Börsen-Empfehlungen Aktien im strengen Qualitäts-Check

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Informationen aus vielen Quellen

Über die Pressestelle stelle ich Kontakt zum Unternehmen her. Mir gelingt es, einen Gesprächstermin mit Finanzvorstand Bernard Schäferbarthold zu vereinbaren. Zunächst interessiert mich, wie die Integration des größten Zukaufs in der Unternehmensgeschichte gelingt. Für die kommenden Jahre veranschlagt der Vorstand einmalige Integrationskosten in Höhe von etwa 25 Millionen Euro. Vor allem die Abstimmung der Computersysteme sei sehr aufwendig. „Demgegenüber sehen wir bis 2019 aber etwa 100 Millionen an Einsparpotenzial“, sagt Schäferbarthold. Bis dahin soll die Integration von AWP abgeschlossen sein.

Die Übernahme der Spanier zahlten die Hamburger etwa zur Hälfte in bar, den Rest mit eigenen Aktien. BMW-Erben-Familie Klatten, lange Zeit größte Anteilseigner an Nordex, hat ihren Anteil im Zuge der Fusion drastisch reduziert, auf noch 5,7 Prozent. Ihre Anteile gingen an den spanischen Mutterkonzern Acciona, der dadurch mit 29,9 Prozent größter Einzelaktionär wurde. Innerhalb der nächsten drei Jahre besteht eine Lock-up-Frist, in der die Spanier ihren Anteil nicht erhöhen dürfen. Verkaufen aber könnten sie, das würde den Kurs natürlich belasten.

Finanzvorstand Schäferbarthold begrüßt die Position von Acciona aber. Es sei gut, einen Ankeraktionär zu haben, der die Branche kennt. Seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr ist optimistisch. Dieses Jahr sei ein moderates zweistelliges Umsatzwachstum der Nordex angepeilt, verrät mir Schäferbarthold. Genaue Zahlen folgen auf der Hauptversammlung am 10. Mai.

Fundamentalanalyse unerlässlich

Die Prognose also stimmt; doch passt auch die Basis? An unserem Bloomberg-Terminal habe ich Zugriff auf alle wichtigen Informationen zur Finanzlage. Diese Computer nutzen auch die Börsenprofis. Kurse, Nachrichten und alle Kennzahlen lassen sich dort in Echtzeit verfolgen – unverzichtbar für eine Fundamentalanalyse der Aktie und um die Zukunftsaussichten zu beurteilen. Theoretisch sind alle im Markt verfügbaren Informationen im Kurs abgebildet, praktisch gräbt sich nicht jeder tief in die Unternehmen ein. Oder: Trotz derselben Datenlage ziehen Käufer und Verkäufer einer Aktie einen anderen Schluss.

Ein Anteil an Nordex kostet derzeit 23,49 Euro. Die Basisdaten gefallen mir gut. Die Eigenkapitalquote von 31 Prozent verschafft Unabhängigkeit von Gläubigern und könnte auch durch eine schwierige Integrationsphase helfen. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern lag im vergangenen Jahr bei 126 Millionen Euro, für das laufende Jahr könnte er 200 Millionen übersteigen. Die Ertragskraft steigt also. Greifen die erhofften Synergieeffekte durch den Zusammenschluss, sind auch mehr als 300 Millionen Euro in Reichweite.

Auch Analysen genau betrachten

Analyst Sven Diermeier von Independent Research bremst meinen Optimismus ein wenig. Zwar sieht auch er noch Luft nach oben und gibt ein Kursziel von 27 Euro aus. Abschreibungsrisiken trüben seiner Meinung nach aber die Aussichten. „Nordex hat kaum Erfahrungen mit Übernahmen. Bei der Integration von AWP könnten noch Überraschungen drohen.“ Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes könnte zudem regulatorischer Gegenwind drohen und das Marktumfeld in Deutschland schwieriger werden. „Bis andere europäische Länder nachziehen, dauert es dann oft nicht lange, und Europa wird auch in Zukunft ein wichtiger Absatzmarkt bleiben“, sagt Diermeier.

Diese Risiken sind aber meiner Meinung im Kurs schon drin: Seit Jahresbeginn hat die Aktie immerhin gut 30 Prozent verloren. Jetzt einzusteigen halte ich unter der Abwägung aller Chancen und Risiken für vertretbar. Wie immer setzen wir dabei einen Stoppkurs, sodass Fehleinschätzungen nicht allzu wehtun.

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