jahrzehnt von Apple, Google oder Samsung aus dem öffentlichen Interesse gedrängt zu werden: ein wenig aus der Mode – aber noch immer mit florierenden Geschäftsmodellen.
Die Altstars könnten bald vermehrt Finanzinvestoren mit konkreten Übernahmegelüsten anziehen. Über die hohen Cash-Flows der potenziellen Übernahme-Opfer würden sich fremdfinanzierte Aufkäufe (sogenannte Leveraged Buy-outs/LBOs) binnen wenigen Jahren von selbst refinanzieren. Die fälligen Kreditzinsen könnten auch für milliardenschwere LBOs problemlos aus dem regelmäßigen Cash-Flow der Übernahmeopfer bedient werden. Es bliebe sogar noch Geld übrig, das sich die neuen Alleineigentümer als Dividenden zuführen könnten.
Bleibt der Dell-Deal kein Einzelfall?
Fonds, die in solche LBOs investieren, verzeichneten zuletzt erhebliche Mittelzuflüsse. US-LBO-Fonds haben vergangenes Jahr 54 Milliarden Dollar netto eingenommen, allein im Januar 2012 seien acht Milliarden dazugekommen, sagen Daten der Ratingagentur Standard & Poor’s. Und ein weiteres Signal spricht dafür, dass es bald zu Großübernahmen kommen könnte: Die auf kreditfinanzierte Aufkäufe spezialisierten Finanzinvestoren wie Permira und KKR heuern derzeit in New York und London erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise wieder massenhaft Personal an.
"Der Markt für hoch verzinste Kredite ist regelrecht ausgetrocknet", sagte Adrian Marshall, Direktor und LBO-Fondsmanager bei Blackrock kürzlich auf einem Branchentreffen. "Wir brauchen mehr Deals wie Dell, sonst können wir die Mittelzuflüsse nicht am Markt unterbringen." Hinter vorgehaltener Hand nennen Londoner Finanzinvestoren unter anderem HP, Cisco und sogar Microsoft als mögliche Ziele. "Microsoft könnte sich ohne Weiteres selbst von der Börse kaufen", meint auch Fondsmanager Dreide.
Rückschläge für Apple
75 Prozent aller Smartphones laufen inzwischen auf dem Betriebssystem Android des Apple-Rivalen Google
18 Prozent mehr Umsatz machte Apple im Weihnachtsgeschäft 2012 - gegenüber einem Plus von 73 Prozent im Vorjahr
350 Millionen Smartphones plant Samsung in diesem Jahr zu verkaufen - 60 Millionen mehr als Apple an iPhones seit Juni 2007 insgesamt verkauft hat
150 Dollar soll das neue Tablet von Acer kosten, weniger als die Hälfte des iPad mini
Im vierten Quartal 2012 rutschte Apple in China bei Smartphones auf Rang sechs
IT-Dickschiffe in Shoppinglaune
Ende 2011 kaufte etwa Microsoft für 8,5 Milliarden Dollar Skype, einen Anbieter von Videokonferenz- und Internet-Telefonie mit weltweit rund 900 Millionen Kunden. Skype ist – anders als die Käufe der Tech-Firmen zu Zeiten der New Economy – profitabel, machte schon zum Zeitpunkt der Übernahme aus rund 840 Millionen Dollar Umsatz 260 Millionen Dollar Gewinn vor Steuern und Zinsen.
Vor allem Spezialisten für komplexe Firmensoftware seien für Aufkäufer lukrativ, meinen die Marktforscher von Mergermarkets. "Die Großen, vor allem Oracle, zuletzt aber auch IBM und SAP, haben den Markt für Firmensoftware in den vergangenen drei Jahren schon fast leer gekauft, es gibt nur noch wenige Spezialisten. Die sind im Prinzip alle potenzielle Übernahmeziele", sagt Technologie-Expertin Barbaglia.
Der größte noch frei schwimmende Fisch im Teich wäre die britische Sage Group mit einem aktuellen Marktwert von 4,7 Milliarden Euro. Sage ist, anders als SAP und Oracle, auf kleine und mittelständische Firmen spezialisiert und ist stark in Schwellenländern wie Indien und Brasilien aktiv, würde also zum Beispiel die Kundenbasis von SAP sehr gut ergänzen.
