Die zweite Säule soll populärer werden: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will die betriebliche Altersvorsorge (bAV) stärken, die sie für „den wichtigsten kapitalgedeckten Baustein in unserem Rentensystem hält“.
Das besteht aus der gesetzlichen Rente, die auch oft als erste Säule der Altersvorsorge bezeichnet wird, als zweite Säule gilt die betriebliche Rente, zu der normalerweise sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Beiträge leisten. Und wer darüber hinaus noch spart, schafft sich mit einer privaten Altersvorsorge ein drittes Rentenstandbein, für das er sich individuell entscheiden kann. Beliebte private Vorsorgeformen sind etwa die Riester-Rente, ein Investmentsparplan in Aktien- oder Mischfonds oder eine klassische Renten- oder Lebensversicherung.
Änderungen bei der Betriebsrente hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD bereits vor einem Jahr vereinbart und im Bundesarbeitsministerium wird jetzt an den Plänen gefeilt. Es soll nicht bei den 17 Millionen Arbeitnehmern bleiben, die bereits eine Betriebsrente haben. Denn seit 2002 haben zwar alle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Betriebsrente, sie müssen aber ihren Arbeitgeber selbst danach fragen.
13 Millionen potenzielle Kunden
Das haben offenbar viele der 13 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch nicht getan, die noch ohne betriebliche Vorsorge sind. Nach dem Willen der Politik soll sich das künftig ändern.
Derzeit sind rund 520 Milliarden Euro Vermögen angelegt, um die Betriebsrenten heute und in Zukunft zu finanzieren. Die Finanzbranche, also Fondsgesellschaften, Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen, die die Gelder der Betriebsrentner verwalten, erhoffen sich von den Änderungen noch mehr Geschäft. Mit fast täglich neuen Umfragen, Studien und Erklärungen zur Altersvorsorge versucht die Finanzlobby, die Bevölkerung für die Themen Altersarmut und die klaffende Rentenlücke zu sensibilisieren, damit mehr Verbraucher vorsorgen.
Bei der Betriebsrente müssen Arbeitnehmer allerdings das System wählen, das ihr Unternehmen anbietet. Es gibt fünf verschiedene Betriebsrenten-Systeme, auch Durchführungswege genannt, mit unterschiedlichen Chancen und Risiken.
Die Änderungspläne der Regierung zielen vor allem auf kleinere und mittelständische Unternehmen ab. Sie sollen ihren Arbeitnehmern einen einfacheren Zugang zur betrieblichen Altersvorsorge bieten können. Zudem sollen die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern Versorgungseinrichtungen aufbauen können, die die Betriebsrenten managen.
Damit würden zwar beide ins Boot gezwungen, allerdings droht die Betriebsrente so auch zum Gegenstand von Tarifstreitereien zu werden. Als Vorbild für die Kooperation gilt die Metallrente, die vor 13 Jahren von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden der Metallindustrie geschaffen wurde. Sie ist heute für die Branche die zentrale Versorgungseinrichtung für Betriebs- und Riester-Renten sowie den Berufsunfähigkeitsschutz geworden.
Europäische Vorbilder
In der aktuellen Diskussion tauchen immer wieder Ideen auf, die für Deutschland ein Zwangs-Modell befürworten, das andere europäische Länder bereits haben: Etwa in der Schweiz, in Dänemark und Großbritannien werden Arbeitnehmer automatisch in ein Betriebsrentensystem aufgenommen, wenn sie nicht widersprechen.
Die Begeisterung in der Politik für eine Zwangsrente ist offenbar begrenzt: Derzeit sind alle kapitalgedeckten Rentensysteme wegen der niedrigen Zinsen unter Druck. Und die Politiker wollen sich jetzt nicht für eine Anlage starkmachen, welche die Erwartungen dann nicht erfüllt. Durch die niedrigen Zinsen und die volatilen Aktienmärkte fällt es den Geldanlegern der Versicherer und Fondsgesellschaften immer schwerer, noch ansehnliche Renditen zu erwirtschaften und die eingezahlten Gelder vor Verlusten zu bewahren. Die Renditen auf die Einzahlungen sind jedoch je nach Betriebsrentenart unterschiedlich.
Schwache Rendite bei Versicherungsformen
Basiert die Betriebsrente auf einer Lebensversicherung, müssen strenge Anlagerichtlinien erfüllt werden, die die Geldanlage unflexibel machen.
