Die islamistischen Rebellen "Isis" ("Islamischer Staat im Irak und in Syrien") setzen ihren Vormarsch Richtung Bagdad fort und haben zwei weitere Städte nordöstlich der irakischen Hauptstadt eingenommen. Die Kämpfer hätten in der Nacht zum Freitag Dschalula und Sadija in der Provinz Dijala unter ihre Kontrolle gebracht, teilte die Polizei am Freitag mit. Die Städte liegen 125 beziehungsweise 95 Kilometer von Bagdad entfernt.
Die irakischen Soldaten hätten ihre Posten dort ohne Widerstand verlassen, teilten die Behörden mit. Kurdische Kräfte aus dem Norden des Landes seien ebenfalls nach Dschalula gekommen, um die Büros der kurdischen Parteien zu sichern. Es gab keine Berichte über Auseinandersetzungen.
Die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki bekam im Parlament keine Unterstützung für die geplanten Notstandsmaßnahmen, Offiziere machten Al-Maliki sogar für die Schwäche des Widerstands gegen die Extremisten verantwortlich. Der Armeekommandant der Provinz Anbar, die sich seit Mittwoch in der Hand von Isis befindet, sieht laut "Al-Sumaria News" "das Fehlen eines moralischen Führers" als einen der Gründe, weshalb viele irakische Soldaten vor den Isis-Kämpfern geflohen sind.
Fakten zum Terror im Irak
Die Terrorgruppe ISIS („Islamischer Staat im Irak und in Syrien“) ist eine im Syrienkrieg stark gewordene Miliz. Die Gruppe steht seit 2010 unter Führung eines ambitionierten irakischen Extremisten, der unter seinem Kriegsnamen Abu Bakr al-Baghdadi bekannt ist. Die USA haben zehn Millionen Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt. Ihm ist es in den vergangenen vier Jahren gelungen, aus einer eher losen Dachorganisation eine schlagkräftige militärische Organisation zu formen. Ihr sollen bis zu 10.000 Kämpfer angehören.
Die Gruppe nannte sich Ende Juni in IS um, da sie die Einschränkung auf den Irak und Syrien aufheben wollte.
ISIS sind Dschihadisten, Gotteskrieger. Sie kämpfen für eine strikte Auslegung des Islam und wollen ihr eigenes „Kalifat“ schaffen. Ihre fundamentalistischen Ziele verbrämt Isis bisweilen - wenn es in einzelnen Regionen gerade opportun erscheint. „Im Irak gerieren sie sich als Wahrer der sunnitischen Gemeinschaft“, weiß Aimenn al-Tamimi, ein Experte für die militanten Einheiten in Syrien und im Irak. „In Syrien vertreten sie ihre Ideologie und ihr Projekt weit offener.“ In der syrischen Stadt Rakka beispielsweise setzen die Extremisten ihre strikte Auslegung islamischer Gesetze durch. Aktivisten und Bewohner in der Stadt berichten, dass Musik verboten wurde. Christen müssen eine „islamische Steuer“ für ihren eigenen Schutz zahlen.
Ihre Taktik ist eine krude Mischung von brutaler Gewalt und Anbiederung - alles zwischen Abschreckung durch das Köpfen von Feinden und Eiscreme für die Kinder in besetzen Gebieten. Das alles dient der Al-Kaida-Splittergruppe Isis nur zu einem Ziel: den Islamischen Staat im Irak und Syrien zu bilden, den ihr Name verheißt. Die Gruppe, der bis zu 10.000 Kämpfer angehören sollen, hat diese Woche die irakischen Städte Mossul und Tikrit überrannt und den Marsch auf Bagdad angekündigt.
