Marcel Köhler* (Name geändert) war früh dran, 20 Minuten vor dem Besichtigungstermin. Dennoch warteten bereits einige Wohnungssuchende vor dem Mietshaus am Schweizer Platz in Frankfurt. Als die Maklerin die Tür aufschloss, drängten etwa 20 Mietinteressenten in die 30 Quadratmeter große Dachgeschosswohnung. Eng, warm und stickig war es unter dem Dach. Ins Schwitzen kam Köhler jedoch erst, als die Maklerin von Accepta-Immobilien „Reservierungsbestätigungen“ austeilte. Wer die Wohnung haben wollte, sollte sich per Unterschrift verpflichten, sie anzumieten. Acht Tage lang sollte sich Köhler binden. Falls er einen Mietvertrag angeboten bekäme und ihn nicht annähme, wären 250 Euro fällig – als Auslagen für den Makler. „Ich fragte, ob das illegal sei“, sagt Köhler, „die Maklerin antwortet nur, dass sie mich nicht zwinge, den Vertrag zu unterzeichnen.“ Köhler verzichtete auf die Unterschrift.
Auch mit Unterschrift hätte er nicht zahlen müssen, so Anwalt Ralf Gréus von der Kanzlei Gréus Schneider: „Der Makler war beim Vermitteln der Wohnung nicht ausschließlich für diesen Kunden tätig.“ Nach dem seit 1. Juni geltenden Gesetz, zahlt bei Mietwohnungen nur der die Provision, der den Makler auch beauftragt hat – in der Regel der Vermieter. Dies gelte auch für sonstige Gebühren, so Gréus. 570 Millionen Euro pro Jahr sollen den ohnehin durch hohe Mieten belasteten Verbrauchern so erspart werden, hofft Bundesjustizminister Heiko Maas.
Was Mieter und Vermieter über das Bestellerprinzip für Makler wissen müssen
Bislang kann ein Vermieter oder Immobilienverkäufer einen oder mehrere Makler mit der Vermittlung beauftragen, zahlen musste aber regelmäßig nur der Mieter bzw. der Käufer. Das Bestellerprinzip besagt vereinfacht, dass künftig derjenige den Makler bezahlt, der ihn beauftragt hat. Vorerst findet dieses Prinzip jedoch auf dem Mietmarkt Anwendung. Für Immobilienkäufer und -verkäufer bleibt alles beim alten.
Viele Mieter empfinden die bisherige Regelung als ungerecht. Sie müssen einen Makler bezahlen, von dessen Dienstleistung sie kaum profitieren. Aus Ihrer Sicht sind in der bislang gängigen Praxis horrende Beträge für ein oder zwei Wohnungs- bzw. Hausbesichtigungen fällig, wenn es zum Vertrag kommt. Die eigentliche Vermittlungsleistung eines Maklers ist aber vor allem für den Auftraggeber hilfreich, weil sie ihm viel Aufwand erspart. Bezahlen muss sie jedoch der Mieter.
Wenn Wohnungssuchende einen Makler mit der Suche nach einer geeigneten Immobilie beauftragt haben, mussten sie auch vor der Gesetzesnovelle schon die Maklerkosten übernehmen. Oftmals anzutreffen ist auch die provisionsfreie Vermittlung von Neubauten, weil der Bauträger die Vermittlung durch eigenes Personal oder aber die Maklerkosten für einen externen Makler übernahm. Allerdings ist dann davon auszugehen, dass diese Kosten in den aufgerufenen Preisen für Häuser und Wohnungen einkalkuliert sind.
Das Bestellerprinzip ist im Rahmen des Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) geregelt, das unter anderem auch die Mietpreisbremse einführt.
Das Gesetz tritt am 1. Juni 2015 in Kraft. Ab diesem Stichtag bezahlt grundsätzlich derjenige den Makler, der ihn beauftragt hat. Die Regelung ist auf den Mietmarkt beschränkt. Der Immobilienverband IVD, in dem etwa 6000 Makler organisiert sind, fordert noch eine Übergangsfrist. Umstritten ist etwa, wie mit Makleraufträgen umgegangen werden muss, die vor Inkrafttreten des Gesetzes vergeben wurden.
Für Mieter ist zukünftig zumindest finanziell egal, ob eine Wohnung vom Makler oder vom Vermieter selbst angeboten wird. Die Maklerprovision; auch Courtage genannt; entfällt. Derzeit wird noch rund die Hälfte der Wohnungen in Deutschland durch Makler vermittelt, schätzt der Immobilienverband IVD.
