Im Neubau des Düsseldorfer Amtsgerichts geht es zu wie am Flughafen: Personenkontrollen am Eingang, eine Anzeigetafel mit Gerichtsterminen, Lautsprecherdurchsagen rufen die Streitparteien in die Gerichtssäle. Ein Anwalt zieht einen zusammengerollten Talar aus der Aktentasche, streift ihn über. Richterin Antje Diegel öffnet die Tür zu Saal 2.114 um kurz nach 9 Uhr. Binnen eineinhalb Stunden muss sie gleich drei Verfahren von Wohnungseigentümern entscheiden. Es geht um Geld: Balkonsanierung, Abbau einer nicht genehmigten Wassertherme, falsch abgerechnete Betriebskosten. Im Balkon-Fall ist das Klima vergiftet. Hausverwalter und Eigentümer schauen sich nicht an. Der Eigentümer sagt, er solle zu viel bezahlen; der Verwalter will nur die Beschlüsse der Eigentümer umgesetzt haben. Immerhin verspricht er, jetzt mal alle Akten zur Balkonsanierung zu kopieren – für 20 Cent pro Seite. So geht das schon seit zwei Jahren, sagt Richterin Diegel: „Zeit, endlich einen Schlussstrich zu ziehen.“ Mit einem Vergleich wären die Streitparteien meist schneller am Ziel. „Zu einem Kompromiss sind zerstrittene Wohnungseigentümer jedoch nur selten bereit“, sagt sie.
Musterrechnung für Kauf, Vermietung und Verkauf einer Wohnimmobilie
Quelle: Immobilienscout24, Interhyp, eigene Berechnungen
Kaufpreis: 55.000 Euro
vermietetes 45-Quadratmeter-Apartment in Saarlouis-Roden, aktuell vermarktet über Immobilienscout24
davon geschätzter Grundstücksanteil 5.000 Euro
Nebenerwerbskosten 5.500 Euro
Gesamtinvestition 60.500 Euro
davon Darlehen (Eigenkapital 5 500 Euro) 55.000 Euro
Derzeitige Jahres Nettomieten 2.760 Euro
(entsprechen 5,11 Euro Miete je Quadratmeter)
steuerliche Abschreibung von zwei Prozent auf die Anschaffungskosten ohne Wert Grundstücksanteil
(zwei Prozent von 55.500 Euro) -1.110 Euro
steuerlich absetzbare Zinsen aus Hypothekendarlehen -2.520 Euro
(20-Jahresfinanzierung zu 4,77 Prozent Effektivzins bei anfänglicher Tilgung von einem Prozent; jährlich absetzbarer Zinsanteil sinkt über die Laufzeit und mindert den Steuervorteilsukzessive)
jährliche Instandhaltung der Wohnung -450 Euro
zu versteuern -1.320 Euro
Steuerersparnis 581 Euro
Einnahmen (2 760 Euro + 581 Euro) 30.341 Euro
Zins + Tilgung aus 20-Jahresfinanzierung (bleibt konstant) -3.119 Euro
Instandhaltung - 450 Euro
Rücklagenbildung über Hausgeld - 500 Euro
(kann steuerlich abgesetzt werden, wenn am Gesamthaus saniert würde, was Rendite dann verbessert)
jährliches Saldo (Mieteinnahmen abzüglich Aufwendungen) 3.341 Euro
(Gesamteinnahmen können sich verbessern über Mieterhöhungen, aber auch verschlechtern bei notwendiger höherer Rücklagenbildung oder sich verteuernder Instandhaltung)
Restschuld Darlehen nach 20 Jahren -36.860 Euro
Gesamteinnahmen nach 20 Jahren -20.000 Euro
(unterstellt: Mieterhöhung, höhere Instandhaltungs- und Rücklagenkosten sowie geringere absetzbare Zinskosten gleichen sich aus; zudem Zusatzopportunitätskosten von 3,5 Prozent jährlich unterstellt*)
Gesamtlast nach 20 Jahren -56.860 Euro
Objektverkauf nach 20 Jahren zu 67.110 Euro
(unterstellt: einprozentige jährliche Wertsteigerung)
Verkaufsertrag abzüglich Gesamtlast 10.250 Euro
Rendite auf das Eigenkapital (5.500 Euro) 86 Prozent
Jährliche Rendite über 20 Jahre 3,15 Prozent
*derzeit erzielbare Rendite 20-Jähriger Sparpläne
Quelle: Immobilienscout24, Interhyp, eigene Berechnungen
Deutsche Gerichte müssen sich deshalb jedes Jahr mit etwa 360.000 Verfahren rund ums Wohneigentum herumschlagen. Es herrscht Krieg, jeder gegen jeden: Eigentümer gegen Hausverwalter, Käufer gegen Bauträger, Mieter gegen Vermieter, Nachbarn gegen Nachbarn.
