Ferienimmobilien Spaniens Küste im Ausverkauf

Die Preise in Spanien fallen weiter, auch der Deutschen Lieblingsinsel Mallorca wird vom Abwärtstrend erfasst. In einigen Küstenregionen sind die Preise so massiv gefallen, dass Anleger aufhorchen.

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Urlauber liegen auf Mallorca Quelle: dapd

Ein sommerlicher Abend in Düsseldorf. Das spanische Immobilienunternehmen Villa Noble hat Verkäufer zu einem Infoabend geladen. Ein Dutzend Männer – die meisten Makler-Typen im Anzug mit gegelten Haaren, aber auch einer in abgerissenen Jeans – sind ins Meilenwerk gekommen, ein Eisenbahndepot aus den Dreißigerjahren, heute Ausstellungshalle für Oldtimer.

Hoch über Mercedes-Kompressoren, Ferraris und Bentleys, in einem verglasten Konferenzraum wirft Johannes Schumacher Schreckensszenarien an die Wand. Der Euro: tot. Inflation: droht. Währungsreform: kommt. So richtig hätten die meisten das noch nicht verstanden, sagt Schumacher: „Wenn Sie mit 200 Stundenkilometern gegen eine Betonwand fahren, fühlt sich das bis zum Aufprall ja auch gut an.“

Geschäft mit der Krise

Der sonnengebräunte Schumacher, seine versilberte Visitenkarte weist ihn als Managing Director aus, hat die Lösung für alle Krisenverängstigten: Ferienwohnungen in Spanien. Deren Einkaufspreise lägen teilweise 50 Prozent unter Wert. Bis 2025 könnte sich der Wert einer kreditfinanzierten spanischen Immobilie bei Inflation oder Währungsreform locker verachtfachen. Wie Schumacher das errechnet hat, bleibt sein Geheimnis. In Marbella („Jetset-Metropole mit andalusischer Tradition“) hat er zum Beispiel ein Drei-Zimmer-Golf-Apartment mit 105 Quadratmetern für 215.000 Euro im Angebot.

Spanien ächzt unter der größten Immobilienkrise seiner Geschichte, es gibt kaum Käufer. Deshalb touren nicht nur windige Makler durch Deutschland. Selbst Spaniens Staatsministerin für Wohnungsbau Beatriz Corredor trommelte unlängst auf einer Roadshow für ihren heimischen Ferienimmobilienmarkt. Das Interesse aber hielt sich sehr in Grenzen, zu einer Werbeveranstaltung in Frankfurt etwa kamen nur acht Interessenten.

"Alles für die Hälfte"

Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren ihre Spanien-Begeisterung gedrosselt. 2010 haben sie nur noch 1434 Immobilien gekauft, 17 Prozent weniger als noch 2007. Unter den ausländischen Käufern nehmen Deutsche jetzt nur noch den dritten Platz ein – nach Briten und Franzosen. Insgesamt hat sich der Anteil der ausländischen Käufer in Spanien seit 2007 auf 4,5 Prozent halbiert.

Niemand kauft gern in einen Abwärtstrend hinein – und deshalb mieden die Deutschen viele spanische Küstenorte ‧zunehmend. Nur ihre spanische Lieblingsinsel Mallorca blieb bis dato weitgehend vom Preis-Zusammenbruch verschont. Doch jetzt hat der Abwärtstrend, der in Spanien ungebremst weitergeht, auch Mallorcas Immobilienmarkt erfasst – angetrieben durch die angespannte wirtschaftliche Situation vieler wichtiger Spieler auf der Insel.

Hochbetrieb am Strand von Quelle: dpa

Der Haushalt der Balearen-Regierung ist tief im Minus. Auch der größte Immobilienmakler der Insel, Kühn & Partner, soll in großen finanziellen Schwierigkeiten stecken. Der Deutsche selbst streitet das jedoch ab. Die größte Sparkasse der Insel, Sa Nostra, hat ebenfalls zu viele Immobilien und faule Kredite in der Bilanz. Nur durch eine Megafusion mit anderen Sparkassen konnte sie vor der Pleite gerettet werden.