Ab dem 1. Juni 2015 zahlen Mieter den Makler nur noch, wenn sie ihn beauftragt haben und - wichtige Zusatzbedingung - der Makler daraufhin eine Wohnung anbietet, die niemandem sonst angeboten hat.
Da für Vermieter die Beauftragung eines Maklers bisher meist kostenlos war, ihnen aber viel Aufwand, Zeit und ein strapaziertes Nervenkostüm ersparte, war für sie die Beauftragung eines Maklers bisher ohne Nachteile. Muss nun der Auftraggeber den Makler zahlen, dürften viele Vermieter auf seine Dienste verzichten und sich selbst um Inserate, Terminabsprachen, Wohnungsbesichtigungen und Vertragsvorbereitungen kümmern. Zumindest rechnet die große Mehrheit der Immobilienmakler damit, dass durch das Bestellerprinzip die Vermittlung in Eigenregie deutlich zunehmen wird.
Einer Umfrage der Immobilienplattform immowelt.de zufolge rechnen 69 Prozent der Makler damit, dass sich das Bestellerprinzip negativ auf ihr Geschäft auswirken wird. Beim Immobilienportal Immobilienscout24 rechnen die Fachleute mit einem Rückgang der Aufträge durch Vermieter um 40 Prozent. Vor allem in begehrten Großstadtlagen dürften Makler Geschäft einbüßen. Dort haben sie bislang leichtes Spiel, da dort die Nachfrage von Mietern meist größer ist als das Angebot. Für Vermieter wird es dort leichter, auf eigene Faust Interessenten aufzutun und sich daher zweimal überlegen, ob sie die Maklercourtage zu zahlen bereit sind. Viele Makler dürften sich daher zunehmend auf gefragte Service-Leistungen - etwa Lageanalyse, Immobilienbewertung und Verkaufsberatung - konzentrieren.
Insgesamt dürfte die Zahl der Suchanzeigen deutlich zunehmen. Schreckten bisher viele davor zurück, weil sich vorrangig Makler meldeten, ist das ab dem 1. Juni für die Übernahme der Maklerkosten bedeutungslos. Provisionshungrige Makler benötigen erst einen Auftrag von den Wohnungssuchenden, damit sie die Courtage verlangen können. In der Regel dürfte der Auftrag zur Wohnungsvermittlung von den Vermietern kommen.
Angst vor Auftragsflaute
Wer den Makler beauftragt, der zahlt: Vielen Maklern schmeckt dieses Bestellerprinzip nicht. Sie fürchten, ihnen könnten Aufträge wegbrechen, weil Vermieter die Kosten scheuen. Nach einer Umfrage des Immobilienportals Immowelt wollen 15 Prozent der Makler wegen des Bestellerprinzips ihr Geschäft aufgeben. Großmakler werden nicht aussteigen, denn sie verdienen ihr Geld vor allem mit dem Verkauf von Wohnungen. Beim Immobilienkauf greift das neue Gesetz nicht.
Wer als Makler weiter Mietwohnungen vermitteln will, muss sich ans Gesetz halten, anderenfalls riskiert er bis zu 25 000 Euro Bußgeld. „Wir raten dringend von Versuchen ab, das Gesetz zu umgehen“, sagt Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Maklerverbands IVD.
Welche deutschen Städte bei Investoren angesagt sind
Welche Städte sind bei Investoren besonders beliebt? Die Daten sind dem Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt von EY Real Estate entnommen. Es wurden 15 europäische Immobilienmärkte inklusive Deutschland untersucht. Geantwortet haben insgesamt rund 500 europäische Unternehmen und Investoren. Wortlaut der Frage: „Welche deutschen Standorte stehen im Jahr 2014 besonders in Ihrem Investmentfokus?“
Stuttgart
20 Prozent
Düsseldorf
21 Prozent
Frankfurt
22 Prozent
Hamburg
23 Prozent
München
25 Prozent
Köln
26 Prozent
Berlin
36 Prozent
Bei Reservierungsbestätigungen wie im Fall der Frankfurter Dachwohnung müssen Makler jedoch keine Strafe fürchten. Gertraude Uhlmann vom Amt für Wohnungswesen in Frankfurt bestätigt, dass „das Gesetz für diese ungerechtfertigte Forderung keinen Bußgeldtatbestand vorsieht“. Dem Amt seien damit die Hände gebunden. Auch das Frankfurter Ordnungsamt, Berufsaufsichtsbehörde für Makler, sieht keinen Handlungsbedarf: Ein Missbrauch oder ein anderer Rechtsverstoß könne nicht rechtskräftig festgestellt werden.
