Hype um Zalando-Aktien Zum Börsendebüt schwächelt Zalandos Geschäftsmodell

Der Online-Händler Zalando hält die Zahl der neuen Aktien knapp und gibt sie unter dem Höchstpreis aus. Zum Börsenstart winken daher Kursgewinne. Doch Geschäftsmodell und Aktienpreis überzeugen trotzdem nicht.

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Zum Börsengang von Zalando stehen die Zeichen auf Kursgewinne. Aber beim Kerngeschäft verfliegt allmählich die Euphorie. Quelle: Getty Images

Börsengänge sind eigentlich nüchterne Angelegenheiten geworden, vor allem seit den Auswüchsen am Neuen Markt. Nicht so bei Modehändler Zalando.

Die Berliner haben eigens einen schicken Loft im 14. Stock eines Frankfurter Büroturms gemietet, um der Ankündigung ihres Börsenstarts den geeigneten Rahmen zu verleihen. Schaufensterpuppen präsentierten angesagte Outfits; über große Bildschirme flackerte ein Image-Clip. Darin strahlte selbst der Postbote, als er der jungen Familie das Paket mit den neuen Kinderschuhen überreichen darf. Botschaft: Wir sind jung, wir sind beliebt, wir sind hip, wir sind Internet, nicht Karstadt oder Quelle.

Wachstumswunder oder neuer Internet-Hype? Das fragen sich die Anleger, die den Kauf der Zalando-Aktie erwägen. Mit dem Börsenstart am 1. Oktober sind sie frei handelbar. „Zalando wird der klare Marktführer im Online-Modehandel Europas werden, und dass dem E-Commerce die Zukunft gehört, ist unbestritten“, sagt Fondsmanager Peter Dreide. Und, ja: Der Aufstieg Zalandos ist beeindruckend. Aus dem Nichts ist das Anfang 2008 gegründete Unternehmen zu einer Mode-Macht avanciert, mit 1,8 Milliarden Euro Umsatz 2013.

Was Sie über die Börsenkandidaten wissen sollten

Teure Jagd nach Kundenreichweite

Dabei setzten die Gründer auf eine ebenso aggressive wie kostspielige Strategie. Mit einer Flut von TV-Spots und Online-Werbung auf allen Kanälen ließen sie kreischende Frauen die Zalando-Werbebotschaft verbreiten. Das Management investierte reichlich in Kundendienst und Online-Marketing, hielt Löhne und Zulieferer im Zaum, rüstete IT und Logistik auf und nahm mit erweiterten Rückgabegarantien bewusst teure Retouren in Kauf, um an Reichweite zu gewinnen.

Doch ob sich die hohen Zuwachsraten der vergangenen Jahre aufrechterhalten lassen, ist fraglich. Die jüngsten Bilanzzahlen sprechen dagegen. So konnte Zalando seinen Umsatz in seiner Kernregion (Deutschland und Alpenländer, 57 Prozent der Umsätze) im zweiten Quartal 2014 zwar auf 310 Millionen Euro steigern, ein Zuwachs von 16 Prozent gegenüber dem gleichen Quartal 2013. Doch das Wachstum geht bereits zurück; in den drei Vorquartalen lag die Wachstumsrate gegenüber Vorjahr noch bei 28 Prozent; und im ersten Halbjahr 2013 noch bei jeweils über 40 Prozent.

Börsengang: Fakten und Begriffe

Wachstumstempo sinkt

Auch europaweit geht das Wachstumstempo seit einigen Quartalen zurück. Das Zalando-Management war vor rund eineinhalb Jahren noch von einem deutlich stärkeren Umsatzschub für 2014 ausgegangen. Zalando sollte demnach laut internen Unterlagen 2014 einen Nettoumsatz von mehr als 2,8 Milliarden Euro erzielen. Tatsächlich verbuchte Zalando im ersten Halbjahr jedoch nur 1,05 Milliarden Euro; die am Börsengang beteiligte Deutsche Bank schätzt nun in einer Studie den Umsatz für das Gesamtjahr 2014 auf gerade mal 2,23 Milliarden Euro – ein Plus von 27 Prozent. Das alte interne Ziel von 2,8 Milliarden Euro ist also in weite Ferne gerückt.

