Knauß kontert

Deutsche Dividenden finanzieren indirekt den Terror

Seite 2/2

Mercedes und Mittelalter

Die Verschonung der Scheichs vor deutscher und westlicher Empörung hat Tradition. Auch die 68er demonstrierten lieber gegen den zwar despotisch regierenden, aber immerhin westlich-säkular gesinnten Shah in Persien. Der ließ nämlich Kommunisten einsperren. In Saudi-Arabien oder Katar gab es weder damals noch heute nennenswerte Kommunisten oder sonstige Linke.  

Vermutlich ist es gerade der Anachronismus der Scheich-Diktaturen, der sie vor westlicher Kritik schützt – neben ihrem Öl-Reichtum. Für die Europäer des 21. Jahrhunderts sind diese Herrscherfamilien nicht wirklich begreifbar, die auf der Düsseldorfer Königsallee in Mercedes-Limousinen bei Armani vorfahren, sich von deutschen Bauunternehmen gigantische Glitzer-Hochhäuser errichten lassen – und gleichzeitig in Glaubensvorstellungen des Mittelalters befangen sind, die die einzige Quelle ihrer Legitimation und zentraler Antrieb des politischen Handelns sind.

Auch der deutsche Staat hat mit den Wüstenkönigen kein Problem. Gegenüber der WirtschaftsWoche hieß es 2016 aus dem Auswärtigen Amt, man werde „die Öffnung dieses Landes nicht erreichen, wenn man Saudi-Arabien nur auf die Anklagebank setzt“. Schon klar. Aber warum eigentlich hatte unser Staat, der mittlerweile gegen den Hass eigener Bürger auf Facebook eifrig kämpft, überhaupt nichts dagegen, als eine Herrschersippschaft vom Golf mit Terror-Affinität riesige Aktienpakete an deutschen Konzernen, an VW, der Deutschen Bank und Hapag-Lloyd erwarb? Übrigens investieren auch die Saudi-Herrscher und ihre Vasallen in den Emiraten bekanntlich eifrig in deutschen Konzernen.

Sollten sich die Stakeholder der Unternehmen, zum Beispiel ihre Angestellten, aber auch die Wirtschafts- und Außenpolitiker des deutschen Staates nicht doch spätestens jetzt angesichts der Katar-Krise den einen oder anderen Gedanken um die langfristigen Folgen dieser Besitzverhältnisse machen? Am Golf ist kaum zwischen Staat, Herrscherfamilien und Privatwirtschaft zu unterscheiden. Die Gewinne deutscher Unternehmen, die als Dividenden in die Golf-Monarchien fließen, dienen unmittelbar zwei Zwecken: Erstens die Scheich-Herrschaften abzusichern. Denn die beruhen vor allem darauf, dass die Untertanen mit gnädigen Gaben ruhiggestellt werden.

Zweitens aber dienen deutsche Unternehmensgewinne damit zumindest mittelbar wohl auch der Finanzierung des Terrors. Seltsam, dass das bislang niemanden zu stören scheint.

Wie fände man das eigentlich, wenn Kim Jong-Il, der Diktator von Nordkorea, zehn Prozent der Aktien eines deutschen Konzerns erwürbe? Läge in Nordkoreas Boden Öl und Gas, wäre die Frage vielleicht gar nicht so abwegig.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%