Investitionen in Bezahlsysteme
Die Finanzinvestoren KKR und Blackstone sollen die Briten wiederholt im Visier gehabt haben, auch SAP gilt als Interessent. Andere potenzielle Übernahmeziele im Firmensoftwaremarkt sind die – allerdings wesentlich kleineren – Manhattan Associates und SPS Commerce.
Daneben stehen Anbieter von Software und Lösungen für mobiles Bezahlen, bei denen das Smartphone zur Geldbörse und zur Kreditkarte wird, bei Beteiligungsgesellschaften und den beiden Cloud-Giganten Apple und Google derzeit ganz weit oben auf der Liste. Ebay schnappte sich vor knapp zwei Jahren schon den Bezahlsoftwarespezialisten Zong. Auch dass Facebook massiv in das Online-Bezahlgeschäft investiert, ist kein großes Geheimnis mehr.
Horizontale Zukäufe machen keinen Sinn
"Speziell Apple und Google könnten auf die Idee kommen, eigene Zulieferer zu kaufen", so Dreide. Auf der jüngsten Fachmesse in San Francisco war genau das eines der auf den Fluren und an den Hotelbars am heißesten diskutierten Themen, berichten IT-Manager. Denn horizontale Zukäufe, also direkte Konkurrenten zu übernehmen, macht nicht unbedingt Sinn. Samsung oder HTC wären selbst für Apple und Google ein zu großer Brocken, das heißt: zu teuer. Zudem dürften hier die Kartellbehörden umgehend Bedenken anmelden. Nokia wäre zwar billig zu haben, hat aber derzeit keine interessante Technologie. Und warum sollte ein profitabler Smartphone-Hersteller wie Google oder Apple einen anderen kaufen, der weniger profitabel und voller Probleme ist?
Apple könnte Chiplieferanten interessant finden
Wesentlich mehr Sinn ergäben da Käufe entlang der eigenen Lieferkette. So könnte Apple seine Chiplieferanten wie Micron oder Cirrus Logic interessant finden.
Apple verbaute zuletzt bereits 91 Prozent der gesamten Cirrus-Produktion an Chips. "Das letzte Quartal 2012 hat vor allem wegen der starken Nachfrage Apples positiv überrascht und maßgeblich dazu beigetragen, dass das Management seine Prognosen für 2012, 2013 und darüber hinaus massiv angehoben hat", sagt Halbleiter-Analyst Jeffrey Schreiner von der Investmentbank Feltl & Company in Minneapolis, USA.
Apple verfügt im Gegensatz zu anderen Tech-Giganten über mehrere Jahrzehnte eigene Erfahrungen in der Chipentwicklung und könnte mit dem Kauf bares Geld sparen: Anstatt Cirrus für die benötigten Chips seine Gewinnmarge von 20 Prozent zu bezahlen, könnte Apple die Patente des Chipdesigners selber nutzen. Allerdings arbeitet Cirrus an einer Verringerung seiner Abhängigkeit von Apple und will internen Berichten zufolge noch in diesem Frühjahr einen zweiten großen Smartphone-Hersteller als Kunden präsentieren.
Den geschätzten Kaufpreis von rund 1,5 Milliarden Dollar könnte Apple aus der berühmten Portokasse bezahlen. Cirrus, früher Spezialist für Sound- und Grafikkarten in PCs, stellt heute hauptsächlich Analog-Digital-Wandler, Mikrofone und digitale Signalprozessoren her. Diese werden zum Beispiel in Tablets und Smartphones verbaut, um Sprache in Daten und zurück zu verwandeln.
Das 1984 gegründete Unternehmen aus Austin, Texas, setzte 2012 rund 427 Millionen Dollar um, und es wächst sehr schnell. Bereits für 2013 erwarten Analysten Erlöse von 818 Millionen Dollar. 2014 sollen es dann 980 Millionen Dollar Umsatz werden.
Apple-Konkurrent Samsung könnte hingegen ein Auge auf den Cirrus-Branchenkollegen Maxim Integrated Products werfen. Maxim stellt Spezialchips her; 46 Prozent der Produktion gehen in mobile Internet-Geräte wie Smartphones oder Tablets; allein 20 Prozent der aktuellen Jahresproduktion Maxims verbaut Samsung in seinen Smartphones wie dem Galaxy. Daneben kommen die Chips auch in Autos, Tablet-PCs, Digitalkameras oder medizinischen Geräten zum Einsatz.
