Die Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Treffen ernster Männer und (weniger) Frauen, die über ernste Themen sprechen, die Sicherheit dieser Welt etwa. Doch in einem verwinkelten Gang des Tagungshotels in München stand am vergangenen Samstag ein laut gestikulierendes Grüppchen beisammen, man diskutierte nicht Syrien, Russland oder den Sudan, es ging um eine TV-Serie. Genauer: um „Homeland“, jene legendäre US-Serie über eine bipolare CIA-Agentin, gespielt von Claire Danes. Die sechste Staffel läuft, darin berät Danes eine US-Präsidentin, die Ärger mit ihrem CIA-Chef hat. Also versuchen Danes und die Präsidentin diesen loszuwerden, durch gezielte Leaks.
„Schreibt Trump jetzt auch noch Drehbücher?“, rief jemand aus der Runde vergnügt. In der Tat stellt sich in diesen Tagen (mal wieder) die Frage, wie sehr sich Fiktion und Realität noch vermischen wollen. Wenige Tage vor der Münchner Konferenz hatte schließlich US-Präsident Donald Trump seinen sehr realen Krieg mit den Geheimdiensten ausgerufen und ihnen vorgehalten, „unamerikanisch“ zu handeln – weil sie die Information an die Medien durchgestochen hätten, dass Michael Flynn, Trumps Sicherheitsberater, vor Amtsantritt mit russischen Regierungsleuten sprach. Das ist nicht nur verboten, sondern auch brisant. Schließlich steht Russland im Verdacht, die US-Wahlen durch Hacks manipuliert zu haben.
Flynn musste längst gehen, Trump hat einen Nachfolger ernannt, aber der Skandal bleibt. Und der Furor von Trump unterstreicht, wie ernst dieser Kampf des Präsidenten gegen seinen Sicherheitsapparat ist. Hat er sich mit Gegnern angelegt, die er nicht mehr mit einem Tweet aushebeln kann?
Donald Trump im Portrait
Unternehmer, Entertainer, Schauspieler, Buchautor
14. Juni 1946
Zwilling
New York City
1,87 Meter
Verheiratet in dritter Ehe mit Melania Trump und insgesamt fünf Kinder.
„Make America Great Again“
Amerikas Präsident gegen Amerikas Sicherheitsbehörden, das ist ein ewiger Kampf. Schon Dwight D. Eisenhower stöhnte über den „militärisch-industriellen“ Komplex, der die USA im Griff halte. FBI-Chef J. Edgar Hoover erpresste gleich mehrere Präsidenten mit brisanten Informationen, der CIA wird verdächtigt, bei der Ermordung von John F. Kennedy seine Finger im Spiel gehabt zu haben. Das FBI leitete die Ermittlungen zum Einbruch im Watergate-Hotel, der schließlich Richard Nixon aus dem Amt kegelte.
Wiederholt sich Geschichte nun, erleben wir „Watergate 2.0“, wie das Trump in herzlicher Abneigung verbundene Hochglanzmagazin „Vanity Fair“ mutmaßt? Ein Präsident, der (auch) an den Schlapphüten aus dem eigenen Land scheitert? Oder ist Trump denen einfach noch hilfloser ausgeliefert als jeder seiner Vorgänger?
Denn FBI, CIA, NSA und rund ein Dutzend weiterer Organisationen, die das Land sicher halten sollen, haben sich dieses Land auch untertan gemacht. Die US-Sicherheitsbehörden waren schon immer mächtig, aber der „War on Terror“ nach den Anschlägen im Jahr 2001 hat sie noch viel mächtiger werden lassen. Zig Milliarden Dollar verschlingen ihre gesammelten Budgets jedes Jahr, sie wuchsen um satte Prozentzahlen seit 2001. Hunderttausende Agenten wurden vergangenes Jahrzehnt zusätzlich eingestellt, sage und schreibe 1,5 Millionen Amerikaner verfügen über eine Top Security Clearance, also Zugang zu Geheimnissen.
