Riester, Rürup und Lebensversicherung „Die Versicherer haben in der Altersvorsorge versagt“

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„Die Versicherer bleiben den Beweis schuldig, dass sie Altersvorsorge können“

Kleinlein kommt aus der Branche und startete seine Berufslaufbahn als Mathematiker bei der Allianz. Sein Standpunkt: Private Vorsorge sei nicht besser als die gesetzliche. Quelle: Frank Beer für Handelsblatt

Wer kündigt, muss mit hohen Rendite-Verlusten rechnen. Warum steigen so viele aus?
Darüber lässt sich nur spekulieren. Häufig sind es persönliche Lebensumstände der Kunden. In jedem Falle haben die Gesellschaften und Vertriebe eine Mitschuld. Sie machen den Kunden nicht klar, dass sie sich vor Abschluss sicher sein müssen, 30, 40 Jahre dabeizubleiben.

Die Versicherer erklären gerne, dass die private Altersvorsorge über den Aufbau von Kapital attraktiver ist als die gesetzliche Rente und das Umlagesystem. Teilen Sie die Einschätzung?
Nein, ich sehe beide auf dem gleichen Feld: Das Umlagesystem und die Kapitaldeckung landen in einer Liga. Das Argument, der Aufbau von Kapital sei in der Altersvorsorge effizienter als die Umlage, kann ich als Mathematiker nicht nachvollziehen. Die Versicherungswirtschaft bleibt im Moment den Beweis schuldig, dass sie Altersvorsorge besser kann.

Ist der aggressive Vertrieb eines der Hauptprobleme der Branche?
Versicherer haben vor allem das Interesse eine möglichst hohe Zahl an Policen zu verkaufen. Das sorgt für Fehlentwicklungen.

Welche Rolle spielt die erfolgsabhängige Vergütung im Vertrieb?
Viele Vermittler verkaufen nicht das, was sinnvoll ist, sondern das, was für sie lukrativ ist. Die Schuld liegt aber nicht bei den Vermittlern selber. Sie denken sich die Produkte ja nicht aus und viele sind in ihren Entscheidungen nicht frei. Die Vermittler sind Opfer der Gesellschaften. Die Versicherer forcieren schlechte Beratung bewusst mit falschen Anreizen. Das Ergebnis: Viele Kunden haben gravierende Lücken im Versicherungsschutz und horten gleichzeitig nutzlose Verträge.

Ist Honorarberatung eine Lösung?
In einer idealen Welt schon. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass auch Honorarberater schlecht beraten. Das Modell kann nur funktionieren, wenn die Berater streng kontrolliert werden.

Die Produkte taugen nichts, die Vermittler ebenfalls nicht. Gibt es nichts Positives, was Sie über die Branche sagen können?
Nicht in der Altersvorsorge. Hier hat die Branche versagt. Beim Risikoschutz sieht das anders aus. Produkte wie Haftpflichtpolicen sind sehr wichtig.

Das ist eine klare Aussage. Reibt sich die Branche auch deshalb an Ihnen, weil Sie kein Blatt vor den Mund nehmen?
Die für die Öffentlichkeit gedachten Aussagen vieler Versicherungsvorstände und Aktuare wirken oft sehr zurückhaltend. Intern wird aber Tacheles geredet. Ich führe selber häufig Hintergrundgespräche mit Vorständen. Da führen sie ein offenes, klares Wort. Bei Veranstaltungen mit dem Vertrieb gehen auch viele sehr aus sich heraus.

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