Der Anspruch hätte kaum größer sein können: Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz wollte die Bundesregierung den Grauen Kapitalmarkt austrocknen; kein Finanzprodukt sollte mehr unkontrolliert von der Finanzaufsicht BaFin auf den Markt kommen. „Dieses Schlupfloch machen wir jetzt dicht“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im April im Bundestag. Nachdem die Großkoalitionäre im Jahr 2013 zunächst Anbieter geschlossener Beteiligungen wie Immobilien- oder Schiffsfonds enger an die Kandare genommen hatten, sollten die Kontrollen nun also auf die letzten weitgehend unregulierten Geldanlagen ausgeweitet werden – Genussrechte, wie sie Wind-Pleitier Prokon verkauft hatte, oder Start-up-Investments per Crowdfunding, wo viele Privatanleger via Internet eine Geschäftsidee finanzieren sollen. Allein: Das hat nur zum Teil funktioniert. Denn bei der Formulierung des Gesetzes haben die Ministerialbeamten einen Fehler gemacht, der dazu führt, dass die neuen Auflagen keineswegs für alle Graumarktprodukte gelten. Erste Anbieter haben die Einladung dankend angenommen. Anleger sehen sich deshalb mit fragwürdigen Empfehlungen konfrontiert; bei einer Falschberatung dürfte es ihnen deutlich schwerer fallen, wenigstens einen Teil ihres Geldes zurückzubekommen.
Recht einfach
Die Betreiber einer Spielhalle in Münster wollten Kunden per Fassadenwerbung auf sich aufmerksam machen. Der Schriftzug „Casino Star“ sollte der Spielothek etwas Glamour verleihen. Nicht lange. Die Betreiber bekamen die Werbung verboten. Es handle sich laut Landes-Glücks-spielverordnung um eine unzulässige Aufforderung zum Glücksspiel. Der Begriff Casino werde mit einer Spielbank verbunden, nicht mit Spielhallen. Da fast 87 Prozent aller Spielsüchtigen auf Automaten in Spielhallen entfielen, sei die Unterscheidung berechtigt (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, 4 B 822/15).
Ein Münchner „Pilsstübchen mit Spielsalon“ lockte kaum noch Kunden. Deshalb machten die Betreiber aus der Gaststätte eine reine Spielhalle mit neun Spielautomaten. Doch das zuständige Amt erhob Einspruch: Die Baugenehmigung erlaube diese Nutzung nicht. So ziele eine reine Spielhalle auf ganz andere Kunden ab als das „Pilsstübchen“ mit Flippergeräten und Billardtischen. Das Münchner Verwaltungsgericht sah das genauso (M 8 K 14.5243).
Auf einer Autobahnraststätte waren nicht nur ein Imbiss und ein Sex-Shop, sondern auch drei Spielhallen angesiedelt. Der Betreiber wollte diese gerne bis zwei Uhr in der Nacht offen halten. Doch das Landratsamt stellte sich quer: Das Landes- Glücksspielgesetz schreibe eine Sperrzeit von Mitternacht bis sechs Uhr morgens vor. So solle Spielsucht eingedämmt werden. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe stimmte dem zu. Zwar könne die Sperrzeit bei besonderen örtlichen Verhältnissen grundsätzlich verschoben werden. Eine Verkürzung sei aber nicht zulässig (4 K 1534/13)
Aber der Reihe nach: Das Kleinanlegerschutzgesetz, das am 10. Juli in Kraft getreten ist, soll zwar auch für „Direktinvestments in Sachgüter“ gelten – aber nur, wenn Anbieter einen Anspruch auf Rückkauf „vermitteln“; also versprechen, den Anlegern Container, Goldbarren oder Diamanten zu einem fixen Preis später abzukaufen. „Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das Gesetz ohne einen solchen Anspruch nicht greift“, sagt Udo Brinkmöller, Partner der Kanzlei BMS Rechtsanwälte in Düsseldorf. „Die Bundesregierung hat mit dieser Formulierung dafür gesorgt, dass sich Anbieter der Regulierung weiter entziehen können.“ Dieser Fehler soll nun korrigiert werden – mit dem „Finanzmarktnovellierungsgesetz“, in dem es eigentlich um andere Dinge geht. Doch der Ende Oktober vorgelegte Entwurf betrifft auch Direktinvestments. Sie sollen künftig nicht nur reguliert werden, wenn Anbieter den Rückkauf versprechen, sondern auch, wenn sie ihn „in Aussicht stellen“. Das Problem: Es bleibt viel Zeit, um Direktinvestments auf Basis der bisherigen Regeln anzubieten. „Die Neuregelung soll erst am 3. Januar 2017 in Kraft treten“, sagt der Düsseldorfer Bank- und Kapitalmarktrechtler Christian Hindahl. „Unregulierte Geldanlagen, die Anleger vorher zeichnen, dürften dann Bestandsschutz genießen.“