Massenkündigungen Showdown für Bausparkassen-Kunden

Seite 3/3

Verträge aus dem vorigen Jahrhundert

In den konkreten beiden Fällen entscheidet der BGH über Streitigkeiten der Bausparkasse Wüstenrot (Az.: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) mit ihren Kunden. Die Sparer hatten vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart Recht bekommen. Im Fall XI ZR 272/16 hatte sich eine Witwe gegen die Auszahlung von zwei 1999 abgeschlossenen Verträgen mit einer Gesamtbausparsumme von rund 102.000 Euro gewehrt. Die Verträge waren im Juli 2001 zuteilungsreif geworden und wurden mit 2,5 Prozent verzinst. Ende 2014 hatte sich in Summe ein Guthaben von fast 56.000 Euro angesammelt. Einen Monat später kündigte Wüstenrot unter Berufung auf Paragraph 489 BGB mit der gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist von sechs Monaten.

Teure Fallen in der Baufinanzierung

Im Fall mit Aktenzeichen XI ZR 185/16 geht es um einen bereits 1978 abgeschlossenen Vertrag über rund 20.500 Euro, für den drei Prozent Zinsen vereinbart sind. Der Vertrag war bereits 1993 zuteilungsreif geworden und wurde von Wüstenrot gleichfalls im Januar 2015 gekündigt, obwohl die Bausparsumme noch nicht erreicht war.

Wenn es allein nach dem Verhältnis der gewonnen und verlorenen vorinstanzlichen Urteilen ginge, hätten die Bausparer keine Chance. Auf ihre Seite stellten sich außer dem OLG Stuttgart bisher nur die Oberlandesgerichte in Karlsruhe und Bamberg mit je einem Urteil. Sieben andere Oberlandesgerichte mit 75 Urteilen zugunsten der Kassen stützten die Ansicht der Unternehmen. Dazu kommt eine Vielzahl von Urteilen von Gerichten niedriger Instanzen gegen die Verbraucher. Mit einer Prognose, wie das Urteil ausgeht, hält sich der Verband der Privaten Bausparkassen zurück.

Wissenswertes zur Kündigungswelle bei Bausparkassen (05.2015)

„Wir sind nach wie vor überzeugt von der Rechtmäßigkeit dieser Kündigungen“, sagt Andreas J. Zehnder, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Privaten Bausparkassen. Er hofft, dass der BGH die Rechtsauffassung der weit überwiegenden Zahl der Vorinstanzen bestätigt. und gibt zu: „Würde es anders kommen, würde sich der Ertragsdruck verschärfen. Der Sparkurs müsste fortgesetzt werden.“ Die Nullzinspolitik der EZB hat laut Verband zwischen 2011 und 2015 den Zinsüberschuss – die wichtigste Ertragskomponente der Branche – für alle um 16 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro verringert. Laut Bundesbank Monatsbericht vom September 2016 befanden sich die operativen Erträge 2015 mit 2,2 Milliarden Euro „auf neuem historischen Tiefstand“.

Andererseits müssen die Bausparer wohl auch nicht fürchten, dass ihre Kassen unter der Last des Urteils zusammenbrechen. Denn der Verband ist stolz darauf, dass die Bausparkassen die Stresstests bestanden haben. Dabei wurde auch überprüft, ob sie 20 Jahre Niedrigzinsen durchhalten würden. Rüdiger Kamp, Chef der zum Sparkassenlager zählenden LBS Nord, demonstrierte vor wenigen Tagen Selbstbewusstsein: „Das Geschäftsmodell Bausparen hat sich trotz Nullzinspolitik robust gezeigt.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%