Den Blick von der Tagespolitik lösen Es gibt keine Zäsur in der US-Wirtschaft!

Der neue US-Präsident provoziert - und das gerne und viel. Wer jedoch versucht ist, bei jedem seiner Worte den Niedergang der Wirtschaftsmacht USA vorherzusehen, macht es sich zu einfach.

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US-Präsident Donald Trump präsentiert Pläne zur Verbesserung der Infrastruktur. Quelle: REUTERS

Häufig wird anhand der Personalie Trump der Kurs der gesamten US-Wirtschaft gemessen. Betrachten wir hingegen das „Big Picture“, den weiter gefassten Kontext also, kommt man schnell zu überwiegend positiven Eindrücken: Die US-Wirtschaft demonstriert nicht nur seit Jahren Stärke und hat die Krisenjahre hinter sich gelassen, sie ist auch auf dem bestem Wege, ihren Wachstumspfad fortzuführen.

Dazu hilft es schon, mit ein paar gängigen Vorurteilen aufzuräumen.

Zur Person

Vorurteil 1: Das US-Wachstum verlangsamt sich

Mit einem annualisierten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,7 Prozent im ersten Quartal 2017 wuchs die US-Wirtschaft moderat, aber kontinuierlich. Dass das erste Quartal eines Jahres etwas verhaltener verläuft als die Jahresmitte, ist dabei nichts Ungewöhnliches: Schon 2016 startete die US-Wirtschaft mit unter einem Prozent Wirtschaftswachstum, während der Jahreswert mit 1,6 Prozent durchaus beeindrucken konnte. Die Federal Reserve (Fed) sieht dem laufenden Jahr positiv entgegen und prognostiziert ein Wirtschaftswachstum von sogar 2,1 Prozent für 2017. Ähnlich positiv fällt der Blick der Fed auf die kommenden Jahre aus, für die ebenfalls Werte von rund zwei Prozent angestrebt werden.

Vorurteil 2: Der Mittelbau des Arbeitsmarktes schrumpft, Niedriglohnjobs nehmen zu

Auch einige Vorurteile über den US-Arbeitsmarkt werden sich bald von selbst auflösen. Die Arbeitslosenquote erreichte im April mit 4,4 Prozent einen historischen Tiefstand.

Die aktuellen Erhebungen widerlegen zudem das Klischee, dass die US-Amerikaner zunehmend auf Minijobs angewiesen wären, ohne die Aussicht auf eine feste Anstellung zu erhalten: Insgesamt lag der Anteil aller geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer im April bei lediglich 4,2 Prozent. In Deutschland zählte zuletzt etwa jeder fünfte Arbeitnehmer als Niedriglohnempfänger mit einem Gehalt von unter zehn Euro in der Stunde.

Vorurteil 3: Allein die Tech-Riesen treiben die Wirtschaft an

Dr. Jürgen Gerber, Geschäftsführer bei der Jamestown US-Immobilien GmbH. Quelle: PR

Neben Tesla, Google, Amazon & Co,  ist nach wie vor die Baubranche einer der wichtigsten Motoren der US-Wirtschaft. Sei es im Büro- oder Wohnsegment: Der anhaltende Bedarf an Neubauprojekten hat dazu beigetragen, dass allein im vergangenen Jahr 170.000 neue Jobs entstanden sind. Die Triebfeder dieser regen Bautätigkeit ist ein stetiges Bevölkerungswachstum. Allein seit der Jahrtausendwende wuchs die US-Bevölkerung um mehr als 15 Prozent (Berechnungsgrundlage: Gesamtbevölkerung 2000: 282.162.411) auf annähernd 325 Millionen.

Prognosen des United States Census Bureau zufolge wird die Bevölkerung bis zum Ende des Jahres 2050 die 400-Millionen-Marke überschreiten. Die Altersstruktur ist wesentlich jünger als beispielsweise in Deutschland: Der Anteil der unter 14-jährigen US-Amerikaner lag der Weltbank zufolge zuletzt bei etwa 19 Prozent, in Deutschland bei rund 13 Prozent.