Zu Jahresbeginn hatte Isis bereits die Stadt Falludscha und Teile der Provinz Anbar westlich von Bagdad unter ihre Kontrolle gebracht. Inzwischen hat ISIS maßgeblichen Einfluss auf ein Gebiet, das von der syrisch-türkischen Grenze im Norden bis zu einem Radius von 65 Kilometern vor der irakischen Hauptstadt reicht. Der einstige Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, den US-Truppen vor ihrem Abzug aus dem Irak 2011 besiegt zu haben meinten, blüht in einer neuen Inkarnation wieder auf. Dabei profitiert Isis von den Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, die ihre sunnitische Anhängerschaft radikalisieren.
Bislang drangen ISIS-Kämpfer bis zur Provinz Dijala knapp 60 Kilometer nördlich von Bagdad vor. Rund 50 Kämpfer sollen dort laut Medienberichten bei Gefechten mit der irakischen Armee getötet worden sein. Die Isis habe sich daraufhin zurückgezogen, hieß es. Mittlerweile haben die Kämpfer die Städte Dschalula und Sadija in der Provinz Dijala unter ihre Kontrolle gebracht. Die Städte liegen 125 beziehungsweise 95 Kilometer von Bagdad entfernt.
Nach dpa-Informationen erbeuteten ISIS-Kämpfer in Mossul 500 Milliarden irakische Dinar (318 Millionen Euro) in der Zentralbank. Damit wird Isis zur reichsten Terrororganisation vor Al-Kaida. Experten schätzen das Vermögen der Al-Kaida auf 50 Millionen bis 280 Millionen Euro. Auch schweres Kriegsgerät soll ISIS erbeutet haben. Im Netz kursierende Videos zeigen irakische Panzer und Helikopter mit der schwarzen Flagge der Isis bei einer Militärparade in Mossul.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf Isis Bombenanschläge in Wohngebieten, Massenexekutionen, Folter, Diskriminierung von Frauen und die Zerstörung kirchlichen Eigentums vor. Einige Taten kämen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen sind mittlerweile rund eine Million Iraker auf der Flucht. Viele versuchten das als stabil geltende kurdische Autonomiegebiet im Nordirak zu erreichen. Allein in Mossul waren binnen weniger Stunden 500.000 Menschen vor den Extremisten geflohen.
Ministerpräsident Al-Malikis Versuch, am 12. Juni 2014 den Notstand auszurufen, war am Parlament gescheitert, das eine Abstimmung wegen mangelnder Beteiligung verschob. Seit Monaten zeigt sich Al-Maliki praktisch machtlos gegen den Terror sunnitischer Extremisten im Land. Dieser kostete seit April 2013 Tausenden Menschen das Leben.
Der UN-Sicherheitsrat sagte der irakischen Regierung einmütig Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus zu. Die Nato und Großbritannien schlossen einen militärischen Eingriff aus. Auch der iranische Präsident Hassan Ruhani hat dem Nachbarland die uneingeschränkte Solidarität im Kampf gegen die Terrorgruppe Isis zugesichert. Sowohl auf regionaler als auch internationaler Ebene werde der Iran alles im Kampf gegen die Terroristen im Irak unternehmen, sagte Ruhani dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki. Mittlerweile prüft die US-Regierung auch militärische Optionen.
Am Donnerstag hatte die Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien einen Marsch auf Bagdad angekündigt. Die internationale Gemeinschaft versprach dem Land Hilfe, ohne bislang jedoch konkret zu werden. Das Land brauche zusätzliche Hilfe von den USA und er schließe bei Überlegungen über eine Reaktion keine Option aus, sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag im Weißen Haus. Er wolle sicherstellen, dass die Extremisten gestoppt werden könnten. Obama traf sich auch mit seinen Team für nationale Sicherheit, um über die Situation zu beraten. Das teilte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Caitlin Hayden, mit.
Zuvor hatte es geheißen, die USA wollten sich nicht an Luftangriffen auf die Aufständischen beteiligen. Obama forderte die irakische Führung auf, an einer politischen Lösung zu arbeiten. „Dies sollte ein Weckruf für die irakische Regierung sein“, sagte er.