„Auf den Balearen wird genau das passieren, was an Orten wie Marbella, Calpe, Torrevieja und Dénia schon seit 2007 geschehen ist: Die Preise werden sich durchschnittlich halbieren“, sagt Pedro Oliver, Geschäftsführer des Immobilienunternehmens Grupo Main in Spanien. Er hilft Banken und Sparkassen wie der Sa Nostra derzeit, gepfändete Immobilien an den Mann zu bringen: „Nicht einfach, weil viele Ferienimmobilien sind und die Ausländer vorsichtig sind. Die Spanier haben aber kein Geld.“

Getürkte Statistiken

Mallorca-Interessierte sollten jetzt in Ruhe den Markt beobachten, bevor sie sich für ein Objekt entscheiden. Matthias Meindel von der Concept Group in Leipzig sagt, dass das „Blutbad“ auf den Balearen erst noch kommen wird: „Wenn man durch die Luxussiedlung von Son Vida bei Palma fährt, dann sieht man vor lauter „se vende” (man verkauft) kaum noch die Wohnungen.Irgendwann werden hier die Preise extrem fallen, damit die Einheiten überhaupt noch veräußert werden können.“ Nur im Westen der Insel, etwa in Calvià, haben sich die Preise einigermaßen gehalten.

Meindel hat die Präsentation von Corredor auch gesehen, „aber anders, als die Staatsministerin vor deutschem und britischem Publikum bei ihrer Roadshow behauptet, sind die durchschnittlichen Verkaufspreise für Wohnungen und Häuser in Spanien seit 2008 um viel mehr als 20 Prozent nach Inflationsausgleich gesunken.“ Das bestätigen auch die Recherchen von Borja Mateo, Finanzanalyst in London und Autor eines erfolgreichen Buches zum spanischen Immobilienmarkt: „Nach Schätzungen des Immobilienmaklers Tecnocasa und des Online-Wohnungsvermittlers Fotocasa, die anders als die der Regierung auf Verkaufspreisen basieren, kosten Häuser an der Costa Brava (Barcelona) und an der Costa del Sol (Málaga) heute zwischen 30 und rund 45 Prozent weniger als noch im Jahr 2006.“

In den Luxusvierteln von Marbella gingen die Preise nach Angaben des Maklers Engel & Völkers seit 2005 um 40 Prozent zurück. Auch an diesen Jetset-Orten kommen Menschen in finanzielle Bedrängnisse: „Wir haben einen Fall von einem Verkäufer, der den Anfangspreis von einem Drei-Schlafzimmer-Apartment von 900 000 Euro auf 565 000 Euro Euro gesenkt hat. Das Objekt ist seit fünf Jahren auf dem Markt und wird sonst nicht mehr verkauft“, sagt Smadar Kahana von Engel & Völkers in Marbella.

Solche Fälle werden sich in den kommenden Monaten häufen. Denn über die faulen Immobilienkredite wird nach Meinung von Finanzanalyst Mateo nicht die Wahrheit gesagt: „Die Rate der nicht mehr bedienten Darlehen liegt nach Regierungsangaben bei rund sechs Prozent, meine Analysen ergeben das Doppelte.“ Auch die Zahl der leer stehenden Immobilien, die Corredor angibt, stimmt nicht. Statt 700 000 sind es gemäß des spanischen Statistik-Professor Ricardo Vergés Escuín fast zwei Millionen.

Glaubt man seinen Berechnungen, dann kann man noch mit einem ordentlichen Absacken rechnen, wenn die Immobilien, die sich jetzt in der Hand der Banken befinden, massiv auf den Markt kommen. Nach Ansicht des Immobilienunternehmens Grupo Main liegen über 60 Prozent der leer stehenden Immobilien am Meer, die meisten in der autonomen Region Valencia, wo die Preise auch am stärksten gefallen sind.

„Düstere Wahrheit“

Für den Balearen-Makler Kai Dost leidet Spaniens Bau- und Immobilienbranche unter Ignoranz: „Niemand hat über den Tellerrand geguckt. Die Spekulation bei den Grundstückspreisen kannte keine Grenzen. Bauträger rechneten in ihre Kalkulation jährliche Preissteigerungsraten von 15 Prozent mit ein.“

Die Banken hätten alle Augen zugedrückt und finanzierten teilweise völlig am Markt vorbei, auch auf Mallorca. Ein weiterer Fehler war seiner Meinung nach die zu aggressive Preispolitik: Bauträger wären bei ihren Preiskalkulationen selbst bei Fertighäusern direkt von den Marktpreisen ausgegangen, anstatt die Kosten zu berechnen und dann eine Gewinnmarge draufzuschlagen. „Seit die Banken kaum noch Hypotheken vergeben, bleiben die Bauträger auf ihrem Angebot sitzen, was auf Mallorca zu Preisnachlässen von rund 18 Prozent in den vergangenen Monaten geführt hat“, sagt Dost.