Oracle ist Kaufweltmeister
Auch Speicherhersteller wie Seagate oder SanDisk, deren Umsätze durch den Trend zum Cloud Computing (Software, die nicht mehr auf CD gespeichert und verkauft wird, sondern via Internet gemietet oder abonniert werden kann) zuletzt stark anstiegen, könnten zum Ziel von Übernahmen werden. Auch hier sind die Bewertungen derzeit günstig. SanDisk stellt vor allem Flash Memory her, ein Speicherprodukt auf Chipbasis, das herkömmlichen Festplatten weit überlegen ist: Flash-Speicher sind 100 Mal schneller als Platten. Sie werden vor allem in Smartphones und tragbaren Kleincomputern wie Tablets gebraucht. Aber auch in herkömmlichen Laptops und PCs verdrängt der Flash-Speicher zunehmend die alten Festplatten. SanDisk ist der größte reinrassige Flash-Memory-Hersteller der Welt, zu seinen Konkurrenten gehören Micron und Samsung. SanDisk-Chips finden sich unter anderem im iPhone: Apple verbaut derzeit 13 Prozent der SanDisk-Produktion und ist damit der größte Kunde.
Der König der Firmenkäufer in der Branche ist definitiv Larry Ellison, Chef des weltweit drittgrößten Softwarekonzerns Oracle. Allein in den vergangenen fünf Jahren kaufte Oracle 65 Firmen, darunter auch den Hardwarehersteller Sun.
Ellisons Einkaufsliste
Der härteste Konkurrent des Dax-Konzerns SAP im Markt für betriebliche Standardsoftware (Buchhaltung, Einkauf, Lager, Personal) hat aber vor allem im Bereich der Mietsoftware "schon fast alle Spezialhersteller gekauft, die nicht bei drei auf dem Baum waren und bei denen das Kartellrecht nicht im Wege stand", witzelt Software-Chefanalyst John Di Fucci von JP Morgan. "Nachdem SAP nun seit ein, zwei Jahren dasselbe tut und sich mit Milliardenübernahmen unter anderem Arriba und SuccessFactors einverleibte, gehen Ellison in der eigenen Branche die Übernahmeziele aus", sagt Di Fucci.
So dürfte sich der umtriebige Oracle-Chef, dessen Unternehmen auf mehr als 30 Milliarden Dollar an Cash-Reserven sitzt, bald in anderen Bereichen nach Kaufzielen umsehen. Dass Oracle von seiner seit Jahren, mehr oder weniger erfolgreichen, aggressiven Wachstumspolitik mittels Zukäufen abrückt, könne er sich jedenfalls nicht vorstellen, so Di Fucci. Erst Mitte März verkündete Ellison auf einer High-Tech-Konferenz in San Francisco: "Sie werden noch erleben, dass wir einen Chiphersteller kaufen." Als potenzielles Ziel gilt die Chipsparte von IBM. Aber auch kleinere Chiphersteller wie Maxim oder AMD könnte Ellison auf dem Kaufzettel haben.
Denkbar ist vieles
Konkret nannte der Milliardär schon NetApp, einen Hersteller von Speichersystemen für die Cloud, als mögliches Ziel: "60 Prozent ihres Geschäfts sind das Abspeichern von Daten aus Oracle-Datenbanken", so Ellison. "Das Geschäft hätten wir gerne selbst." Kein Wunder: NetApp arbeitet mit einer äußerst lukrativen Brutto-Gewinnmarge von mehr als 60 Prozent.
Auch EMC könnte zum Ziel für Ellisons Oracle werden: EMC wäre zwar mit einem geschätzten Kaufpreis von fast 40 Milliarden Dollar zunächst die deutlich größere (und kostspieligere) Lösung als NetApp, die nur knapp zehn Milliarden Dollar wert ist. Dafür könnte Oracle die 86-prozentige EMC-Tochter VM Ware weiterverkaufen, um den Deal zu finanzieren. Der Spezialist für Cloud-Software ist derzeit an der Börse rund 7,9 Milliarden Dollar wert und gilt als heiß begehrt, aber auch etwas teuer. "Denkbar ist derzeit aber vieles – die lukrativen Bewertungen und hohen Cash-Positionen machen viele Deals attraktiv", sagt Dreide.
Und die Bewertung von VMWare sinkt zurzeit rasant – trotz weiterhin boomender Geschäfte lassen die Anleger den kleineren Cloud-Spezialisten seit ein paar Wochen links liegen. Genau wie den großen Apfel.