Die Koalitionsspitzen ringen an diesem Mittwoch erneut um eine Einigung zur Erbschaftsteuerreform. Ob das gelingt, ist mehr als offen - mit unabsehbaren Folgen ab Juli. Die CSU beharrt auf mehr Begünstigungen für Firmenerben. Die SPD sagt, man sei schon beim zuletzt ausgehandelten Kompromiss an Grenzen gestoßen.
Was hat das Bundesverfassungsgericht gefordert?
Die Karlsruher Richter haben Ende 2014 eine Neuregelung bis 30. Juni dieses Jahres angemahnt. Bisher müssen Unternehmensnachfolger generell kaum Steuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Beschäftigung halten. Die Verfassungsrichter hatten eine Begünstigung von Firmenerben für zulässig erklärt, aber schärfere Vorgaben verlangt. Sie fordern unter anderem, dass bei größeren Unternehmen Firmenerben nur verschont werden dürfen, wenn sie nachweisen, dass sie die Steuer nicht verkraften. Denn die bestehenden Ausnahmen haben dazu geführt, dass selbst Erben großer Vermögen faktisch äußerst selten etwas ans Finanzamt zahlen mussten. Für Kleinbetriebe soll die Bagatellgrenze strenger gefasst werden.
Wie soll die Vorgabe aus Karlsruhe umgesetzt werden?
Grundsätzlich bleibt es Ziel, die Betriebe mit ihren Arbeitsplätzen zu schützen. Firmenerben sollen daher auch in Zukunft weitgehend von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie das Unternehmen fortführen und Jobs erhalten. Die Änderungen sollten gering ausfallen und zu keinen Mehreinnahmen für den Fiskus führen.
Was sieht der Regierungsentwurf im Kern vor?
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat in seinem vor fast einem Jahr verabschiedeten Gesetzentwurf vorgeschlagen, dass entweder der Verschonungsabschlag sinkt oder der Fiskus sich seinen Teil beim privaten Vermögen des Firmenerben holt. Der Erbe eines großen Unternehmensvermögens kann sich auf die Bedürfnisprüfung einlassen und müsste sein privates Vermögen offenlegen. Nur dann hat er eine Chance, in den Genuss der Verschonungsregel zu kommen. Soll das Privatvermögen privat bleiben, greift ein Abschmelzmodell: Mit wachsendem Unternehmensvermögen muss dabei ein größerer Teil des Betriebsvermögens versteuert werden.
Wie sollte dies konkret erreicht werden?
Ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro soll es jene „Bedürfnisprüfung“ geben: Der Erbe muss dann nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaftsteuer finanziell überfordern würde. Für Familienunternehmen mit Kapitalbindungen wurde ein Schwellenwert von 52 Millionen Euro festgesetzt. Unterhalb dieser Grenzen werden dem Erben weiterhin automatisch Steuervorteile gewährt. Besondere Regeln sollte es für kleine Betriebe geben.
Wie würden sich die Pläne in den Staatskassen auswirken?
Die meisten Firmenerben bleiben verschont. Aber bei ganz großen Betriebserbschaften werden die Steuereinnahmen zwangsläufig steigen. Ursprünglich hatte Schäuble die Mehreinnahmen auf lediglich 200 Millionen Euro beziffert. Ende November hat er dann das erwartete Mehraufkommen auf gut 1,5 Milliarden Euro korrigiert. Die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer stehen den Ländern zu.
Wie waren die Reaktionen der Wirtschaft und Koalition?
Die Wirtschaft lief Sturm. Denn schon kleinere Betriebe würden nach dem üblichen Bewertungsverfahren den vorgesehenen Schwellenwert erreichen. Angesichts der niedrigen Zinsen seien Firmen knapp 18-mal so viel wert wie ihr Nettogewinn. Die CSU-Minister hatten schon beim Kabinettsbeschluss Nachbesserungen zugunsten der Wirtschaft gefordert. Teile der SPD wiederum hielten die Zugeständnisse an Firmenerben schon damals für zu großzügig.
Hatten sich CDU, CSU und SPD dann nicht doch noch geeinigt?
Ja. Im Februar hatten sich die stellvertretenden Fraktionschefs Ralph Brinkhaus (CDU) und Carsten Schneider (SPD) mit der Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeld, verständigt. Der neue Kompromiss basiert im Kern auf dem Regierungsentwurf - nach dem ein Großteil der Familienbetriebe sowie Kleinstfirmen ohnehin kaum betroffen wäre. Beide Seite haben sich nochmals bewegt. So wurde eine Investitionsklausel vereinbart. Der Unternehmenswert soll anders berechnet und das Abschmelzmodell geändert werden.
Was ist aus diesem Kompromiss geworden?
Das interne Papier von Brinkhaus, Schneider und Hasselfeld landete bei Verbänden. Die hätten der CSU dann acht neue Forderungen in den Block diktiert, ärgern sich nicht nur Sozialdemokraten. Ein Großteil der CSU-Forderungen habe vor dem Verfassungsgericht keine Chance.
Was passiert, wenn es bis zum 30. Juni keine Neuregelung gibt?
Es gibt unterschiedliche Meinungen. Einige Experten sagen, dass bei Ablauf der Frist ohne Neuregelung das Erbschaftsteuergesetz nicht mehr anzuwenden wäre. Andere sagen, die vom Gericht gerügten Ausnahmen würden zunächst fortgelten, aber nicht anwendbar sein. Durch Verstreichen des Zeitraums werde es nicht zum „heimlichen Untergang der Erbschaftsteuer“ kommen. Der Auftrag der Richter könnte fortbestehen, es könnte Übergangsregeln geben. Ob die Verschonung von Firmenerben am Ende ganz gestrichen wird, bleibt offen.