Schuld am Desinteresse ausländischer Käufer ist nach Ansicht des spanischen Anwalts Juan Manuel Moreno-Luque auch die mangelnde Transparenz des Immobilienmarktes. Die katastrophale Lage der Banken und der Bauindustrie werde seit Jahren systematisch verschleiert, sagt er.

Moreno-Luque glaubt, dass auch die spanische Notenbank tatenlos zuschaut, wie Bankbilanzen frisiert werden. Die Finanzmärkte, die Spanien braucht, um weiter seine Staatsanleihen zu verkaufen, dürften bloß nicht den Eindruck bekommen, dass der Staat noch mehr spanischen Banken beistehen müsse. Mateo, der für sein Buch „La verdad sobre el mercado ‧inmobiliario“ („Die düstere Wahrheit des Immobilienmarktes“) viele Bankbilanzen untersucht hat, glaubt, dass man, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst in zwei bis drei Jahren in den spanischen Markt einsteigen sollte: „Sonst bezahlt man zu viel, und niemand kann sicher sein, dass die Preise auf das heutige Niveau zurückkommen.“

Der spanische Staat, der schon heute auf Käufer hofft, die den Markt stabilisieren, setzt nicht nur auf Roadshows der Staatsministerin. Er hat auch die Mehrwertsteuer für Käufe von neuen Immobilien jüngst von acht auf vier Prozent gesenkt. Diese Steuersenkung gilt aber nur bis Jahresende. Etliche spanische Immobilienunternehmer träumen deshalb schon von einem Mini-Boom.

In Spanien gebe es bestimmte, sich stets wiederholende Zyklen auf dem Immobilienmarkt, berichtet Juan Hernández, Präsident des Immobilienverbandes der Region Murcia. In den vergangenen 40 Jahren seien die Preise dreimal stark gestiegen und dreimal eingebrochen. „Gewinn machen nicht die, die auf dem Preishoch investieren“, sagt Hernández mit dem nötigen Berufsoptimismus.

Bei einigen Maklern ist sogar eine gewisse Genugtuung über die Krise herauszuhören. Iris Grünewald, Maklerin von Balearic Properties, hofft jetzt auf bald steigende Umsätze. „Die Preise waren zu hoch, jetzt sind sie realistischer geworden, was uns hilft, langfristig wieder mehr zu verkaufen“, sagt sie. Hausbesitzer, die sehr hohe Preise verlangen und dann ruhig mal drei Jahre abwarten, bis sich ein Käufer findet, sind Maklern ein Dorn im Auge. Makler wollen schließlich möglichst schnell verkaufen und ihre Courtage einstreichen. „Endlich kann wieder der Marktprofi den Preis bestimmen und nicht der Immobilieneigentümer“, sagt Grünewald.

Gute Geschäfte

Auch die Immobilienvermittler bei der Infoveranstaltung in Düsseldorf setzen darauf, dank der niedrigen Preise mehr zu verkaufen. Aufmerksam lauschen sie vor allem, als Villa-Noble-Manager Schumacher auf ihre Vergütung zu sprechen kommt. Rund fünf Prozent des Kaufpreises seien für sie als Honorar drin.

Am besten sollten die Vermittler gleich zwei Tage nach Marbella kommen und sich die Ferienanlagen vor Ort anschauen. Für die Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel, einen Rundgang durch den Yachthafen und „gastronomische Highlights“ müssten sie nur 50 Euro zahlen. Wer binnen sechs Wochen das erste Objekt verkauft hat, bekommt auch den Fünfziger erstattet – Kleinvieh macht auch Mist.

Dass sich der Besuch in Marbella lohnt, macht Schumacher spätestens beim anschließenden Sekt klar: Schöne Frauen, freundliche Kassiererinnen im Supermarkt, nachsichtige Verkehrspolizisten – er könne sich das Leben im tristen Deutschland gar nicht mehr vorstellen. „Auf gute Geschäfte“, ruft er, das Sektglas in der Hand, und stößt mit den Um‧stehenden an.  

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