Sidney Blumenthal ist ein netter älterer Herr, natürlich verabredet er sich immer gern auf einen Kaffee, in einer Hotelbar einen Steinwurf vom Weißen Haus. Dort hat der Exjournalist Blumenthal lange gearbeitet, er war Kommunikationsberater von Bill und Hillary Clinton während der Lewinsky-Affäre, so was schweißt zusammen, bis heute. Blumenthal, 67, gilt als einer der besten Freunde von Hillary, und sitzt man länger mit ihm zusammen, blickt er früher oder später auf sein Display und sagt, er müsse los, eine wichtige E-Mail.
Womöglich von Hillary?
Wie häufig Blumenthal ihr mailte– manchmal zigmal am Tag, bisweilen nah an Mitternacht –, ist haarklein nachzulesen, seit die Internetplattform WikiLeaks gehackte E-Mails von Vertrauten der demokratischen Präsidentschaftskandidaten öffentlich gemacht hat und diese nun (wieder) die amerikanische Bundespolizei FBI beschäftigen. Deren Direktor James Comey nahm vorigen Freitag, elf Tage vor dem nationalen Urnengang, wieder eine Ermittlung auf, ob Clinton als Außenministerin bis 2013 durch die Nutzung eines privaten E-Mail-Servers die „nationale Sicherheit“ gefährdet habe. Der Server stand im Keller von Clintons Wohnhaus in Chappaqua bei New York (ein Domain-Name, ganz schön optimistisch: www.presidentclinton.com). Von dort jagte sie E-Mails in alle Welt, obwohl die IT-Experten des Ministeriums ihr dringend einen öffentlichen Server empfohlen hatten – und jeder stinknormale Diplomat in der Regel gefeuert würde, wäre er ähnlich „privat“.
Nicht aber Clinton. Bislang hatte das FBI ihr zwar extremen Leichtsinn bescheinigt, aber, nach Durchsicht von rund 30.000 Mails, keine böse Absicht. Denn die enthielten neben viel Klatsch und Tratsch mit Menschen wie Blumenthal und Heiterem aus dem Leben einer wenig technikaffinen älteren Dame („Stupid question: Auf welchem Kanal läuft noch mal Showtime?“) kaum Brisantes, auch nicht zum größten Verdachtsmoment der Clinton-Hasser: Sie habe als Außenministerin ihre Schuld an einem „IS“-Angriff auf US- Einrichtungen in Libyen vertuscht. Das FBI hat Hillary Clinton in ihrer E-Mail-Affäre mittlerweile entlastet. Eine Prüfung neu entdeckter Nachrichten gebe keinen Anlass für ein Strafverfahren gegen die Präsidentschaftskandidatin, teilte FBI-Direktor James Comey in einem Brief an den US-Kongress mit.
Trump im Glück
Donald Trump, bereits totgesagter Republikaner-Kandidat, kann sein Glück kaum fassen. Bei Trump-Reden tragen Anhänger nun T-Shirts, die Clintons Konterfei hinter breiten Gitterstäben zeigen. Und im Clinton-Lager macht sich Panik breit: „So könnten wir noch alles verspielen“, sagt ein Mitarbeiter.
Stimmt. Immerhin 34 Prozent potenzieller US-Wähler geben an, die neue alte E-Mail-Affäre könne sie beeinflussen – eine Menge, weil in manchen Bundesstaaten nur ein paar Prozentpunkte den Ausschlag für einen der Kandidaten geben. Zwar führt Clinton weiter in den meisten Swing States, in denen sich die Wahl wegen noch unklarer Mehrheit entscheidet. Doch ihre Beliebtheitswerte sind weiterhin im Sturzflug, eine klare Mehrheit der Amerikaner gibt mittlerweile an, ihr nicht über den Weg zu trauen, sogar Mitglieder ihrer eigenen Partei. Also: Orangenes Haar im Oval Office, das ist nicht mehr nur der Stoff für Horrorfilme.