Riedls Dax-Radar

Dauer-Krisen verlieren ihren Schrecken

Gute Gewinnaussichten, moderate Bewertungen und stabile US-Börsen stützen den Dax – auch wenn es zu italienischen Turbulenzen kommen sollte.

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Stehen-den-Aktienmärkten-weitere-Turbulenzen-bevor? Quelle: dpa

Als die Briten vor einem halben Jahr überraschend gegen die EU votierten, kam es zwar an den Aktienmärkten zu kurzen Turbulenzen, danach aber setzten sich die großen Trends fort. Als Donald Trump Anfang November überraschend die Präsidentschaftswahl gewann, schüttelte das die Indizes kurz durch, dann ging es weiter nach oben. Nun steht die Entscheidung in Italien bevor. Wird sie den Börsen eine neue Richtung geben?

Dennoch, politische Ereignisse dieses Kalibers sind für Anleger keineswegs Non-Events. Denn in den genannten Fällen gab es sehr wohl heftige und nachhaltige Reaktionen. Gemeint ist hier nicht der Zusammenbruch britischer Immobilienaktien oder das Hochschießen amerikanischer Rüstungs- und Bankaktien­ - ­das sind letztlich Gewichtsverlagerungen zwischen Branchen, die dem Gesamtmarkt keinen neuen Trend geben.

Viel schwerwiegender sind die Rückwirkungen auf die Währungsmärkte. Das Pfund Sterling ist gegenüber dem Euro nach dem Brexit von 1,30 auf 1,10 gesunken, nun hat es sich wieder in Richtung 1,20 erholt. Nach dem Sieg von Trump ist der Dollar von 0,90 auf 0,95 Euro hochgeschnellt, derzeit pendelt er um 0,93 Euro. Bedenkt man, dass die Währungsmärkte in ihrem Volumen wesentlich größer sind als die Aktienmärkte, wird sichtbar, welche finanzelle Folgen solche politischen Entscheidungen haben.

Fakten zum Italien-Referendum

Derzeit spiegelt sich das vor allem im Euro wider. Seit zwei Jahren schwankt die europäische Währung zwischen 1,05 und 1,16 Dollar. Die Trump-Wahl in Amerika, die Aussicht auf eine Erhöhung der US-Zinsen und die tiefgreifen Probleme in Europa haben ihn nun an die untere Begrenzung dieser Bandbreite gedrückt. Aus technischer Sicht kommen Verkaufssignale dazu: Die hohe Abwärtsdynamik der vergangenen Wochen, der Bruch des vorübergehende Aufwärtstrend 2016, das Abdrehen der 200-Tage-Linie. Als es im Euro letztmals eine vergleichbare Konstellation gab, im Herbst 2014, folgte danach der Absturz von 1,30 auf 1,05 Dollar.

So gesehen wäre es wenig überraschend, wenn der Euro nach einem antieuropäischem Votum und einer Regierungskrise in Italien erneut nach unten durchrutscht. Schnell könnte dann die Parität zum Dollar erreicht werden, wahrscheinlich ginge es dann noch einige Stufen tiefer. Eine Bodenbildung im Euro, der dann eine längere Erholung folgen könnte, wäre erst der Fall bei einem deutlichen Anstieg über 1,16 Dollar. Das ist, selbst bei einem europafreundlichen Ausgang in Italien, auf absehbare Zeit wenig wahrscheinlich.

Trotz Auflösungserscheinungen der EU ist der Dax gestiegen

An den Aktienmärkten hat die Nervosität zuletzt zugenommen. Der Dax konnte die kurzfristige Unterstützung bei 10.600 Punkten nicht mehr halten; die nächste, entscheidende Auffangzone liegt nun bei 10.250. Hier zieht die steigende 200-Tage-Linie nach oben.

Die Kräfte, die derzeit auf den Dax einwirken, sind unterschiedlich. Die Unsicherheiten wegen Italien sind negativ – vor allem, da 360 Milliarden Euro an problematischen Krediten bei  italienischen Banken mit keinem Abstimmungsergebnis aus der Welt geschafft werden können. Andererseits wäre ein weiterer Rückgang des Euro zunächst sogar ein Vorteil für die großen Exporteure im Dax. Diesen Effekt gab es nach dem Brexit-Schock, als britische Export-Aktien haussierten.

Mehr noch: Ob sich dann die Angst vor einem weiteren Verfall der EU wirklich negativ auf den deutschen Aktienmarkt auswirkt, wird zweifelhaft. Die Auflösungserscheinungen der EU gibt es ja nicht erst seit ein paar Tagen – und dennoch haben sich europäische und deutsche Aktien in den vergangenen Jahren nicht schlecht entwickelt.

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Dass sie seit einiger Zeit nicht ganz so gut wie US-Papiere laufen, hat auch mit der Zusammensetzung der europäischen Indizes zu tun, in denen die europäischen Krisenbranchen besonders stark vertreten sind, vor allem Banken und Versorger. Im Gegensatz zu den Europäern haben es die Amerikaner geschafft, ihre Banken zu sanieren. Mit der Trump-Hoffnung auf Deregulierung haben Goldman & Co. nun sogar wieder die Hausse-Richtung eingeschlagen.

Starke Klassiker im Dax: Siemens, BASF, Allianz, SAP

Immerhin, die gute Verfassung der US-Märkte sollte wesentlich dazu beitragen, dass die europäischen Märkte nicht abstürzen. Fundamental ist die Bewertung im Dax und im Euro Stoxx nicht überzogen, die Dividendenrendite liegt um Welten über der Anleihenrendite,  und die Gewinnaussichten großer Indexkonzerne sind nicht schlecht.

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Diese robuste Mischung liegt derzeit vor allem bei den schweren Aktien im Dax vor: Bei Siemens, BASF, Allianz oder SAP. Für den Gesamtmarkt ist das eine wichtige Stütze, die hilft, nach kurzfristigen Turbulenzen (etwa nach einem negativen Votum in Italien) wieder zur Tagesordnung überzugehen. Und die dürfte ohnehin bald von den Hoffnungen und Ängsten im Vorfeld einer möglichen US-Zinserhöhung am 14. Dezember geprägt sein.

Fazit: Politische Richtungsentscheidungen wirken sich derzeit viel direkter an den Währungsmärkten aus als in den Aktienindizes. Wenn der Euro weiter abrutscht, muss das den Dax nicht nach unten ziehen. Die passable Gewinnentwicklung und die stabile Verfassung der führenden Aktien sprechen dafür, dass der Dax auch nach möglichen kurzfristigen Turbulenzen das wichtige Niveau 10.000 bis 10.200 in den nächsten Wochen verteidigen kann. Und wer weiß, sollte der Ausgang in Italien nicht so desaströs ausfallen wie befürchtet, ist auf dieser Basis sogar noch eine kleine Jahresendrally möglich.    

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