Trotz der Konflikte ist die Eigentumswohnung so beliebt wie nie. Inzwischen gibt es in Deutschland 5,3 Millionen Eigentümer. Der aktuelle Run auf Sachwerte lässt die Zahl der Eigentümergemeinschaften weiter anschwellen – insbesondere in den Großstädten. In Berlin beispielsweise wurden laut Gutachterausschuss im vergangenen Jahr 13 Prozent mehr Eigentumswohnungen verkauft als 2011. Dass Betongold nicht immer beruhigend ist, sondern oft Stress verursacht, merken viele erst, wenn es zu spät ist. Ein paar einfache Regeln helfen, Immobilienfallen zu vermeiden.
Protokolle und Pläne lesen
- Bevor sich Interessenten eine Wohnung zulegen, sollten sie prüfen, welche Kosten zusätzlich auf sie zukommen. Zins und Tilgung für den Wohnungskredit rechnet die Bank aus, auch für Strom, Wasser und Gas hat der neue Besitzer Erfahrungswerte. Auf Neu-Eigentümer kommen aber auch Kosten zu, mit denen viele zuvor nicht kalkuliert haben. Sie verbergen sich im Hausgeld, das alle Wohnungseigentümer monatlich im Voraus an den Verwalter überweisen – leicht mehrere Hundert Euro im Monat. Neben Betriebskosten wie Müllabfuhr, Treppenhausreinigung oder Versicherungen zählen dazu auch Posten, die für ehemalige Mieter ganz unbekannte Größen sind, zum Beispiel Gemeinschaftsrücklagen für Reparaturen oder die Vergütung für den Verwalter. Kaufinteressenten sollten sich in jedem Fall vom Verkäufer die Wirtschaftspläne der vergangenen Jahre zeigen lassen. Aus denen lässt sich recht gut ablesen, was auf den Eigentümer zukommt. Auch wie viel Geld aktuell in der Rücklage steckt, ist erkennbar.
- Genauso wichtig ist der Check, in welche Art von Gemeinschaft man sich einkauft. Mieter, die sich mit Nachbarn verkrachen, können ausziehen. Eigentümer, die viel Geld ins eigene Heim gesteckt haben, sind nicht so flexibel. Im schlimmsten Fall, müssen sie die Wohnung mit Verlust abstoßen. Björn Bachirt, Anwalt in der Kölner Kanzlei Solmecke, rät Wohnungskäufern: „Sie sollten sich vom Verkäufer eine Vollmacht einholen, mit der sie beim Verwalter Einblick in die Unterlagen der Eigentümergemeinschaft erhalten.“ Oft haben Verkäufer auch die vom Verwalter erstellten Protokolle der jährlichen Eigentümerversammlung vorliegen.
- Kaufinteressenten sollten sich auch die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung anschauen. Anders als Eigenheimbesitzer können Wohnungsbesitzer nicht nach Belieben mit ihrer Immobilie umgehen. Es gibt in Wohnanlagen sowohl „Sondereigentum“, das ausschließlich dem Wohnungsbesitzer gehört, als auch Gemeinschaftseigentum. Die Teilungserklärung zeigt, was alles gekauft wird – etwa, welcher Grundstücksanteil oder Keller zur Wohnung gehört.
Gemeinschaftseigentum gemeinsam instand halten
Gemeinschaftseigentum müssen die Eigentümer gemeinsam instand halten und sanieren und dürfen es nur nach festgelegten Regeln nutzen. Dazu zählen Grundstück, Außenwände, Fassade, tragende Gebäudeteile und Grünanlagen.
Für das, was jedem Eigentümer selbst gehört, muss er allein geradestehen. Die Faustregel, dass alles, was sich in den Wohnräumen befindet, also Innenwände, Bodenbelag oder Einbauküche, Sondereigentum ist, gilt nicht immer. Bei Zentralheizungsanlagen etwa müssen für einen Schaden an einem Heizkörper alle Eigentümer aufkommen, weil der Gemeinschaftseigentum ist. Wasserrohre im Bad sind dagegen Sondereigentum. Den Klempner muss der Eigentümer allein bezahlen.