Auch eine Expansion in neue Märkte gilt als heikel. Denn die Zalando-Großaktionäre, allen voran die schwedische Holding Kinnevik und die Samwer-Brüder mit ihrer Holding Rocket Internet, haben unter anderem in Russland, Südamerika und Asien bereits andere Online-Shops hochgezogen, die oft nur in Nuancen vom deutschen Vorbild Zalando abweichen. Dass sie Interesse verspüren, sich mit einem Markteintritt von Zalando in diesen wachsenden Märkten Konkurrenz zu machen, darf bezweifelt werden.

Über eine komfortable Mehrheit der Stimmanteile jedenfalls ließe sich solches Bestreben des Zalando-Managements recht einfach ausbremsen. Die Expansion in etliche attraktive Regionen, in denen der Trend zum E-Commerce zusätzlich durch kräftiges Wirtschaftswachstum gehebelt wird, scheint für Zalando damit versperrt. So bleibt für eine weitere Expansion fast nur noch Osteuropa.

Das sind die Börsenkandidaten 2015
windeln.deDer Online-Händler windeln.de, der auf Baby- und Kindersachen spezialisiert ist, will offenbar noch im ersten Halbjahr 2015 an die Börse. Das berichten Insider. Die Deutsche Bank, Goldman Sachs und die Bank of America Merrill Lynch seien beauftragt worden, der Firma beim Börsengang zu helfen.Das frische Kapital soll dem Unternehmen Spielraum für seine weitere Expansion verschaffen. Die Banken wollen sich nicht zu den Plänen äußern, zunächst hatte das Wirtschaftsmagazin "BILANZ" über die Börsenpläne berichtet. Windeln.de wurde 2010 gegründet und schrieb 2014 bei einem Umsatz von 130 Millionen Euro einen kleinen Gewinn. Quelle: dpa
SunriseDer zweitgrößte Telekom-Anbieter der Schweiz, Sunrise, darf sich wohl über einen erfolgreichen Börsengang freuen. Die Nachfrage der Anleger war so hoch, dass das Volumen der Sunrise-Aktien sogar um 300 Millionen auf 2,3 Milliarden Franken erhöht werden konnte. Mit 68 Franken je Aktie landeten die Papiere in der Mitte der Preisspanne, kletterten aber schon am ersten Handelstag, dem 6. Februar, um über elf Prozent auf 78 Franken. Mit dem Erlös will das Schweizer Unternehmen zunächst vor allem Schulden zurückzahlen. Zudem fließt Kapital in die Kassen des Haupteigentümers, Finanzinvestor CVC. Insgesamt lieferte Sunrise damit den größten Schweizer IPO seit acht Jahren. Quelle: REUTERS
Ferratum OyiDer finnische Finanzdienstleister hat Anfang Februar den Schritt auf das Frankfurter Börsenparkett gewagt. Mit einem Kursgewinn von bis zu acht Prozent ist das Debüt gelungen. Hinter Tele Columbus feiert Ferratum bereits den zweiten Frankfurter IPO 2015. Das 2005 gegründete Unternehmen aus Helsinki vergibt Kleinkredite über 25 bis 2000 Euro, die per Handy oder Internet sofort abgeschlossen werden können. Von dem Börsengang-Volumen von brutto rund 110 Millionen Euro sollen rund 48 Millionen an Ferratum fließen. Das frische Geld will das Unternehmen in neue Produkte und die Expansion in weitere Länder stecken. Zudem soll sich Ferratum vom reinen Kreditanbieter nach und nach zu einer mobilen Bank entwickeln. Quelle: dpa
Tele ColumbusDer drittgrößte deutsche Kabelnetzbetreiber Tele Columbus startet seinen bereits im Herbst angekündigten Börsengang. Wie das Unternehmen mitteilte, werden 51 Millionen Aktien zu zehn Euro das Stück ausgegeben. Das gesamte Angebotsvolumen liege damit bei 510 Millionen Euro, davbon 333 bis 367 Millionen Euro aus Kapitalerhöhung. Erster Handelstag soll der 23. Januar sein. Mit dem Geld will Tele Columbus seine Schuldenlast senken und in den Ausbau der eigenen Kabelnetze investieren. Zusätzlich zur Kapitalerhöhung werden auch Altgesellschafter Aktien verkaufen. Beteiligt an Tele Columbus sind unter anderem Londoner Finanzinvestoren. Kerngebiet des Kabelnetzbetreibers ist Ostdeutschland. Auch in einigen westdeutschen Gegenden besitzt der Anbieter Kabelnetze. Quelle: Screenshot
EtsyEtsy, eine Online-Handelsplattform für Handgemachtes, will laut einem Bericht des US-Magazins mashable noch im laufenden Quartal an die Börse. Das Ebay für Heimwerker will mit der IPO rund 300 Millionen Dollar einsammeln. Über das gut zehn Jahre alte Portal wurden vergangenes Jahr Waren im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar gehandelt. Quelle: Screenshot
Scout24 Schon vergangenes Jahr liebäugelte die Scout24-Gruppe, zu der Immobilienscout24, AutoScout24, die Datingseite FriendScout24 und das Finanzvergleichs-Portal FinanceScout24 gehören, mit dem Börsengang. Nachdem jedoch die Papiere von Zalando und RocketInternet ins Rutschen geraten waren, wurde es still um die IPO-Pläne. Doch Anfang 2015 könnte ein Börsengang durchaus wieder ein Thema werden. Das Unternehmen ist derzeit mit gut zwei Milliarden Euro bewertet und gehört Hellman & Friedman (49 Prozent), Blackstone (21 Prozent) und der Deutschen Telekom (30 Prozent). Quelle: Screenshot
Axel Springer Digital ClassifiedsEbenfalls Anfang 2015 soll die Online-Anzeigenbörse Axel Springer Digital Classifieds aufs Parkett. Eigentümer sind Axel Springer SE (70 Prozent) und General Atlantic (30 Prozent), bewertet wird das Unternhmen derzeit mit rund drei Milliarden Euro. Wie groß das Volumen des Börsengangs sein soll, ist noch offen. Quelle: dapd