Durch die Anlageverordnung sind Versicherer gezwungen, überwiegend in mager rentierende Zinspapiere zu investieren. Die laufende Verzinsung von zehn großen bAV-Versicherern liegt nach Angaben des Beratungsunternehmens Towers Watson noch zwischen drei und 3,6 Prozent in diesem Jahr. Das klingt zwar vergleichsweise üppig. Aber bei fünf Versicherern sind die Renditen schon um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr gesunken.
Diese Entwicklung dürfte weitergehen. Auch in diesem Jahr sind die Renditen, die Versicherer mit soliden und sicheren Anleihen erzielen können, weiter gefallen. Und renditestärkere Anlagen wie Aktien spielen bei der Geldanlage meist nur eine geringe Rolle mit Anteilen im unteren einstelligen Bereich.
Laufende Verzinsung wichtiger bAV-Versicherer
Laufende Verzinsung 2014: 3,60 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,60 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,30 Prozentpunkte
im Spezialkollektivgeschäft
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,40 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,25 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,40 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,20 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,35 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,30 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,20 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,20 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,00 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: -0,30 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Laufende Verzinsung 2014: 3,00 Prozent
Veränderung gegenüber 2013: 0,00 Prozentpunkte
Quelle: Towers Watson bAV Kompakt
Höhere Chancen bei unabhängigen Pensionsfonds
Die großen Dax-Konzerne setzen bei den Pensionsvermögen für ihre Beschäftigten dagegen etwas stärker auf Aktien. Zwischen 25 und 30 Prozent der Geldanlage ihrer Betriebsrenten-Treuhandvermögen sind am Aktienmarkt investiert. Das Beratungsunternehmen Mercer erwartet, dass sich die Rücklagen für die Pensionssysteme der Dax-Unternehmen bis zum Jahresende auf rund 213 Milliarden Euro erhöhen werden. Allein durch die diversifizierte Geldanlage bei diesen Pensionssystemen ergibt sich laut Mercer eine Rendite für 2014 von etwa 7,5 Prozent - viel mehr, als bei Betriebsrenten erzielt wird, die auf einer Versicherungsleistung beruhen.
Möglich ist die freie Geldanlage mit einem höheren Aktienanteil zum Beispiel in sogenannten Gruppentreuhandverträgen, denen sich mehrere und damit auch kleinere Unternehmen anschließen können. Beratungsunternehmen wie Mercer, Banken wie Metzler oder auch die Allianz bieten diese Form an. Durch die flexiblere Geldanlage können sie im aktuellen Niedrigzinsumfeld die Vorteile gegenüber einer reinen Versicherungslösung ausspielen und erzielen vielfach höhere Renditen. Je nach Ausgestaltung haben die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Garantiezinsen oder feste Rentenzusagen. Da der Garantiezins bei Neuverträgen versicherungsbasierter Betriebsrenten wie auch anderen Lebensversicherungen ab Januar 2015 sowieso auf 1,25 Prozent auf den Sparanteil sinken wird, dürfte Sparern der Verzicht leicht fallen.
Auslaufmodell Garantiezins?
Angesichts der wegfallenden Garantien suchen Experten verzweifelt nach Ideen, um die bAV attraktiver zu machen. Eigentlich könnte sie eine effiziente Altersvorsorge sein, denn wenn viele Arbeitnehmer gemeinsam einen Vertrag abschließen, ist das theoretisch günstiger, als wenn jeder einen eigenen Vertrag hat und dafür Provision bezahlt.
Allerdings waren in der Vergangenheit viele Kleinbetriebe oder auch die Innungen von Handwerkern überfordert, die Fallstricke und tatsächlichen Kosten der Betriebsrentenverträge zu beurteilen, die ihnen von den Anbietern vorgesetzt wurden.
Die Betriebsrenten-Anbieter wollen sich aktuell am liebsten ganz vom Garantiezins lösen und Geldanlagen ohne jährliche Garantie bieten. Damit wäre der Weg frei für höhere Aktienanteile in der betrieblichen Altersvorsorge. Haben die Unternehmen allerdings feste Rentenzusagen gegeben, müssten sie bei fallenden Aktienkursen Geld nachschießen. Bei der Diskussion mit Bundesarbeitsministerin Nahles wird es auch um die Frage gehen, ob die Unternehmen für die Renten weniger haften müssen. Das Risiko würde damit auf den Arbeitnehmer verlagert.