- Auch ein Blick auf die Liste der Eigentümer kann sich lohnen, denn Vermieter und Selbstnutzer ziehen nicht immer an einem Strang: Selbstnutzer legen Wert auf eine gepflegte Immobilie – auch wenn sie oft nicht so viel dafür zahlen wollen. Private Kapitalanleger dagegen denken zuerst an die Rendite und wollen möglichst wenig Geld in die Wohnung stecken.
Prognose für Eigentumswohnungen bis 2015
Durchschnittspreis 2012: 2.352 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +15,7 Prozent
Quelle: Feri Eurorating Service AG
Durchschnittspreis 2012: 3.401 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +11,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.279 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +10,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 2.331 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,8 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.148 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,6 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 2.212 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.813 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,8 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 2.600 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,4 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 2.268 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.894 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,0 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.131 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,6 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.585 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,2 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 1.975 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 2.459 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +6,8 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 766 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +4,8 Prozent
Diese Erfahrung musste jedenfalls Petra-Ida Thünte, 53, machen, die sich 1997 eine Eigentumswohnung im Berliner Stadtteil Neukölln gekauft hatte. Obwohl bereits der Putz von den Balkonen auf den Gehsteig bröckelte, versuchten Münchner Kapitalanleger, die den Großteil der Eigentümer stellten, mit dem damaligen Verwalter eine teure Sanierung jahrelang zu verzögern.
Wohnungseigentümer bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Nur wenn alle pünktlich ihr Hausgeld zahlen, kann der Verwalter seinen Job machen, können Handwerker bezahlt und Betriebskosten – von der Müllabfuhr bis zum Strom fürs Treppenhaus – finanziert werden. Die Eigentümer haften gemeinsam dafür, dass alle Rechnungen beglichen werden – allerdings nur bis zum jeweiligen Anteil an der Wohnanlage.
Bei Thomas Christaller, 63, Eigentümer einer Wohnung in Bonn, summiert sich dieses Hausgeld auf immerhin 265 Euro im Monat.
Zusatzkosten aus der Eigentümergemeinschaft
Was Wohnungseigentümer Thomas Christaller zusätzlich zum Eigenverbrauch an Strom, Wasser und Heizung monatlich zahlen muss:
Hauswart/ Reinigung/ Gartenpflege: 56 Euro
Abfall/ Straßenreinigung: 19 Euro
Brennstoffkosten: 15 Euro
Aufzug/ Haustechnik: 14 Euro
Versicherungen: 13 Euro
Kabelfernsehen: 9 Euro
Allgemein-Strom: 6 Euro
Summe: 132 Euro Betriebskosten pro Monat
Nicht umlagefähige Kosten können, anders als Betriebskosten, nicht auf den Mieter umgewälzt werden; Christaller bewohnt die Eigentumswohnung und trägt deshalb die Kosten selbst.
Rechtsberatung: 27 Euro
Verwaltungsgebühren: 23 Euro
Instandhaltung: 8 Euro
Sonstiges: 8 Euro
Summe: 66 Euro pro Monat nicht umlagefähige Kosten
Zusätzlich muss Thomas Christaller 265 Euro monatlich zahlen.
Streit zwischen den Eigentümern entzündet sich oft an der Verteilung der Kosten. Einige Eigentümer empfinden den in der Gemeinschaftsordnung festgelegten Kostenschlüssel als ungerecht. Wer im Erdgeschoss wohnt, will etwa keine Fahrstuhlkosten zahlen.
Das Wohneigentumsrecht gibt Eigentümern die Möglichkeit, mit einfachem Mehrheitsbeschluss Betriebskosten anders zu verteilen als in der Gemeinschaftsordnung vereinbart. Der neue Verteilungsschlüssel müsse den Verbrauch sinnvoll abbilden und die tatsächlichen Verursacher belasten, stellte der Bundesgerichtshof klar (V ZR 162/10).
Eine Eigentümergemeinschaft im Raum Nürnberg etwa versuchte, das Fahrstuhl-Problem akribisch zu lösen. Sie verteilte für jede Etage unterschiedlich viele „Aufzugspunkte“. Die Eigentümer ganz oben bekamen die meisten Punkte und mussten am meisten zahlen. Prompt klagte ein Eigentümer. Das Landgericht Nürnberg fand den neuen Kostenschlüssel aber vollkommen in Ordnung (14 S 7627/08).
