Schon vor der Wahl Donald Trumps befanden sich die Zinsen weltweit auf dem Weg nach oben, eine Entwicklung die sich seit der Wahl deutlich beschleunigt hat. Die Märkte erwarten höheres Wachstum und mehr Inflation als Folge der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der neuen US-Regierung, Steuersenkungen, Infrastrukturinvestitionen und Protektionismus sollen die von Volkswirten seit Jahren erhoffte Wende bringen: Die Reflationierung der US-Wirtschaft zur Überwindung der Stagnation und zur Entwertung der Schulden.
Der Anstieg der Zinsen hat mittlerweile eine solche Dynamik entfaltet, dass namhafte Experten, wie der Zinsguru der 1970er Jahre Henry Kaufman, das Ende des über 30-jährigen Bullenmarktes in Anleihen ausrufen. Dies sei die Zinswende und wir müssten uns auf eine langjährige Aufwärtsbewegung der Zinsen und damit fallende Anleihekurse einstellen. Auch die Charttechniker rufen Alarm. Langjährige Trends wären durchbrochen, es drohe eine sich selbst beschleunigende Entwicklung die zu deutlich höheren Zinsen führt.
Normalisierung vom Tief?
Natürlich kann man leicht argumentieren, dass es höchste Zeit ist, dass die Zinsen steigen. Die Finanzmarktkrise ist mehr als sieben Jahre her, die Eurokrise scheint ebenfalls bewältigt. Die Notenbanken sollten nun endlich aus den als Notfallmaßnahmen gedachten Programmen aussteigen und wir wieder zur Normalität zurückkehren. Schließlich waren die Zinsen in den letzten 5000 Jahren noch nie so tief wie heute. Komisch ist nur, dass dieselben Analysten, die noch vor wenigen Wochen ewig tiefe Zinsen verkündeten heute eine Trendwende feststellen. Eigentlich sollten Analysten doch gerade solche Trendwenden vorhersagen, nicht ihnen hinterherlaufen.
Dabei waren die bisherigen Begründungen für tiefe Zinsen gar nicht so unfundiert, wie hier vor einigen Wochen diskutiert:
- Die demografische Entwicklung führt zu einem erhöhten Angebot an Sparkapital, weil immer mehr Menschen für das Alter vorsorgen. - An dieser Dynamik hat sich in den letzten Monaten nichts geändert.
- Eine zunehmend ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung führt zu mehr Sparkapital, weil Menschen mit höheren Einkommen und Vermögen mehr sparen als der Durchschnitt der Bevölkerung. - An diesem Faktor hat sich ebenfalls nichts geändert. Wenn, dann führen die Steuersenkungen der neuen US-Regierung zu einer Verstärkung des Trends.
- Die Schwellenländer versuchen ihre Wirtschaft über eine Stärkung des Exportsektors zu entwickeln. Da Exportüberschüsse immer auch mit einem Kapitalexport einhergehen, investieren diese Länder in den Kapitalmärkten der Industrieländer und vergrößern so zusätzlich das Angebot an Ersparnissen. - Hier könnte es im Zuge des Protektionismus in den USA zu einer Änderung kommen. Das Kapitalangebot wäre dann in der Tat geringer. Doch in welchem Umfang?
- Die Sparer sind risikoaverser geworden und deshalb bereit, ihr Geld auch zu tiefen Zinsen anzulegen, statt in andere, risikoreichere aber potenziell rentierlichere Anlagen auszuweichen. Oder – wie im Falle der Versicherungen - werden von der Regulierung in diese Anlagen gezwungen. – Kann es sein, dass wir heute risikofreudiger sind, angesichts der Aussichten auf eine Politik à la Trump? Hört man die besorgten Stimmen der Experten bezüglich seines Wahlprogramms, müsste man wohl eher vom umgekehrten ausgehen.