Wettbewerbsdruck steigt

Zugleich steigt auf den bestehenden Märkten der Wettbewerbsdruck. Stationäre Händler und Markenhersteller rüsten derzeit ihre Internet-Präsenzen auf. Spezialshops für Umstands-, Outdoor- oder Sportmode decken längst alle Nischen ab – Bereiche, in denen Zalando sich noch Wachstum erhofft. Dass das Geschäft für die Internet-Versender härter wird, zeigen auch die Zahlen des britischen Rivalen Asos, der als Primus des Segments gilt.

Drei Gewinnwarnungen in Folge drittelten den Aktienkurs der Briten seit Jahresbeginn. Derzeit wird Asos an der Börse mit rund 2,3 Milliarden Euro bewertet – dem doppelten Jahresumsatz. Immerhin, Asos verbrennt kein Geld. Im Geschäftsjahr 2012/13 lag der Nettogewinn bei 41 Millionen Pfund.

Bei Zalando liegt schon der Umsatz-Bewertungsfaktor etwas höher. Bei der Platzierung der Aktien zu 21,50 Euro pro Stück - nur einen Euro unter dem oberen Rand der Preisspanne - ist Zalando etwa den dreifachen Jahresumsatz wert – obwohl fraglich ist, ob die Berliner im Gesamtjahr schwarze Zahlen schreiben werden.

Kostentreiber Retouren

Als zentraler Kostentreiber gelten die Retouren. Kunden bestellen oft zwei oder drei Größen, behalten das Passende und schicken die anderen zurück. Europaweit landet laut Zalando rund die Hälfte aller Bestellungen wieder beim Absender, in Deutschland dürfte die Retourenquote gar bei 60 Prozent liegen. Die Kosten dafür seien im Geschäftsmodell einkalkuliert, heißt es bei Zalando.