Programmiert ist Streit unter Eigentümern, wenn Sanierungen richtig ins Geld gehen. Insbesondere Eigentümer, die kaum die Raten für die Finanzierung ihrer Wohnung aufbringen können, schalten auf Abwehr. „Als wir in den Jahren 2008 bis 2010 den Brandschutz für 2,5 Millionen Euro modernisieren mussten, sprachen einige Eigentümer von Luxussanierung“, sagt Jürgen Piper, Beiratsmitglied des Wohnparks Westhoven in Köln.
Sonderumlage
Der Wohnpark mit 575 Parteien konnte die millionenschweren Sanierungsmaßnahmen nicht komplett aus den Rücklagen finanzieren, dafür war eine Sonderumlage nötig. Begeistert waren die Eigentümer davon nicht, dass sie insgesamt 1,5 Millionen Euro – im Schnitt rund 2600 Euro pro Wohnung – zusätzlich aus eigener Tasche zahlen sollten, so Piper. Die Mehrheit habe aber zugestimmt, weil sich nur so die verschärften Brandschutzauflagen erfüllen ließen.
Problematisch wird es, wenn Eigentümer nicht zahlen. Das Geld fehlt dann für die laufenden Kosten und die Rücklagen. Im schlimmsten Fall müssen die übrigen Eigentümer Geld nachschießen. Die Rücklagen dürfen dafür nur kurzfristig herangezogen werden. Eigentlich sind die für die Instandhaltung vorgesehen. So fordert das Oberlandesgericht München, dass Eigentümer stets eine von Alter und Zustand des Hauses abhängige „eiserne Reserve“ halten müssten (34 Wx 76/07).
Wenn sie nicht selbst einspringen wollen, müssen sich die zahlungsfähigen Eigentümern gegen die säumigen Wohnungsbesitzer wehren. Die Gerichte billigen auch drastische Mittel. So erklärte das Kammergericht Berlin es für rechtens, dass eine Eigentümergemeinschaft säumigen Zahlern Wasser oder Heizung abdreht (24 W 7/01). Hier hatte ein Eigentümer Rückstände von 66.500 Euro.
Wenn nichts mehr hilft, ist auch Enteignung möglich. So entschied der Bundesgerichtshof 2007, dass Eigentümern, die regelmäßig ihr Wohngeld nicht zahlen, die Wohnung entzogen werden kann (V ZR 26/06). Dies setze voraus, dass die klammen Eigentümer vorher abgemahnt würden. Zudem müssten sich die Zahlungsrückstände auf mehr als drei Prozent des Werts der Wohnung belaufen und die Eigentümer länger als drei Monate kein Wohngeld mehr gezahlt haben.
Eigentumswohnungen sind keine Eigenheime im Stapelbau. „Viele Wohnungskäufer überschätzen die Freiheiten, die ihnen ihre Immobilie bietet“, sagt Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Verbands Wohnen im Eigentum. Was erlaubt ist und was nicht, gibt die Gemeinschaftsordnung den Besitzern vor.
Dennoch fühlen sich Eigentümer manchmal nicht an die Regeln gebunden. So hätten einige Wohnungsbesitzer des Wohnparks Westhoven ihre Balkone zu Wintergärten ausgebaut, so Eigentümer-Beirat Piper. Nach Protest der übrigen Eigentümer mussten sie die Umbauten auf eigene Kosten wieder abreißen.
Wohnanlagen sind auch kein Freiraum für Racheakte. So mobbte ein Eigentümer in Köln die Mieter eines anderen Eigentümers, weil er sie nicht leiden konnte. Er bedrohte und beleidigte die Mieter so lange, bis diese entnervt auszogen. Das Oberlandesgericht Köln verurteilte den aggressiven Eigentümer zu Schadensersatz wegen der Mietausfälle (16 Wx 197/05).
Selbst in den Schlafzimmern von Eigentumswohnungen ist nicht alles erlaubt. In einer Wohnanlage in Kaiserslautern mit 150 Apartments fiel eine Eigentümerin auf, weil sie im Internet „Hausfrauensex“ anbot. Auch wenn die Prostitution diskret erfolge, sei sie unzulässig, da sie Wert und Vermietbarkeit der Eigentumswohnungen mindere, urteilte das Oberlandesgericht Zweibrücken (3W 357/07).