Sicherheitsrisiko: Trump
So geballt ist die Macht dieser Geheimniskrämer, dass sie sich vielleicht als Einzige in Washington keinen Moment lang einschüchtern ließen vom neuen Mann im Weißen Haus. Noch bevor der eingezogen war, erstellten die Geheimdienste einen verheerenden Bericht, die Präsidentschaftswahl sei ganz offensichtlich von den Russen gehackt worden, um Trump zum Sieg zu verhelfen. Kurz darauf sagte James Clapper, bis vor Kurzem Nationaler Geheimdienstdirektor, vor dem Senat aus, der neue Präsident verstünde anscheinend überhaupt nicht, wie sensibel Geheimdienstarbeit sein könne.
Gegen die Dienste kann aber ein noch so mächtiger Präsident schwer regieren. Schon kursieren US-Medienberichte, die Dienste hätten Trump als Sicherheitsrisiko eingestuft und hielten ihm gezielt Informationen vor – aus Furcht, diese könnten den Russen in die Hände fallen.
Stephen Hess, 83, arbeitet bei der Brookings Institution in Washington, er hat schon Eisenhower und Nixon beraten, kaum jemand in der US-Hauptstadt ist so vertraut mit den Anlaufschwierigkeiten einer neuen Regierung. Doch Hess wirkt erschüttert: „Der Konflikt zwischen Trump und den Geheimdiensten hat eine nie da gewesene Dimension angenommen.“ Erklärten die Dienste das Weiße Haus wirklich zu einem Sicherheitsrisiko, „kann ich nicht sehen, wie dessen Parteifreunde im Kongress weiter hinter ihm stehen können“, so der Brookings-Experte. „Da kommt ein Sturm auf uns zu.“
Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet
Am 20. Januar soll Donald Trump sein Amt als 45. Präsident der USA antreten. Das sind die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und Sorgen wichtiger Länder und Gemeinschaften.
Quelle: dpa
Eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel und den islamistischen Terrorismus, ein gemeinsamer Kurs in der Sanktionspolitik gegenüber Russland sowie eine Fortsetzung der Verhandlungen über das Handelsabkommen TTIP: Was sich die Europäische Union vom neuen US-Präsidenten erhofft, bekam Trump bereits kurz nach seiner Wahl in einem Brief aus Brüssel übermittelt. Nicht offen wird dagegen über die Sorgen gesprochen. Hinter vorgehaltener Hand befürchten EU-Spitzenpolitiker, dass die Erwartungen Europas den neuen US-Präsidenten nicht wirklich interessieren. Folge könnte eine deutliche Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen sein.
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deshalb hofft Russland, dass Trump sein Versprechen wahr macht und die Beziehungen wieder verbessert. Die Zeichen stehen auf ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz nach Amtsantritt. Weil der Republikaner das Engagement der USA im Rest der Welt verringern will, geht Russland davon aus, mehr Spielraum zu bekommen. Trump sieht Nato und EU kritisch, er will den islamistischen Terror stärker bekämpfen - beides passt zur Moskauer Position. Allerdings haben die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe massiv den Verdacht geschürt, dass Moskau sich in US-Politik einmischen könnte. Trump und Putin müssen bei jeder Annäherung mit großem öffentlichem Misstrauen rechnen.
Die Mexikaner machen sich für die Ära Trump auf das Schlimmste gefasst. Der künftige US-Präsident hatte die Nachbarn im Süden mehrfach als Drogenhändler und Vergewaltiger diffamiert. Um die illegale Einreise von Migranten zu verhindern, will Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten. Außerdem hat er angekündigt, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) neu zu verhandeln oder sogar aufzukündigen. Die mexikanische Wirtschaft hängt stark vom Handel mit den USA ab. Der Autokonzern Ford beerdigte bereits Investitionspläne in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar in Mexiko - offenbar aus Angst vor Trump. US-Unternehmen, die billig im Nachbarland produzieren, hatte er mit hohen Strafzöllen gedroht.
Den ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften drohen unter Trump schwere Spannungen, die auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen könnten. Der neue US-Präsident holte China-Kritiker in sein Team, die eine härtere Gangart gegen Peking erwarten lassen. Die kommunistische Führung fürchtet eine Neuausrichtung der US-Beziehungen zu Taiwan, das Peking nur als abtrünnige Provinz behandelt. Mit einer Eskalation wird auch im Handel gerechnet, falls Trump seine Drohung mit Strafzöllen wahr machen sollte. Das Verhältnis wird zudem dadurch bestimmt, wie beide mit den Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer umgehen.