Accepta geht davon aus, dass die Reservierungsbestätigung nicht in Zusammenhang mit dem Bestellerprinzip stehe und legt Wert darauf, dass die Erklärung auch schon vor der Gesetzesänderung vom 1. Juni genutzt worden sei.
Tricks der Makler
Auch andere Makler versuchen, Kosten auf die Mieter abzuwälzen. Zu den gängigsten Ausweichstrategien zählen:
- Lockangebote Auf Immobilienportalen stoßen Mietinteressenten immer wieder auf Schein-Annoncen. Auf den ersten Blick scheint alles perfekt: Lage, Ausstattung und Miete. Auf Nachfrage ist die Traumwohnung dann weg, der Makler, der als Vermittler hinter dem Angebot steht, bietet jedoch eine vergleichbare Wohnung – gegen Provision versteht sich.
So suchte Sven Böhm* (Name geändert) Anfang Juli im Internet-Portal Immoscout24 eine Drei-Zimmer-Wohnung in Berlin. Dabei stieß er auf ein Angebot eines Berliner Maklers: 95 Quadratmeter in Berlin-Wilmersdorf mit 20 Quadratmeter Terrasse für 1000 Euro Kaltmiete im Monat. Eine Adresse fehlte. Auf seine Anfrage teilt ihm der Makler per E-Mail mit, dass die Wohnung nicht mehr zu mieten sei, da der Eigentümer Eigenbedarf angemeldet habe. Falls gewünscht, könne er gegen Provision jedoch eine vergleichbare Wohnung anbieten. Dazu müsse Böhm ihm jedoch einen Suchauftrag erteilen.
Böhm suchte lieber auf eigene Faust weiter. Einige Tage später stieß er bei Immoscout24 zufällig wieder auf die Drei-Zimmer-Wohnung aus Wilmersdorf. Die WirtschaftsWoche fragte beim Makler nach, wenige Stunden später wurde die Annonce gelöscht. Der Makler widerspricht dem Verdacht, es handele sich um ein Lockangebot. Er sei im Urlaub gewesen und habe nicht umgehend auf den Eigenbedarf des Eigentümers reagieren können. Ohnehin sei die Anzeige nur wenige Tage im Netz gewesen, erklärt der Makler.
Laut Immoscout24 wurde die Anzeige am 3. Juli aufgegeben und am 8. Juli vom Anbieter gelöscht. Immoscout selbst könne nicht nachvollziehen, ob es sich bei diesem Einzelfall um ein real existierendes Angebot gehandelt habe oder nicht. Generell seien Mietangebote umgehend zu löschen, wenn Objekte vergeben oder reserviert seien.
- Makler-Plattformen Eigentümer bieten ihre Wohnungen nicht mehr in für Mieter provisionsfreien Internet-Portalen an, sondern über eine eigene Homepage, die im Netz gut versteckt ist. Einen direkten Zugriff auf die Mietangebote haben nur Makler. Wer als Mieter an eine solche Wohnung kommen will, muss sich bei den von Maklern betriebenen Portalen registrieren und einen Suchauftrag aufgeben. Kommt ein Mietvertrag zustande, muss der Mieter zahlen. „Seit 1. Juni werden mir immer wieder Log-in-Daten zu solchen Portalen angeboten, ich lehne sie jedoch ab“, sagt die Berliner Maklerin Marina Buchmann.
Der Trick mit der Plattform ist nicht legal, denn er funktioniert nur, wenn Makler und Vermieter sich dazu absprechen. Damit käme ein Auftrag zustande, der Vermieter wäre provisionspflichtig.
- Kooperationen Zwei Makler, einer mit Zugriff auf Mietangebote des Eigentümers und einer, der für einen Mieter nach Wohnungen sucht, sprechen sich ab. Beide kassieren die volle Provision, einer vom Vermieter, der andere vom Mieter. „Wenn sich, wie in diesem Fall, zwei Parteien zum Schaden Dritter verabreden, ist das rechtswidrig“, sagt Roland Schäfer, Anwalt für Bau- und Immobilienrecht in der Düsseldorfer Kanzlei GTW.
- Vertragsgebühr Unverblümt verlangen Makler in Online-Mietangeboten eine Gebühr bei Abschluss eines Mietvertrages. Beispiel: Im Portal Immonet wurde bis zum 21. Juli eine Drei-Zimmer-Wohnung in Hamburg-Eimsbüttel mit 76 Quadratmetern für 910 Euro kalt pro Monat angeboten. Unter Punkt Sonstiges findet sich in der Annonce ein Hinweis auf eine Vertragsgebühr von 238 Euro. Das ist unzulässig, weil ein Mietvertrag zu den Dienstleistungen gehört, die der Auftraggeber des Maklers, also der Vermieter, bezahlt. Die WirtschaftsWoche fragte bei Immonet nach, kurz danach wurde das Angebot aus Eimsbüttel gelöscht.
