Bricht nun eine Ära der weiblichen Vernunft an? Hillary Clinton könnte die erste US-Präsidentin werden, eine der mächtigsten Frauen der Welt. Sie würde eintreten in den Club der politischen Powerfrauen, sich zu Angela Merkel und Theresa May gesellen. Medien und Kommentatoren übertreffen sich mit Prophezeiungen über eine von Frauen geführte Weltpolitik. Die Aufregung ist groß. Aber sollte sie das sein?
Natürlich wäre es eine Neuheit - eine Frau, die zum ersten mal in das Weiße Haus einzieht, und nicht als First Lady. Das würde zu Clinton passen. Das Attribut „als Frau“ kennt sie schon seit ihren Zwanzigern, als sie „als Frau“ in der Elite-Universität Yale glänzte, sich „als Frau“ und Juristin in Washington D.C. durchsetzte. An der Seite von Bill Clinton stach sie erneut heraus. Sie wollte Namen und Job behalten, das war den Bewohnern des Bundesstaats Arkansas, in dem ihr Mann Gouverneur wurde, wohl zu viel. Sie änderte ihr Image. Und in der 1990ern war eine First Lady, die auch Politik machte, ebenfalls nicht gerngesehen.
Doch auch im Jahr 2016 ist das Geschlecht von Clinton erneut ein Thema. Aber warum? Das Magazin „The Atlantic“ stellt fest: „Abgesehen von ihrem Geschlecht ist Hillary Clinton eine hochkonventionelle Präsidentschaftskandidatin.“ Und an Frauen an der politischen Spitze ist man seit Jahren eigentlich längst gewöhnt. Margaret Thatcher regierte bereits vor knapp 40 Jahren, nun haben die Briten mit Theresa May wieder eine weibliche Premierministerin. Angela Merkel (CDU) lenkt Deutschland seit mehr als zehn Jahren durch Finanz- und Flüchtlingskrisen. Und auch unter anderem in Polen, Südkorea, Norwegen und Chile sind Frauen an der Spitze.
„Tatsächlich hat die (mögliche) Wahl einer Frau an die Spitze des Landes keinen absoluten Neuigkeitswert mehr“, sagt Margreth Lünenborg von der Freien Universität Berlin. „Gleichwohl wird von den Medien immer wieder auf „das Besondere“ verwiesen - und es damit selbst hergestellt.“ Die Beschreibung „als Frau“ sei eine Simplifizierung, die der Vielfalt von Persönlichkeiten, Regierungsstilen und Kompetenzen niemals gerecht werden könne, erklärt Lünenborg. „Schwerlich würden Putin, Hollande und Schulz in einem Atemzug genannt werden, weil sie „als Mann“ Politik machen.“
Abgesehen von ihrem Geschlecht haben die großen Politikerinnen heutzutage aber nicht viel gemeinsam. Außer: Ihnen wird oft nachgesagt, sie seien hart oder emotionslos. Theresa May wurde bereits vor ihrem Amtsantritt von Medien mit der „Eisernen Lady“, Margaret Thatcher verglichen. Etwas, das vielen britischen Politikerinnen widerfährt.
An Clinton klebt das Image einer nicht authentischen und kalten Politikerin bereits seit langem - in diesem US-Wahlkampf spielt es eine besondere Rolle. US-Medien sowie Clinton-Unterstützer sprechen von ihrem „likeability“-Problem. Es sei schwer, sie zu mögen. „Der Spiegel“ und andere nannten jüngst Michelle Obama die „bessere Kandidatin“, weil sie habe, was Clinton fehlt: Emotionen.
Clinton selbst erklärte jüngst gegenüber dem Blog „Humans of New York“: „Ich weiß, dass ich als distanziert, kalt oder emotionslos wahrgenommen werden kann. Aber ich musste als junge Frau lernen, meine Gefühle zu kontrollieren. Und das ist ein Weg, der schwer zu gehen ist.“
Emotionalität, Wärme und Empathie werde von Medien besonders von Frauen in öffentlichen Positionen erwartet, sagt Lünenborg. Aber: „Werden Politikerinnen als machtvoll und erfolgreich beschrieben, so gelten sie als „unweiblich“, hart und gefühllos. Werden sie als „feminin“ dargestellt, so wird ihnen damit die Fähigkeit zur machtvollen Entscheidung abgesprochen.“
Ob Clintons Image ihr ultimativ zum Verhängnis geworden ist, wird sich am 8. November zeigen. Etliche Frauen haben sich aber auch dafür ausgesprochen, gerade wegen ihres Geschlechts für die 69-jährige Demokratin zu stimmen. Und ob sie im Falle eines Sieges als erste weibliche US-Präsidentin zusammen mit Merkel und May tatsächlich für die „Dämmerung einer weiblichen Weltordnung“ sorgen wird, wie bereits der britische „Express“ schrieb, müsste sich auch noch zeigen.