Mängel am Gebäude
Eigentümer ärgern sich häufig auch mit Bauträgern herum. Bauträger verkaufen Wohnungen in der Regel schon vor dem Abschluss der Bau- oder Sanierungsarbeiten. Ärger gibt es meist um Mängel am Gebäude. Bei der Rosenburg, einer Wohnanlage auf dem Bonner Venusberg, dreht sich der Streit unter anderem um feuchte Wände. „Feuchtigkeit dringt wegen der unzureichenden Abdichtung von innen in das Mauerwerk“, sagt Wohnungseigentümer Christaller. Der ehemalige Institutsleiter bei der Fraunhofer-Gesellschaft und seine Kollegen vom Eigentümer-Beirat streiten seit Jahren mit dem Bauträger um diverse Mängel. Von den Eigentümern finanzierte Gutachten schätzten die Kosten für deren Beseitigung auf 1,5 Millionen Euro. Nicht nur die Mauern seien feucht, auch beim Dach tropfe es rein. Zudem schwankten die von Holzbalken getragenen Decken bei Belastung so stark, dass Langzeitschäden drohten. Der Bauträger aber bestreitet, dass es in der Wohnanlage ein flächendeckendes Problem mit Feuchtigkeit gebe. Eine Fuge sei undicht, den Schaden werde er beheben, die Decken würden von einem Sachverständigen geprüft.
Was ein Bauträger tatsächlich liefern muss, steht in der Baubeschreibung. Häufig sind derartige Baubeschreibungen so schwammig gehalten, dass es für die Käufer schwer ist, den Bauträger später festzunageln. Es lohnt sich, den Vertrag mit dem Bauträger prüfen zu lassen. Eine gründliche Vertragsprüfung durch einen Anwalt ist für etwa 2000 Euro zu haben.
Treten nach dem Kauf Mängel auf, müssen die Eigentümer nicht als Einzelkämpfer gegen Bauträger vor Gericht ziehen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine Gemeinschaft von Wohnungsbesitzern gemeinsam klagen kann (VII ZR 236/05).
Manchmal zwingt auch der Eifer einzelner Eigentümer die Gemeinschaft zum Handeln. Ludwig Waldmann, 67, Eigentümer-Beirat einer Wohnanlage in Frankfurt, legte sich eine Digitalkamera mit Zoom-Objektiv zu. Er hatte Risse in den Balkonbrüstungen mehrerer Wohnungen entdeckt. Mit der Kamera sammelte er Beweise für Baupfusch.
Die Mehrheit der Eigentümer wollte die Balkone aber erst kurz vor Auslaufen der Gewährleistungsfrist überprüfen. Waldmann focht den Beschluss an: „Viele Eigentümer haben mir die Pest an den Hals gewünscht, weil es nicht die erste Klage war.“ Als sich Waldmanns Verdacht bestätigte, war der Bauträger jedoch bereits pleite.
Viele Eigentümer scheuen in der Tat jeden Konflikt mit nachlässigen Dienstleistern. „Sie wollen einfach ihre Ruhe haben und kümmern sich nicht um fehlerhafte Abrechnungen oder Baupfusch“, sagt Lorraine Picaper, Anwältin aus Berlin. Unruhestifter könnten dann helfen. Picaper vertrat einen Eigentümer, der nicht hinnehmen wollte, dass die Familie des Hausmeisters die Waschküche der Wohnanlage nutzte, um gewerblich Wäsche zu reinigen.
Lassen Eigentümer die Kontrolle schleifen, kann sich Vetternwirtschaft ausbreiten. In einem Haus in Frankfurt hatte der Verwalter seinem Bruder, einem Versicherungsmakler, Aufträge zugeschanzt. „Statt 3470 Euro sollten wir pro Jahr 6035 Euro an Prämie für die Gebäudeversicherung zahlen“, sagt Eigentümer Waldmann. Der Verwalter wurde gefeuert.
Ganz ohne Verwalter geht es leider nicht. Er macht die Abrechnungen, vergibt Aufträge an Handwerker, haftet für die Rücklagen und organisiert die Eigentümerversammlungen. Im besten Fall tut er das auch. Mancher aber bedient sich am Geld der Eigentümer. So verurteilte das Berliner Kammergericht einen Hausverwalter wegen Untreue zu 16 Monaten auf Bewährung. Er hatte seine Eigentümergemeinschaft um 276.000 Euro erleichtert.
