Landtagswahlen Kollektive Angst vor der Niedersachsen-Wahl

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Sieger oder Sieger


Für Angela Merkel geht es um die Bestätigung ihres linken Öffnungskurses. Quelle: dpa

Die mächtigste Frau der Welt (laut US-Magazin „Forbes“) braucht die Wahl in der niedersächsischen Provinz am wenigsten zu fürchten. Stark steht die CDU da, mit rund 40 Prozent in den Umfragen. Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte das Landtagsvotum keinerlei persönlichen Kratzer hinterlassen, egal, ob die CDU weiterhin den niedersächsischen Ministerpräsidenten stellt oder nicht.

Im Gegenteil, die Niedersachsen-Wahl dürfte Merkel sogar stärken. Denn das zu erwartende Ergebnis bestätigt den Öffnungskurs der CDU-Vorsitzenden nach links, hin zu den berühmt-berüchtigten „Großstadtwählern“. Viele konservativ-christliche Grundpfeiler hat Merkel in den vergangenen drei Jahren gelockert. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht, dem Ausstieg bei der Atomenergie, der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik und den ebenfalls umstrittenen Themen Kita-Ausbau, Betreuungsgeld oder Zusatzrente mutet Merkel vielen Unions-Anhängern vieles zu. Die Niedersachsen-Wahl ist nun der Testlauf, und es scheint, als wenn die neue Merkel-CDU für bürgerlich-konservative Wähler alternativlos ist.

Wahlversprechen, und was daraus wurde
1988: „Eins ist sicher: die Rente“ (CDU) Noch im Sommer forderte Bundessozialministerin Ursula von der Leyen, eine Zuschussrente einzuführen. Das soll die Armut im Alter verhindern, die viele Deutsche fürchten. Denn die staatliche Rente allein reicht längst nicht mehr. Schon 2001 führte die Bundesregierung mit der Riester-Rente eine zusätzliche Vorsorge-Möglichkeit ein. 1988 klangen noch andere Töne: Einen abgesicherten Lebensabend versprach damals CDU-Sozialminister Norbert Blüm im Wahlkampf. Mit dem Spruch „Eins ist sicher: die Rente“ hatte die CDU für sich geworben. Quelle: AP
1990: CDU will Aufbau Ost aus der Porto-Kasse zahlen„Blühende Landschaften“ versprach Kanzler Helmut Kohl 1990 in den neuen Bundesländern. Dafür hatte er vor der Bundestagswahl ausgeschlossen und wollte die Wiedervereinigung „aus der Portokasse“ finanzieren. Stattdessen kam der Solidaritätszuschlag. Dieser sollte aber nicht lange bleiben. 1996 versprach Kohl: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ Heute gibt es ihn immer noch. Quelle: dapd
2005: SPD schließt eine höhere Mehrwertsteuer ausFranz Müntefering fand es 2005 als Vizekanzler „unfair“, dass die Regierung „an dem gemessen wird, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist“. Seine SPD hatte im damaligen Wahlkampf gesagt, dass es mit ihre keine höhere Mehrwertsteuer geben würde. Die CDU hatte sich für eine Erhöhung um zwei Prozentpunkte eingesetzt. Schließlich wurden es drei Prozentpunkte – mit der SPD als Koalitionspartner. Quelle: dpa/dpaweb
2005: CDU will erst raus aus dem Atomausstieg - und dann doch nichtSchon im Wahlkampf 2005 stellt die CDU den unter der SPD beschlossenen Atomausstieg in Frage. Raus aus dem Ausstieg wagt sie sich jedoch erst 2010 in einer Koalition mit der FDP. Lange fest hält sie daran nicht. Kanzlerin Angela Merkel änderte ihre Haltung ein knappes Jahr später nach der Atom-Katastrophe von Fukushima. Im Juni 2011 beschlossen Bundestag und Bundesrat, die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke und das Kraftwerk Krümmel sofort stillzulegen sind. Die restlichen deutschen Kernkraftwerke sollen bis 2022 abgeschaltet werden. Quelle: AP
2008: Hessens SPD will erst ohne, dann mit der LinkenRoland Koch als hessischen Ministerpräsidenten zu Fall bringen: Das war 2008 das Ziel von SPD-Spitzenkandiidatin Andrea Ypsilanti im hessischen Wahlkampf. Dafür wollte sie sogar ihr Wahlversprechen brechen, keine Koalition mit der Linken einzugehen. „Wir werden uns nicht einmal von ihr tolerieren lassen. Auch nach dem Wahlabend nicht, garantiert!“ Das waren Ypsilantis Worte vor der Wahl gewesen. Als sie sich nach der Wahl doch von der Linken tolerieren lassen wollte, ließ sie nach heftigem Widerstand von ihrem Vorhaben ab und trat zurück. Quelle: dpa
2009: CDU und FDP wollten das Kindergeld auf 200 Euro erhöhen200 Euro Kindergeld versprach die FDP vor der Bundestagswahl 2009. Die Koalition mit der CDU einigte sich sogar auf diese Erhöhung – geschehen ist seit dem nichts: Der Kindergeld-Satz liegt derzeit bei 184 Euro für das erste und zweite Kind, sowie 190 Euro für das dritte Kind. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung von November 2012 können Eltern immerhin auf eine Erhöhung von zwei Euro bis spätestens 2014 rechnen. Quelle: AP
2009: CDU will Eingangssteuersatz senkenZum Jahresbeginn2013 dürfen sich die Steuerzahler über eine Erleichterungen freuen. Der Grundfreibetrag steigt ab jetzt schrittweise bis 2014 von 8.004 auf 8.354 Euro. Der Eingangssteuersatz bleibt jedoch gleich. Dabei hatte die CDU im Wahlkampf 2009 versprochen, ihn in zwei Schritten von 14 auf zwölf Prozent zu senken. Quelle: dpa