Eingriff durch Gesetzgeber
Aber selbst eine gute Rendite löst nicht das Problem, das manchen Betriebsrentner erst bei der Auszahlung erwischt. Norbert L. Brodtmann, früherer Marketingchef bei einem Elektrokonzern, profitiert zwar von einer Betriebsrente, die er während seines Berufslebens durch eine Entgeltumwandlung angespart hat. Aber trotzdem sieht der Ex-Manager die betriebliche Altersvorsorge inzwischen sehr skeptisch. Er gehört zu denen, die durch Eingriffe von Politikern in bestehende Betriebsrentenverträge schlechte Erfahrungen gemacht haben. Im Sommer 2003 hatte der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) mit den Stimmen der damaligen Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie den Grünen verabschiedet.
Wer freiwillig gesetzlich versichert ist oder Pflichtmitglied bei einer Krankenkasse, der zahlt seitdem auf die Auszahlung seiner betrieblichen Altersvorsorge den vollen Kassenbeitrag von 15,5 Prozent und noch 2,05 Prozent für die Pflegeversicherung.
Lockender Steuervorteil, ärgerlicher Kassenabzug
Gelockt wurde auch Brodtmann mit Steuervergünstigungen bei der Einzahlung: Zahlen Arbeitnehmer vier Prozent vom Bruttogehalt durch eine Entgeltumwandlung in eine betriebliche Altersvorsorge, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf keine Sozialabgaben oder Lohnsteuer zahlen. Die Steuervorteile bei der Einzahlung werden aber häufig durch hohe Krankenkassenabzüge bei der Auszahlung zunichte gemacht.
Brodtmann streitet sich derzeit mit seiner Techniker Krankenkasse vor Gericht um den Kassenabzug, da er nur Tantieme in die betriebliche Altersvorsorge eingezahlt hatte, die eigentlich als einmalige Sonderleistungen von dem Kassenabzug verschont bleiben sollten. Er warnt auch die heutigen Einzahler: „Der Staat steht nicht zu seinen Aussagen, heute wollen sie die Betriebsrente fördern, morgen greifen sie zu.“ Mit dem jetzt geplanten Gesetz verfolge die Regierung nur ein Ziel: „Sie versucht dem Mittelstand klarzumachen, dass er doch bitte selbst für die Rente seiner Arbeitnehmer vorsorgen soll, weil die gesetzliche Rente nichts mehr bringen wird“, vermutet er.
Private Altersvorsorge ist flexibler
Auch Peter Weber, ehemaliger Angestellter eines großen Hausgeräteherstellers und heutiger Rentner, ist von seiner Betriebsrente enttäuscht, nachdem auch ihm im laufenden Vertrag einfach der Kassenabzug aufgedrückt wurde. Weber hat ausgerechnet, dass ihm seine Einzahlungen in die Betriebsrente gerade mal 0,25 Prozent Rendite gebracht haben. Hätte er statt dessen eine normale Lebensversicherung abgeschlossen, wäre er besser gefahren, denn der Kassenabzug von mehr als 5000 Euro wäre ausgeblieben. Die Steuervorteile bei der Einzahlung zwar auch, aber die betrugen nur 1100 Euro.
Weber hofft auf ein Umdenken in der Politik bei der Neugestaltung der betrieblichen Altersvorsorge. Ohne einen Bestandsschutz für laufende Verträge sei der Arbeitnehmer der Parteien-Willkür ausgeliefert. Und dieses offensichtliche Unrecht mit massiven Vermögenseingriffen, werde auch von der Rechtsprechung kaum als solches gebrandmarkt. „Eines gilt mit Sicherheit auch in der Zukunft: Wenn der Staat Geld benötigt, wird er ohne Skrupel in die Taschen der Bürger greifen, Vertragsgrundlage bei der Betriebsrente hin oder her.“
Die Zukunft der gesetzlichen Rente ist grau. Wohltaten, die die Bundesregierung an aktuelle Rentner mit der Mütterrente und mit der Rente ab 63 verteilt hat, belasten das System zusätzlich. Die Zukunft der betrieblichen Vorsorge ist auch nicht rosig, wenn man weiß, dass die angesparten Vermögen zur Finanzierung der Sozialkassen herangezogen werden und zu häufig sehr renditeschwach sind. Findet die Bundesregierung hier keine überzeugenden Antworten, wird es ihr schwerfallen, heutige Arbeitnehmer für eine Betriebsrente zu gewinnen.