Vermögensschadenhaftpflichtpolice
„Der Hausverwalter sollte eine Vermögensschadenhaftpflichtpolice abgeschlossen haben“, sagt Gerold Happ, Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus & Grund in Berlin. Die Versicherung deckt finanzielle Schäden ab, die der Verwalter durch Fehlverhalten verursacht. Mitglieder der Verwalter-Verbände müssten eine solche Police abschließen.
Eine Mitgliedschaft in einem Verband allein aber garantiert noch keine seriöse Arbeit. Wer einen Verwalter sucht, ist auf Mundpropaganda angewiesen. „Referenz-Listen sind kein guter Ratgeber“, sagt Sylvia Stein, Hausverwalterin aus Düsseldorf. Mit dem Verwalter nicht zufriedene Eigentümergemeinschaften tauchten in denen naturgemäß nicht auf.
Eigentlich sollte das 2007 reformierte Wohneigentumsrecht die Zahl der Prozesse reduzieren. Geändert wurden beispielsweise die erforderlichen Mehrheiten der Eigentümer für Beschlüsse, sowie die Haftungs- und Prozessvorschriften.
Laut Stefan Coners, Richter am Amtsgericht Düsseldorf, ist die Zahl der Prozesse rund ums Wohneigentum jedoch nicht gesunken. Auch das Tempo der Verfahren hat sich nicht erhöht. „Zwar hören die Gerichte die Beteiligten früher an, die Parteien verstricken sich jedoch weiter in Details, die das Verfahren in die Länge ziehen“, sagt Oliver Huyskens, Anwalt aus Düsseldorf. Oft geht es Unruhestiftern vor allem um Aufmerksamkeit. Sie zweifeln Entscheidungen an, nur weil es auf Eigentümerversammlungen zu formalen Fehlern gekommen ist. Ein beliebter Einwand ist beispielsweise, dass Eigentümer zu spät zur Versammlung eingeladen wurden. Bei vorgeschobenen Einwänden spielen die Gerichte nicht mit. „Meist scheitern diese Klagen, weil die Eigentümer nicht beweisen können, dass die Formfehler für ein abweichendes Abstimmungsverhalten gesorgt haben“, sagt Anwältin Picaper.
Oft, so Anwalt Huyskens, gehe es um Kleinigkeiten, die gar nicht vor Gericht gehörten. Insofern lohne es sich, Alternativen zu einem teuren Prozess zu prüfen. Erst kürzlich konnte er einen Streit außergerichtlich beilegen, bei dem sich eine Eigentümerin über die mangelnde Gartenpflege des Verwalters beschwerte. Die nicht ordnungsgemäß beschnittenen Bäume würden ihre Wohnung beschatten. Zwar habe es tatsächlich einen Schlagschatten gegeben, der fiel jedoch so gering aus, dass sich ein teurer Prozess nicht gelohnt hätte, berichtet Huyskens.
Statt zu klagen, können Eigentümer einen Mediator einschalten. Der professionelle Vermittler klärt nicht nur die Interessen der Parteien, er kann auch die erhitzten Gemüter beruhigen. „Oft fühlen sich die Beteiligten durch den Streit persönlich betroffen und schalten auf stur“, sagt Mediator Frank H. Schmidt aus Nürnberg. So könnten sich Rechtsstreitigkeiten über Jahre hinziehen. Erst wenn die streitenden Parteien gelernt hätten, wieder sachlich miteinander umzugehen, seien Kompromisse möglich. Pro Stunde berechnen Mediatoren etwa 200 Euro. Da ein Termin meist nicht reicht, um eine Lösung zu finden, lohnt sich die Mediation, wenn sich die Parteien um Beträge von mehreren Tausend Euro streiten. Alternativ können sich Wohnungseigentümer auch an Schiedsstellen in ihrer Kommune wenden.
Schlichter entlasten Gerichte und schonen das Portemonnaie der Streitparteien. Richterin Diegel und ihre Kollegen jedenfalls würden es begrüßen, wenn Wohnungsbesitzer sich öfter mal außergerichtlich zu Kompromissen bereit fänden: Denn allein am Amtsgericht Düsseldorf müssen sich drei Richter mit zerstrittenen Eigentümergemeinschaften beschäftigen.
Die könnten sich auch um Wichtigeres kümmern als um Balkonputz und Fahrstuhl-Punkte.