Auch David McAllister wird die Wahl am 20. Januar unbeschadet überstehen. Was kann der CDU-Landeschef schließlich dafür, wenn er das Amt des Ministerpräsidenten verlieren sollte? Schuld wäre der schwindsüchtige Juniorpartner FDP. Der Wulff-Nachfolger ist zwischen Harz und Nordsee beliebt, echte Fehler sind ihm bisher nicht nachgewiesen. Folglich hat der 42-Jährige beste Zukunftsaussichten in der Politik, selbst wenn er jetzt den Posten als Ministerpräsident räumen müsste.

Da ministrabler Nachwuchs bei der CDU rar geworden ist, könnte McAllister nach einigen Monaten Schamfrist im niedersächsischen Landtag nach Berlin wechseln. Dort böte sich zum Beispiel der Posten eines Bundesbildungsministers an. Amtsinhaberin Annette Schavan ist durch die Plagiatsvorwürfe bei ihrer Doktorarbeit angezählt und könnte – so wie sie sich beim jüngsten CDU-Parteitag nicht mehr als Parteivize zur Verfügung stellte – spätestens nach der Bundestagswahl auch auf ihren Ministerposten verzichten. Dazu passt, dass sich McAllister intensiv um die Bildungspolitik kümmert; vorige Woche erst beschlossen Niedersachsen, Bayern und Sachsen einen Staatsvertrag zur Harmonisierung der Schulpolitik, um Familien mit schulpflichtigen Kindern den Umzug über Ländergrenzen zu erleichtern.

Keine Wechselstimmung

Vielleicht reicht es aber am nächsten Wochenende doch noch für Schwarz-Gelb. In jüngsten Umfragen legte die FDP auf fünf Prozent zu. „Das bürgerliche Lager wächst wieder“, frohlockt der CDU-Wirtschaftspolitiker Josef Schlarmann. Im Übrigen spürt der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) „keine Wechselstimmung“ in Niedersachsen.

Die gibt es auch nicht auf Bundesebene. Im Gegenteil, Bundeskanzlerin Merkel führt die Beliebtheitslisten der Politiker mit großem Abstand an. Gäbe es in Deutschland eine Direktwahl des Regierungschefs, Merkel würde wiedergewählt. Lediglich eine dramatische Verschärfung der Euro-Krise mit milliardenschweren Zahlungen aus dem Bundeshaushalt könnte noch dazwischenkommen.

Wissenswertes über Niedersachsen

Am Ende hängt Merkels Kanzler-Schicksal von der Stärke respektive Schwäche der anderen Parteien im nächsten Bundestag ab, und dafür stellt die Niedersachsen-Wahl wichtige Weichen. Zieht die FDP nach der Landtagswahl endlich die Konsequenzen und löst ihr Personalproblem, damit Schwarz-Gelb auf Bundesebene eine neue Perspektive bekommt? Und geraten SPD und Grüne in so schweres Fahrwasser, dass sie in Berlin bestenfalls als Juniorpartner der Union mitregieren dürfen?

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