Die USA ziehen mehrere hundert Amerikaner aus einem irakischen Luftwaffenstützpunkt nördlich von Bagdad vorübergehend ab. Das berichtete der Sender „Fox News“ am Donnerstag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsbeamte. Sie hatten in dem sunnitischen Gebiet irakische Sicherheitskräfte im Einsatz von Kampfjets und Überwachungsdrohnen trainiert.
Der Iran schickte unterdessen nach einem US-Medienbericht Revolutionsgarden in den benachbarten Irak, um die Dschihad-Verbände der Isis zurückzudrängen, die große Teile im Norden und Westen des Iraks erobert haben. Mindestens drei Bataillone der Al-Quds-Brigaden, die Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, wurden zur Unterstützung geschickt, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf iranische Sicherheitskreise.
Dax gibt nach, der Ölpreis steigt
Die Eskalation der Unruhen im Irak hat am Freitag auch die Anleger am deutschen Aktienmarkt verunsichert. Der Dax fiel im frühen Handel um 0,42 Prozent auf 9897,13 Punkte. Für den MDax ging es um 0,37 Prozent auf 16.995,31 Punkte nach unten und der TecDax sank um 0,85 Prozent auf 1308,37 Punkte. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 stand 0,17 Prozent tiefer bei 3278,65 Punkten. Die Situation im Irak könne sich durchaus zu einem größeren Störfaktor entwickeln, sagte ein Börsianer. Der Markt sei von dem Tempo überrascht worden, mit dem sich der Konflikt ausbreitet.
Der Ölpreis kletterte wegen der anhaltenden Gewalt auf den höchsten Stand seit neun Monaten. In Tokio sackte der Nikkei zwischenzeitlich auf ein Zweieinhalb-Wochen-Tief ab. Kurz vor Börsenschluss drehte die japanische Börse allerdings ins Plus. Händler verwiesen auf Medienberichte, wonach Ministerpräsident Shinzo Abe in Kürze seine mit Spannung erwarteten Pläne für eine Senkung der Unternehmenssteuer vorstellen wolle.
Kurz nach Börsenschluss gab Abe bekannt, dass die Steuersätze für Unternehmen in den kommenden Jahren schrittweise unter die Marke von 30 Prozent gedrückt werden sollen. Derzeit müssen große Firmen in Tokio knapp 36 Prozent an den Fiskus abführen.
Der Standardwerte-Index Nikkei schloss mit einem Plus von 0,8 Prozent bei 15.097 Punkten, nachdem er die meiste Zeit im Minus tendiert hatte. Der breiter aufgestellte Topix legte nach Verlusten am Ende 0,5 Prozent auf knapp 1243 Zähler zu. Der MSCI-Index für den asiatisch-pazifischen Raum ohne Japan tendierte nahezu unverändert.
Der Ölpreis der Marke Brent verteuerte sich auf 114 Dollar pro Fass und erreichte damit den höchsten Stand seit neun Monaten. Der Anstieg des Ölpreises gab den Aktien von Ölunternehmen Auftrieb. Inpex sprangen 4,5 Prozent nach oben, Japan Petroleum Exploration 2,1 Prozent.
"Die Leute sind in Sorge, denn die Entwicklungen im Irak könnten große Auswirkungen auf die Ölpreise und den US-Markt haben, und das könnte sich auf Japan auswirken", sagte Hiromichi Tamura von Nomura Securities. Im ölreichen Irak verliert die Regierung zunehmend die Kontrolle über das Land: Sunnitische Extremisten rückten bis ins Umland von Bagdad vor.
An den Devisenmärkten notierte der Euro mit 1,3570 Dollar wenig verändert im Vergleich zum späten New Yorker Handel am Donnerstag. Zur japanischen Währung festigte sich der Dollar etwas auf 101,95 Yen. Er lag damit aber weiter in der Nähe seines Zwei-Wochen-Tiefs. Die steigenden Spannungen im Irak und enttäuschende US-Konjunkturdaten bestärkten Investoren in der Erwartung, dass die US-Notenbank (Fed) die Zinsen nicht so bald anheben wird.