Vorurteil 4: Die US-Wirtschaft wird vor allem von den niedrigen Zinsen getrieben

In zwei Zinsschritten hatte die US-Zentralbank Fed den Leitzins im Dezember und März um je einen Viertelpunkt angehoben. Aktuell beträgt er 0,75 bis 1,0 Prozent. Weitere Zinsschritte stehen zur Debatte. Die Fed hat somit nach Jahren der Niedrigzinspolitik und des Anleihenkaufs ihren Kurs nachhaltig geändert. Dies ist ein wichtiger Gradmesser dafür, dass auch die Zentralbank zu ihrem Vertrauen in die Marktkräfte zurückgefunden hat und nicht mehr regulatorisch auf die wirtschaftlichen Entwicklungen eingreifen muss. Parallel dazu stieg die Inflationsrate und nähert sich den von der Fed angestrebten zwei Prozent.

Positiv entwickeln sich auch die Löhne: Verglichen mit dem Vorjahr stiegen sie im März 2017 in der Privatwirtschaft um durchschnittlich 2,6 Prozent, allein im ersten Jahresquartal konnten die stärksten Lohnzuwächse seit zehn Jahren verbucht werden.

Trotz der soliden Fundamentaldaten fällt das Konsumverhalten etwas vorsichtiger aus: Nachdem die Verbraucherausgaben seit Jahren konstant gestiegen sind, stagnieren sie seit Jahresbeginn auf hohem Niveau. Zugegeben: Die turbulente Tagespolitik dürfte aktuell ein wenig auf die Kauflaune der Amerikaner drücken. Die Lohnerhöhungen zeigen jedoch die Potenziale auf, die der US-amerikanische Binnenmarkt für die Zukunft bereithält.

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Der US-Außenhandel wird weiterhin stark aufgestellt sein. Drohungen gegen NAFTA, TTP oder TTIP werden medial zwar lautstark vorgetragen, allerdings sollte sich niemand von Trumps reißerischen Statements blenden lassen. Bei vielen seiner Aussagen handelt es sich um Null-News mit wenig Faktenbezug. Diese Taktik aus dem Wahlkampf hat Trump beibehalten – und es steht zu bezweifeln, dass er mittelfristig anders agieren wird. Hinzu kommt, dass die Freihandelsbefürworter im Kongress zahlreich vertreten sind, auch und vor allem bei den Republikanern. Eine langfristige Kursänderung in Richtung Protektionismus ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu befürchten.

Blick in die Zukunft: Gewinner werden Immobilienmärkte sein

Neben den geplanten Steuersenkungen für Unternehmen könnten vor allem die anstehenden Maßnahmen zur Sanierung der Infrastruktur positive Impulse für die ohnehin starke Immobilienbranche geben. Durch eine Steigerung der Lebensqualität und effizientere Verkehrsanbindungen würden das Wohn- und das Gewerbesegment gleichermaßen profitieren. Die Branche kann auf eine starke Ausgangslage bauen: Nach Angaben von Colliers stiegen im vierten Quartal 2016 die Angebotsmieten für Büroimmobilien pro Quadratfuß (square foot) im Vorjahresvergleich um 4,1 Prozent in Innenstadtlagen und um 2,7 Prozent in Randlagen. Ähnlich solide Entwicklungen zeichnen sich bei den Einzelhandelsimmobilien ab.

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Insgesamt profitiert der Investmentstandort USA von diesen positiven Langzeitentwicklungen viel stärker als von einigen tagespolitischen Unwägbarkeiten, die zwar vereinzelt zur Verunsicherung beitragen, in der Regel aber ohne gravierende ökonomische Spätfolgen bleiben. Wer einen differenzierten, marktgenauen Blick wagt, kann von den gefestigten Strukturen und Zukunftspotenzialen profitieren – was die Vereinigten Staaten vor allem für langfristig orientierte Anleger weiterhin zu einem der interessantesten Investmentstandorte weltweit macht.

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