Die mächtigste Frau der Welt (laut US-Magazin „Forbes“) braucht die Wahl in der niedersächsischen Provinz am wenigsten zu fürchten. Stark steht die CDU da, mit rund 40 Prozent in den Umfragen. Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte das Landtagsvotum keinerlei persönlichen Kratzer hinterlassen, egal, ob die CDU weiterhin den niedersächsischen Ministerpräsidenten stellt oder nicht.
Im Gegenteil, die Niedersachsen-Wahl dürfte Merkel sogar stärken. Denn das zu erwartende Ergebnis bestätigt den Öffnungskurs der CDU-Vorsitzenden nach links, hin zu den berühmt-berüchtigten „Großstadtwählern“. Viele konservativ-christliche Grundpfeiler hat Merkel in den vergangenen drei Jahren gelockert. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht, dem Ausstieg bei der Atomenergie, der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik und den ebenfalls umstrittenen Themen Kita-Ausbau, Betreuungsgeld oder Zusatzrente mutet Merkel vielen Unions-Anhängern vieles zu. Die Niedersachsen-Wahl ist nun der Testlauf, und es scheint, als wenn die neue Merkel-CDU für bürgerlich-konservative Wähler alternativlos ist.
Auch David McAllister wird die Wahl am 20. Januar unbeschadet überstehen. Was kann der CDU-Landeschef schließlich dafür, wenn er das Amt des Ministerpräsidenten verlieren sollte? Schuld wäre der schwindsüchtige Juniorpartner FDP. Der Wulff-Nachfolger ist zwischen Harz und Nordsee beliebt, echte Fehler sind ihm bisher nicht nachgewiesen. Folglich hat der 42-Jährige beste Zukunftsaussichten in der Politik, selbst wenn er jetzt den Posten als Ministerpräsident räumen müsste.
Da ministrabler Nachwuchs bei der CDU rar geworden ist, könnte McAllister nach einigen Monaten Schamfrist im niedersächsischen Landtag nach Berlin wechseln. Dort böte sich zum Beispiel der Posten eines Bundesbildungsministers an. Amtsinhaberin Annette Schavan ist durch die Plagiatsvorwürfe bei ihrer Doktorarbeit angezählt und könnte – so wie sie sich beim jüngsten CDU-Parteitag nicht mehr als Parteivize zur Verfügung stellte – spätestens nach der Bundestagswahl auch auf ihren Ministerposten verzichten. Dazu passt, dass sich McAllister intensiv um die Bildungspolitik kümmert; vorige Woche erst beschlossen Niedersachsen, Bayern und Sachsen einen Staatsvertrag zur Harmonisierung der Schulpolitik, um Familien mit schulpflichtigen Kindern den Umzug über Ländergrenzen zu erleichtern.
Keine Wechselstimmung
Vielleicht reicht es aber am nächsten Wochenende doch noch für Schwarz-Gelb. In jüngsten Umfragen legte die FDP auf fünf Prozent zu. „Das bürgerliche Lager wächst wieder“, frohlockt der CDU-Wirtschaftspolitiker Josef Schlarmann. Im Übrigen spürt der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) „keine Wechselstimmung“ in Niedersachsen.
Die gibt es auch nicht auf Bundesebene. Im Gegenteil, Bundeskanzlerin Merkel führt die Beliebtheitslisten der Politiker mit großem Abstand an. Gäbe es in Deutschland eine Direktwahl des Regierungschefs, Merkel würde wiedergewählt. Lediglich eine dramatische Verschärfung der Euro-Krise mit milliardenschweren Zahlungen aus dem Bundeshaushalt könnte noch dazwischenkommen.
Wissenswertes über Niedersachsen
Das größte Unternehmen in Niedersachsen ist Volkswagen. Alleine in den Werken in Wolfsburg (51.594 Beschäftigte), Hannover (12.604 Beschäftigte), Braunschweig (5.799 Beschäftigte) und Emden (7.604 Beschäftigte) arbeiten über 75.000 Niedersachsen. Weitere große Unternehmen und Arbeitgeber sind Continental und TUI.
Die Fläche von Niedersachsen beträgt 47.634,90 Km². Damit ist das Bundesland nach Bayern das zweitgrößte in der Bundesrepublik. 82 Prozent der Fläche bestehen aus Landwirtschafts- und Waldflächen.
Niedersachsen ist das Bundesland mit den meisten deutschen Nachbarländern. Angrenzende Länder sind: Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, , Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen.
Ein regelmäßiger Streitpunkt ist übrigens die Grenze zwischen Niedersachsen und den Niederlanden. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie im Bereich der Ems-Mündung nie genau festgelegt. Zwar einigte man sich auf eine grundsätzlich gute Zusammenarbeit, aber etwa beim Bau von Offshore-Parks kommt es oftmals zu Differenzen.
Niedersachsen verfügt über die größten Erdgasvorkommen in Deutschland. 95 Prozent der Erdgasförderung entfallen auf das Bundesland. Zudem ist Niedersachsen führend beim Abbau von Torf, Kies und Sand.
In Niedersachsen leben rund acht Millionen Schweine, das sind etwa genau so viele wie menschliche Einwohner. Die Nutztierhaltung sorgt vielerorts für ordentliche Einkommen, sorgt aber auch dafür, dass die Böden stark belastet sind und im Grundwasser zu viel Gülle ist.
Logisch, die Amtssprache in Niedersachsen ist Deutsch, aber wegen einem Eintrag in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sind auch Saterfriesisch und Niederdeutsch zum Amtsgebrauch zugelassen.
Deutschlandweit wurden nur fünf Minderheitssprachen (u.a. Saterfriesisch) und eine Regionalsprache (Niederdeutsch) als schützenswert empfunden.
In Niedersachsen leben etwa 7,922 Millionen Menschen (Stand 31. Juli 2012). Damit kommt das Land auf eine Bevölkerungsdichte von 166 Einwohnern pro Km² (Durchschnitt in Deutschland 229 Bewohner pro Km²). Nach Einwohnern ist Niedersachsen das viertgrößte Bundesland.
Am Ende hängt Merkels Kanzler-Schicksal von der Stärke respektive Schwäche der anderen Parteien im nächsten Bundestag ab, und dafür stellt die Niedersachsen-Wahl wichtige Weichen. Zieht die FDP nach der Landtagswahl endlich die Konsequenzen und löst ihr Personalproblem, damit Schwarz-Gelb auf Bundesebene eine neue Perspektive bekommt? Und geraten SPD und Grüne in so schweres Fahrwasser, dass sie in Berlin bestenfalls als Juniorpartner der Union mitregieren dürfen?