Erst im zweiten Quartal – pünktlich zum Börsengang – meldete Zalando auf Konzernebene ein kleines Gewinnplus. Um es zu erreichen, scheint aber eisernes Sparen nötig gewesen zu sein: Kurzfristig wurde vor allem am zuvor üppigen Marketingbudget gespart. Laut eigenen Angaben sank der Anteil der Marketingkosten (vor allem teure Werbung) von 17,2 auf 13,6 Prozent des Umsatzes; die Vertriebskosten konnten immerhin von 26,7 auf 23,4 Cent je Euro Umsatz reduziert werden.

Genügend Aufträge, um das Orderbuch zu füllen

Heraus kam eine homöopathische Gewinn-Dosis. Das in den Jahren zuvor stets defizitäre Unternehmen schaffte im zweiten Quartal 2014 3,6 Millionen Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit), was einer Marge von 0,3 Prozent vom Umsatz entspricht. Im gleichen Quartal 2013 hatte die Ebit-Marge noch bei minus 9,2 Prozent gelegen.

Paradox: Trotz der Zweifel am Geschäftsmodell aber wird die Aktie wohl erst mal laufen. Zum einen kommt nur ein kleiner Teil der Aktien an den Markt, rund 11,3 Prozent. Schon vor dem Beginn der Zeichnungsfrist sagten Banker, es lägen genügend Aufträge vor, um das Orderbuch zu füllen. Zum anderen haben vorab geworbene Investoren zugesagt, in jedem Fall neue Aktien für insgesamt 126,5 Millionen Euro abzunehmen. Jüngsten Meldungen zufolge war die Nachfrage nach Zalando-Aktien während der Zeichnungsfrist zehnmal so hoch wie das Angebot.

Nur vage Aussicht auf Zukäufe

Der Börsengang gilt als Eisbrecher für den deutschen Markt, wo es seit 2000 keine größeren Internet-Börsenneulinge mehr gab. Banken wollen keinen Flop, ebenso wenig die Samwer-Brüder, die Rocket Internet gleich am Folgetag, dem 2. Oktober, an die Börse bringen wollen. „Das Ding wird laufen, weil es laufen muss“, sagt ein Banker, der sich die Investorenpräsentation angesehen hat.

Zalando hatte zum 30. Juni bereits 387 Millionen Euro Cash in den Büchern und verfügte mit den Einnahmen aus dem Börsengang über eine Feuerkraft von fast einer Milliarde Euro. Was passiert damit?

Thomas Wüst von der Stuttgarter Valorvest bemängelt, dass Zalando dazu nur „vage Angaben“ mache und keine konkreten Vorhaben nenne. Zukäufe seien „denkbar“, sagte Zalando-Chef Rubin Ritter am Donnerstag: „Wir werden uns das genau anschauen.“ Dabei gehe es weniger um den Kauf von Konkurrenten, als darum, die eigene Technik weiterzuentwickeln. Etwa eine Foto-App, mit der Kunden ein Kleidungsstück per Handy fotografieren können; die App zeigt ihnen dann ähnliche Produkte im Zalando-Store.

Sehr spekulative Aktie

Weiteres Problem: Die Alteigentümer, neben Kinnevik (36 Prozent vor dem Börsengang), den Samwers (noch 16,7) etwa der Däne Anders Holch Povlsen (10,5), haben sich nur dazu verpflichtet, die Aktie 180 Tage zu halten. Die Gefahr besteht, dass ab April Verkäufe den Kurs belasten.

Fazit: „Die Aktie ist nur für äußerst spekulative Investoren geeignet“, sagt Wüst, „das Management setzt den Fokus auf Wachstum, nicht auf Profitabilität.“ Ein großer Vermögensverwalter, der nicht zeichnen will, kritisiert: „Ein Unternehmen mit rund zwei Milliarden Umsatz, das mit Mühe und Not eine schwarze Null beim Gewinn geschafft hat, müsste schon eine tolle Wachstumsstory bieten, um an der Börse über fünf Milliarden Euro wert zu sein.“ 300 Millionen Gewinn pro Jahr von 2015 an, dann hätte er überlegt zu zeichnen, sagt er, aber die sehe er nicht: „Das Geschäftsmodell ist uns nicht ausgereift genug.“

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