Für den Iran ist es in erster Linie wichtig, was aus dem Atomabkommen wird. Obwohl auch die USA den Deal von 2015 mit ratifiziert hatten, drohte Trump bereits mehrmals mit einem Ausstieg. Präsident Hassan Ruhani bezeichnete das multilaterale Abkommen als unantastbar. Auch eine Nachverhandlung kommt für Teheran nicht infrage. Falls Trump sich nicht an den Deal halten sollte, werde auch Teheran angemessen reagieren, warnte Ruhani. Andererseits hofft der Iran auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der neuen US-Regierung und Moskau. Als enger Verbündeter Russlands könnte davon auch Teheran, besonders im Syrien-Konflikt, außenpolitisch profitieren.
Israel zählt schon die Tage bis zum Amtsantritt von Trump. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwartet nach dem eher schwierigen Verhältnis zu Präsident Barack Obama ein Umschwenken in der Israelpolitik der USA. Dazu gehört der Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Trump kündigte mehrfach an, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Beim Ausbau der Siedlungen im Westjordanland hoffen die ultrarechten Kräfte in der Regierung auf mehr Bewegungsfreiheit, nachdem die USA zuletzt eine siedlungskritische UN-Resolution passieren ließen. Einige fordern, das Westjordanland zumindest teilweise zu annektieren.
Diesen Sturm will etwa Jerrold Nadler nur zu gerne weiter anfachen. Seit 1992 sitzt der New Yorker im US-Repräsentantenhaus, er ist Mitglied im Justizausschuss, der eher selten im Brennpunkt steht. Doch Demokrat Nadler gilt als kampflustig, er tat sich etwa in den Diskussionen um die Kriege in Afghanistan und Irak hervor. Nun hat Nadler seinen Kleinkrieg gegen Trump begonnen – per offiziellem Gesuch bei Justizminister Jeff Sessions, dieser solle dem Kongress alle Informationen zu möglichen Interessenkonflikten und Kontakten der Trump-Leute zur russischen Regierung in den Wochen und Monaten vor der Präsidentschaftswahl zukommen lassen. „Amerika darf schließlich nicht von Moskau erpressbar sein“, sagt Nadler.
Bislang schweigt Sessions, der von Trump nominiert wurde und erst seit wenigen Wochen im Amt ist. Aber Nadler will weiter nerven. Bekomme er bis Anfang März keine Antwort, sagt er, werde er seine Anfrage vor den Justizausschuss bringen. Nadler will erreichen, dass Trump widerfährt, was Vorgänger Bill Clinton einst beinahe aus dem Amt fegte, allerdings erst nach mehreren Jahren im Amt und einer Affäre mit einer Praktikantin – die Nemesis eines präsidialen Sonderermittlers.
Der dürfte sich dann durch Akten wühlen, Zeugen vorladen, vielleicht gar den Präsidenten. Und wer weiß schon, was es noch zu entdecken gibt? Wie eng waren die Russlandverbindungen von Trump wirklich, was ist mit jener bislang nur kolportierten Recherche eines Geheimdienstexperten über angebliche Orgien von Trump in Moskauer Hotelzimmern? Wie peinlich – und zugleich bedrohlich – kann es noch werden?
Ein Phantom soll aufräumen
Doch auch Trump hat sich Unterstützung geholt. Die Angriffe der Geheimdienste auf seine Präsidentschaft soll für ihn ein Phantom abwehren: Stephen Feinberg. Der Großinvestor aus Manhattan – Chef von Cerberus Capital Management – hat von Trump den Auftrag erhalten, den US-Geheimdienstapparat einer gründlichen Prüfung zu unterziehen – und ihn notfalls zurechtzustutzen. Details sind bislang nicht bekannt. Doch klar ist, dass das Weiße Haus mehr Kontrolle und weniger Gegenwind will.
