CDU am Wahlsonntag Frust: Ja. Kanzlerinnensturz: Nein

Bei den Christdemokraten wird es nach den Wahlverlusten in drei Ländern kräftig rumpeln. Aber einen Putsch muss Angela Merkel nicht fürchten. Ihr Generalsekretär schließt einen Schwenk in der Flüchtlingspolitik aus.

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Jubel und Tränen bei den Wahlpartys
Die Grünen, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
CDU, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
SPD, Baden-Württemberg Quelle: AP
AfD, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
SPD, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance
CDU, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance
AfD, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance

Zur Erinnerung: Im Bundestag gab es noch kein Votum über den Flüchtlingskurs von Kanzlerin Angela Merkel. Also avancierten diese drei Landtagswahlen auch parteiintern zu jener Abstimmung, die Merkel bislang vermieden hat. Immerhin hat in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt insgesamt jeder fünfte Bürger seine Stimme abgeben können.  

Das Ergebnis ist ernüchternd: In Baden-Württemberg hat die einst so dominante CDU zweistellig verloren und ist unter 30 Prozent gerutscht. In Rheinland-Pfalz fiel Partei-Hoffnungsträgerin Julia Klöckner von mehr als 40 Prozent in den Umfragen in wenigen Monaten auf gut 32 Prozent und den zweiten Platz hinter die SPD.

In Sachsen-Anhalt, wo sich Ministerpräsident Reiner Haseloff als erster CDU-Regierungschef vom Merkel-Kurs absetzte und Obergrenzen für Flüchtlinge forderte, blieb die Union zwar knapp über 30 Prozent. Direkt dahinter folgt allerdings die rechtspopulistische AfD als zweitstärkste Kraft, und nur eine Dreier-Koalition scheint realistisch.

In der Berliner Parteizentrale der CDU fielen die Reaktionen betreten aus. Nur Generalsekretär Peter Tauber trat kurz auf. Er gratulierte den Wahlgewinnern in Stuttgart  und Mainz und erklärte, seine Partei wolle an stabilen Mehrheiten mitarbeiten. Zu Koalitionen, bei denen die CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nur Juniorpartner wäre, wollte Tauber sich nicht äußern. Auf die Frage, ob die Kanzlerin nun ihren Flüchtlingskurs ändern werde, antwortete er knapp: „ Das sehe ich nicht.“

Es dürfte gehörig rumpeln in der CDU, eine offene Abrechnung mit Merkel wird es aber wohl nicht geben. Sie eifert nicht ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD), der nach der verlorenen Landtagswahl in NRW im Jahr 2005 Neuwahlen im Bund ausrief. Vor allem wissen die Merkel-Gegner, dass es in der Partei niemanden gibt, mit dem die Partei im Bund in absehbarer Zeit besser abschneiden könnte. Das wird die Kanzlerin in der CDU an der Macht halten.

Im Streit mit ihren parteiinternen Kritikern kommt Merkel auch zugute, dass der Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Guido Wolf, kaum überzeugte. In der eigenen Partei fragten sich manche angesichts seiner altbackenen Kampagne, von wem sich der misstrauische Wolf beraten ließ. Wer von den CDU-Anhängern die Merkelsche Linie ablehnte,  blieb nicht bei Wolf, sondern ging zur AfD. Wer Merkels Politik unterstützte, fühlte sich beim grün-konservativen Kanzlerinnen -Versteher Winfried Kretschmann besser aufgehoben.

 

Klöckner ließ ihre Rolle in der Landespolitik offen

Jetzt ist eine grün-schwarze Koalition eine Möglichkeit  in Stuttgart. Im der CDU hofften manche am Wahlabend, dass vielleicht eine Dreier-Konstellation gegen die Grünen und mit einem CDU-Ministerpräsident noch gelingen könne: die so genannte Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP. Doch Wolf trauen sie dieses Verhandlungsgeschick nicht unbedingt zu.

Reaktionen aus den Ländern
Björn Höcke, AfD Quelle: REUTERS
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner: Quelle: dpa
Ralf Stegner, SPDSPD-Vize Ralf Stegner erwartet ungeachtet des schwachen Abschneidens bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt keine Diskussion über Parteichef Sigmar Gabriel. "Nein, kein Stück", sagte Stegner am Sonntag in der ARD. "Wir werden jetzt gemeinsam schauen, dass wir jetzt die nächsten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gut machen und im nächsten Jahr im Bund. Und der Rückenwind aus Mainz wird uns dabei helfen." In Rheinland-Pfalz sind die Sozialdemokraten stärkste Partei geworden. Zum Erfolg der rechtspopulistischen AfD sagte Stegner: "Die AfD hat mit Angstmacherei Punkte gemacht. Wir rücken nicht nach rechts." Quelle: dpa
Alexander Gauland, AfD Quelle: dpa
Sigmar Gabriel, SPD Quelle: REUTERS
Frauke Petry, AfD Quelle: AP
Katrin Budde, SPD Quelle: REUTERS

Größer ist in der CDU der Schock über die Niederlage in Rheinland-Pfalz. Für die 43-jährige Spitzenfrau Julia Klöckner ist es bereits der zweite gescheiterte Versuch, Regierungschefin im Land zwischen Rhein, Mosel und Nahe zu werden. Klöckner war das einzige Zugpferd im CDU-Landesverband. Nun ist ihr Nimbus beschädigt. Das liegt nicht nur am Rumoren in der gesamten CDU angesichts von Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hätte in der direkten Abstimmung  gegen Julia Klöckner immer beim Wahlvolk gewonnen.

 

Am Wahlabend ließ Klöckner ihre künftige Rolle offen, sie sagte aber: „Es muss eine stabile Regierung gebildet werden." Das würde für ein Bündnis aus SPD und CDU sprechen.

So viel Geld bekommen Flüchtlinge in den europäischen Ländern

Klöckners Wankelmütigkeit - mal für die Kanzlerin, mal gegen ihren Kurs - wurde nicht belohnt. Auch die Kampagne der rot-grünen Regierung zeigte Wirkung, die gezielt Klöckner angriff. Mal wurde Klöckner als unpatriotische Miesmacherin, mal als Populistin hingestellt. Die 43jährige strahlt allerdings auch etwas aus, das den Vorwurf verfangen lässt, es mangle ihr an Haltung und Authentizität. Sie kann mit allen, aber hinterlässt den Eindruck, jemanden nur nett zu behandeln, um ihn sich vom Leib zu halten.

 

Recht unübersichtlich ist die Lage für die CDU in Sachsen-Anhalt. Es gab keinen Wechselwunsch unter den Wähler, aber viel aufgestauten Frust über „die da oben“. In Sachsen-Anhalt scheint  Unzufriedenheit zur Lebenshaltung  geworden zu sein. Ministerpräsident Reiner Haseloff erreichte rund 30 Prozent, allerdings wurde die rechtspopulistische AfD zweitstärkste  Kraft. Die bisherige Koalition aus Union und SPD schafft wohl keine Mehrheit. Haseloff könnte mit den Sozialdemokraten und zusätzlich vielleicht den Grünen oder der FDP weiterregieren. Doch diese müssen erst über die Fünf-Prozent-Hürde gelangen. Der Ministerpräsident gab sich denn auch vorsichtig: „Wir haben einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung und den werden wir auch wahrnehmen." Offen ließ er, wen er dafür gewinnen wolle.

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