Metropolen Immobilienpreise schießen nach oben

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„Bundesweite Trendwende“

In Hamburg (links) und München (rechts) stiegen die Kaufpreise für Wohnungen zuletzt viel stärker als die Mieten

Folge: Die Preise klettern. Daten von Immoscout24 zeigen teils drastische Preissprünge in den Großstädten. In (ohnehin längst teuren) Vierteln wie Hamburg-Uhlenhorst oder der Münchner Isarvorstadt stiegen die Preise in den letzten zwölf Monaten um bis zu 38 Prozent; noch stärker zogen sie in manchen 1b-Lagen an: in der Düsseldorfer Friedrichstadt etwa um 43 Prozent. Immoscout wertet pro Jahr die Daten von etwa 1,8 Millionen Wohnungen und Häusern aus. Waren früher die Preisvorstellungen der Verkäufer meist höher als der Betrag, für den die Wohnungen tatsächlich den Besitzer wechselten, ist es heute oft umgekehrt, sagt Michael Kiefer, Research-Leiter von Immoscout24. „Objekte in begehrten Vierteln gehen oft teurer weg, als sie im Netz standen.“

Es stünden weitere, „teils drastische Preissteigerungen bevor“, warnt Hartwig Hamm, Verbandsdirektor der LBS. Nach mehr als zehn Jahren Flaute sei „die bundesweite Trendwende da. Die Nachfrage nach Wohneigentum steigt rasant.“ Dabei galt der deutsche Wohnungsmarkt jahrelang als langweilig. Während die Nachbarn in Europa, von London bis Spanien, Immobilienblasen aufpumpten, kauften die Deutschen lieber Lebensversicherungen und Riester-Renten. Doch „seit etwa einem Jahr“, schätzt der Vermögensmanager Heiko Löschen, „hat sich etwas ganz Grundlegendes verändert“.

Nach Gründen für den Immo-Boom braucht man nicht lange zu fahnden. „Albtraum Inflation – Immobilien bieten Schutz“, wirbt ein Makler in Hilden für eine dunkle Dreizimmerwohnung in einem Wohnblock aus den Siebzigern. Ein anderer hat statt eines Fotos vom Haus einen Zwei-Billionen-Mark Schein von 1923 ins Netz gestellt. Die Botschaft wirkt: „Die Leute haben Angst ums Geld, flüchten ins vermeintlich sichere Betongold“, sagt Flossbach. Laut neuesten Umfragen schwindet bei 71 Prozent der Deutschen das Vertrauen in den Euro; Angst vor Inflation haben 61 Prozent. Dass der beste Schutz dagegen eine Immobilie sei, glauben 51 Prozent; Gold halten noch 40 Prozent für den besten Inflationsschutz.

„Bei überteuerten Immobilien wird gerne mal mit dem Sachwert-Argument das rechnerische Kalkül beiseite gewischt“, sagt Löschen, „nach dem Motto: Es bleibt ja immer noch ein schönes Haus, ein Grundstück in guter Lage.“ Rechnen kann sich das – angesichts von Kaufpreisen, die in vielen Städten schneller klettern als die Kaltmieten – oft nicht mehr. Wer in Hamburg 5000 Euro für den Quadratmeter hinlegt, aber in einer vergleichbaren Mietwohnung nur zwölf Euro Kaltmiete bezahlt (oder als Kapitalanleger erzielt), für den lohnt sich ein Kauf nicht.

Auch wer auf höhere Inflationsraten spekuliert, muss aufpassen. „Beispiele aus früheren Hoch-Inflationsländern wie Brasilien, Argentinien oder der Türkei zeigen: Die Immobilienpreise steigen sehr viel früher und nachhaltiger als die allgemeine Teuerung, die Mieten halten nicht Schritt, weil sie in der Regel staatlicher Einflussnahme unterliegen“, sagt Flossbach. „Wer wegen drohender Inflation ausschließlich auf Immobilien setzt, schraubt sich ein Klumpenrisiko ans Bein.“ Egal: „Wohlhabende Kapitalanleger zahlen für Häuser in guten Lagen derzeit fast jeden Preis“, weiß Emanuel Bertling, Immobilienexperte einer Hamburger Privatbank. Familien oder Paare aber, die eine Wohnung zum Selbstnutzen suchen, fahnden monatelang nach einem Objekt – und gehen weit über ihre finanzielle Schmerzgrenze.

Eine Reise an die Brennpunkte des neuen deutschen Immobilien-Booms ist eine Reise durch Teuerland. 

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