Konkrete Aussagen zu den umstrittenen Vertragsgebühren macht Immonet nicht. „Bei offensichtlichen, gewichtigen Rechtsverstößen“ handele man umgehend.
Mieter sollten nicht zahlen
Haben Mieter Belege, dass sie Opfer einer illegalen Ausweichstrategie sind, sollten sie mit Verweis auf das geltende Recht die Provision verweigern, rät Anwalt Schäfer. Verstöße lassen sich jedoch nur schwer beweisen.
Vermieter haben legale Möglichkeiten, Maklerprovisionen auf den Mieter abzuwälzen. Wirtschaftlich sinnvoll sind sie selten.
- Abstandszahlungen Vermieter verlangen für die Einbauküche oder andere Extras vom neuen Mieter Geld. Vorteil: Der Betrag ist nicht Teil der Miete, fällt damit nicht unter die Mietpreisbremse. Nachteil: Diese Strategie lässt sich nur einmal durchführen, weil mit der Abstandszahlung der neue Mieter Eigentümer der Küche wird.
- Mieterhöhung Vermieter schlagen die Maklerprovision auf die Miete auf. Wegen der Mietpreisbremse ist jedoch kaum noch Luft nach oben. Viele Vermieter dürften daher ihre Immobilien selbst vermitteln – oder das einem Hausverwalter überlassen.
Alternative aus dem Netz
Im Internet bringen Dienstleister wie die Berliner Smmove Vermieter und Mieter zusammen, ohne dass Maklerprovisionen fließen. In Online-Auktionen können Mieter bei Smmove Gebote für eine Wohnung abgeben. Vermieter können unter den Bietern ihre Favoriten wählen. Für die Mieter sind die Online-Auktionen kostenlos, Vermieter zahlen 25 Prozent einer Kaltmiete.
Bisher vermarktet Smmove vor allem Mietangebote von großen Unternehmen, beispielsweise der Deutschen Annington. Viele davon finden sich aber auch auf den Internet-Seiten der Vermieter, exklusiv sind sie also nicht. Auffällig ist auch, dass bei vielen Annoncen Fotos der Mietwohnungen fehlen. „Das liegt daran, dass IT-Schnittstellen der Vermieter noch nicht mit unserer Software kompatibel sind“, sagt Smmove-Geschäftsführer Alexander Kanellopulos.
Dass bei den Online-Auktionen keine Wuchermieten zustande kommen, dafür sei der Vermieter verantwortlich, so Kanellopulos. Der Vermieter lege eine Maximalmiete fest, die sich an den geltenden Gesetzen orientieren müsse. Das Höchstgebot einer Auktion sei für Mieter und Vermieter jedoch nicht verbindlich. Insofern ist Smmove nicht mit der Auktionsplattform Ebay vergleichbar.
Beim Portal Moovin zahlen Vermieter eine Pauschale von 199 Euro je Annonce. Dafür wird das Mietangebot über Internet-Portale vermarktet. Bewerber werden gefiltert und Besichtigungstermine koordiniert. Weitere 79 Euro werden pro Besichtigung mit den Top-Bewerbern fällig, die Moovin dem Eigentümer abnimmt. „Ohne neues Gesetz hätte sich dieses Dienstleistungsmodell schwer durchsetzen können, das Bestellerprinzip gibt uns jedoch den nötigen Rückenwind“, sagt Geschäftsführer Fabian Mellin.
Durch das Ausfiltern der Mietinteressenten will Moovin sowohl die Zahl der Besichtigungen als auch die Größe der Gruppen, die durch die Wohnung geschleust werden müssen, verringern. Mieter zahlen nichts, müssen aber persönliche Daten angeben, darunter das Haushaltseinkommen, um sich für eine Wohnung bewerben zu können.
Beide Portale mit jeweils 5000 Mietangeboten stecken momentan in den Kinderschuhen. Noch sind sie keine echte Alternative zum Makler.
Mieter Köhler fand schließlich sein Zimmer in einer Frankfurter Wohngemeinschaft, ganz ohne Makler. Geholfen hat dabei ein bereits etablierter Player im Netz: Er fand das Zimmer dank eines Tipps über Facebook.