Um der Wohnungsknappheit zu begegnen, entstanden schon vor Jahrzehnten die sogenannten „Bostadsrätt“, eine Art Wohnungsgenossenschaften mit vereinsähnlichen Strukturen und ehrenamtlichen Verwaltern. Darin sind die Bewohner von Mehrfamilienwohnungen zusammengeschlossen.
Die Vereine bauen die Wohnhäuser und verkaufen anschließend Vereinsanteile, die den Mitgliedern ein dauerhaftes Wohnrecht in ihren Häusern zusichern. Streng genommen aber bleiben die Wohnungen Eigentum der Vereine. Die Vereinsanteile aber sind für die Schweden mit dem direkten Kauf einer Eigentumswohnung gleichzusetzen – und mindestens ebenso teuer. Sie können auch genauso wie Eigentumswohnungen verkauft werden. Einzige Einschränkung: eine Vermietung ist nur für maximal ein Jahr erlaubt.
Phasen der Bauzinsentwicklung von 1980 bis heute
Im Juni 1980 lagen die Zinsen für Immobilienkredite bei rund 9,5 Prozent, so dass eine Finanzierung über 200.000 Euro mit zehnjähriger Zinsbindung, einem Beleihungsauslauf von 60 Prozent und einer Tilgung von einem Prozent monatlich umgerechnet 1.750 Euro kostete. Die Belastung für ein solches Darlehen summierte sich damit binnen zehn Jahren auf rund 178.000 Euro.
Quelle: Interhyp Gruppe
Die Zeit der Wiedervereinigung war aus Kreditsicht alles andere als ein preiswertes Vergnügen. Mitte der Achtziger waren die Zinsen zwar auf rund 7,5 Prozent gefallen, Anfang der Neunziger verlangten die Banken für ein Immobiliendarlehen jedoch wieder neun Prozent und mehr. Pro Monat mussten Darlehensnehmer dementsprechend erneut rund 1.700 Euro für den besagten 200.000-Euro-Kredit aufbringen.
Zur Jahrtausendwende sind die Zinsen für Immobilienkredite und Kredite überhaupt Achterbahn gefahren. Die Internetblase hatte die Konditionen binnen kurzer Zeit extrem steigen lassen. Konnten Kreditnehmer Ende der neunziger Jahre bereits zu vier Prozent finanzieren, hatte der Aktienboom die Kreditzinsen Anfang 2000 wieder auf über sechs Prozent getrieben. Im Vergleich zu den vorangegangen Jahren waren Darlehen dennoch billig wie nie zuvor. Unser 200.000-Euro-Kredit konnte im Juni 2000 daher bereits mit einer Monatsrate von rund 1.200 Euro bedient werden. Die Kosten dafür lagen auf zehn Jahre gerechnet bei 113.000 Euro.
Die Bankenkrise und die weltweite Erlahmung der Konjunktur haben die Konditionen weiter sinken lassen. Die Zinsen bewegten sich im Juni 2010 bei rund 3,6 Prozent. Im Vergleich zu 2000 halbierte sich die Monatsrate für den beispielhaften 200.000-Euro-Kredit damit fast auf rund 770 Euro. Die Kosten über zehn Jahre hinweg beliefen sich 2010 auf nur noch rund 68.000 Euro.
Während Sparer unter der aktuellen Niedrigzinsphase leiden, dürfen sich Immobilienkäufer über beste Finanzierungsbedingungen freuen. Die Zinsen für das bekannte Immobiliendarlehen über 200.000 Euro mit der Laufzeit von 10 Jahren und einer 60-prozentigen Beleihung liegen im Juni 2014 bei rund 2,2 Prozent. Die monatliche Kreditrate kostet derzeit mit 533 Euro weniger als ein Drittel der Rate vom Juni 1980 – als rund 1.750 Euro für dasselbe Darlehen fällig waren. Und während Kreditnehmer in den achtziger Jahren allein fast die komplette Kreditsumme als Kosten kalkulieren mussten, müssen Häuslebauer heute nur noch knapp 42.000 Euro binnen zehn Jahren zahlen.
Solch ein Angebot hatte auch Gunnar Lind genutzt. Der Verein, der Linds Wohnung erbaut hatte, erstellte für die Baukosten 1985 einen Tilgungsplan über 120 Jahre. Noch heute ist die Wohnung mit Schulden in Höhe von rund 30.000 Euro belastet. Die Kosten für Zins und Tilgung werden von dem Verein mit der Nebenkostenabrechnung auf die Immobilienbesitzer umgewälzt.
Als Lund nach fünf Jahren seinen Kredit – ganz untypisch - komplett zurückzahlte, blieben im deshalb monatliche Kosten von knapp 500 Euro, die er an den Verein zu zahlen hatte. Die Immobilienschulden gibt es somit zweimal: einmal beim Verein, und einmal beim Käufer des Wohnrechts, der es finanziert. Die Banken danken es.
In den vergangenen Jahren haben sich viele neugegründete Wohnungsvereine allerdings mit zweifelhaften Buchführungsmethoden hervorgetan. Um die monatlichen Raten möglichst attraktiv zu gestalten, wählten sie für die Baukosten Abschreibungszeiträume von bis zu 1200 Jahren. Die Auswüchse am Immobilienmarkt nehmen immer skurrilere Züge an.
Steuergeschenke senken die Kreditraten
Üblich ist auch die Versteigerung der Wohnungen, was aufgrund der hohen Nachfrage regelmäßig die Immobilienpreise weiter in die Höhe treibt. Verkaufsdesigner statten die Wohnungen zu den Besichtigungsterminen mit Designermöbeln aus, um Käufer zu locken.
Verbreitet müssen Käufer das Mindestgebot um 20 Prozent überbieten, um den Zuschlag zu erhalten. Am eigenen Hausbau aber zeigen die Schweden wenig Interesse. Lieber zahlen sie für eine bestehende Immobilie einen deutlichen Aufschlag, als sich das Projekt Neubau anzutun.
Das liegt nicht nur an der Bequemlichkeit vieler Schweden, sondern auch an den enormen Steuererleichterungen für Immobilienbesitzer, die für Käufer von mindestens fünf Jahre alten Gebäuden sogar noch deutlich höher ausfallen.
Alle Immobilienkäufer in Schweden können 30 Prozent ihrer Zinsausgaben direkt von der Einkommensteuer abziehen. Die Regierung des Konservativen Reinfeldt hat den Immobilienboom sogar noch weiter angeheizt. Sie schaffte die Immobiliensteuer – ähnlich der deutschen Grundsteuer – kurzerhand ab.
Außerdem förderte sie auch noch Renovierungen mit Zuschüssen. Jeder eingetragene Immobilienbesitzer erhält jährlich einen Zuschuss von bis zu 50.000 schwedischen Kronen, umgerechnet 5400 Euro. Offiziell will Schweden damit die Schwarzarbeit im Handwerk bekämpfen. In der Praxis ist auch deshalb die Zahl der Neubauten in den vergangenen Jahren gesunken.