Eine Provokation in vielfacher Hinsicht. Feinberg verfügt über keinerlei Geheimdiensterfahrung, abgesehen von seiner – lukrativen – Erfahrung als Anleger. Feinbergs Firma, mehr als 30 Milliarden Dollar schwer, interessierte sich einst für den Kauf der privaten Sicherheits- und Söldnerfirma Blackwater. Als der Deal scheiterte, kaufte die Investmentgesellschaft DynCorp. Das Sicherheitsunternehmen wartet US-Militärgerät, bildet aber auch Polizisten und Soldaten in Irak oder Afghanistan aus. Nahezu alle Aufträge stammen vom Bund.
Feinberg hat aber nicht nur im Geheimen verdient, er ist auch ein professioneller Geheimniskrämer. Die Öffentlichkeit meidet der Milliardär konsequent, es existiert kaum eine Handvoll Fotos von ihm. Sie zeigen einen dürren 56-Jährigen mit markantem Schnäuzer und den lichten blonden Haaren. Interviewanfragen lehnt Feinberg seit über zehn Jahren kategorisch ab. Seinen Cerberus-Mitarbeitern drohte er intern, die Presse zu meiden. Ansonsten würden sie nicht nur entlassen, sondern „getötet“.
Die Wahlversprechen Donald Trumps
- Schaffung von 25 Millionen Jobs in der ersten Amtszeit
- Bau einer Mauer auf der kompletten Grenze zu Mexiko, für die Mexiko bezahlt
- Abschiebung von zwei Millionen illegalen Immigranten
- „Extreme Überprüfung“ aller Einreisenden
- Einstellung von Visa an Angehörige von Staaten, die „kriminelle illegale Einwanderer“ nicht „zurücknehmen“
- Verschärfung der Visa-Regeln
- Die Gesundheitsversicherung Obamacare soll abgeschafft und ersetzt werden
- Das Handelsabkommen Nafta soll neu verhandelt werden
- Rückzug aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP
- Auswahl eines Richters von einer Vorschlagsliste mit 20 Namen
- Für jede neue Regulierung sollen zwei alte abgeschafft werden
- Reduzierung der Steuerklassen von sieben auf drei
- Runterfahren der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent
- Aufhebung der „Begrenzungen“ für Jobs in der Energiebranche
- Wiederbelebung gestoppter Energie-Infrastrukturprojekte wie der Keystone-Pipeline
- Einstellung der Zahlungen an UN-Klimaprogramme
- Strafzölle für Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlegen
- Ausweitung des Militäretats
- Die US-Wirtschaft soll um vier Prozent wachsen
Wenig überraschend laufen Gesprächsanfragen bei Cerberus in Manhattan genauso ins Leere wie beim deutschen Ableger in Frankfurt. Dafür spricht einer, der einige Jahre in New York eng mit Feinberg gearbeitet hat. „Er ist eine komplizierte Persönlichkeit“, so der Investmentbanker, der heute in Europa arbeitet. Ein Zahlenmensch, der ohne Skrupel vorgehe. „In dem Unternehmen herrscht ein großer Konkurrenzkampf. Wer nicht liefert, wird abserviert.“
Feinberg möge sachlich und ruhig, fast schüchtern wirken, sagt der Exmitarbeiter, doch: „Er denkt wie Trump in einem klaren Freund-Feind-Schema.“ Sobald jemand Feinberg verärgere, werde dieser zu einem anderen Menschen.
Diese Seite dürften Geheimdienstmitarbeiter zu spüren bekommen, wenn Feinberg wohl angeht, was er am besten kann: Budgets kürzen und Stellen streichen. Wer den Kampf zwischen den sagenumwobenen US-Geheimdiensten und dem sagenhaft unverschämten Trump gewinnt, ist noch völlig offen. Ebenso wie die Frage, ob es überhaupt einen Gewinner geben kann. Glenn Greenwald, Vertrauter von NSA-Whisteblower Edward Snowden und erfahren in Amerikas Schattenwelt, mag sich in der Frage nicht entscheiden. „Die Trump-Präsidentschaft ist gefährlich“, sagt er. „Aber der Missbrauch von Geheimdienstkapazitäten, um eine gewählte Regierung zu sabotieren, ist ebenfalls gefährlich.“
Um in der Sprache zu bleiben, die Geschäftsmann Trump so schätzt: Es droht den USA, und vielleicht der Welt, eine Lose-lose-Situation.