Abgesehen davon werfen die Mindestrenten mit jeder vermeintlich gelösten Gerechtigkeitsfrage gleich eine neue auf: Fände Jürgen Trittin es fair, der alleinerziehenden Mutter mit 29 Versicherungsjahren die grüne Garantierente zu verweigern? Oder was sagt Sigmar Gabriel dem Schichtarbeiter, der die Kriterien der Solidarrente ganz knapp nicht erfüllt? Der Kampf für sozialen Ausgleich endet in Willkür.
Das Fürsorgenetz mit den Mitteln der Versicherungskasse enger zu spannen, in der Ansprüche nach Leistung erworben werden, ist problematisch – trotz guter Absichten. Wer Grundsicherung erhält, muss sich beim Sozialamt einer Bedürftigkeitsprüfung unterziehen. Das heißt: Hartz IV erhält nur, wer keinen begüterten Partner hat. Noch nicht so klar hingegen ist, was mit allen zukünftigen Aufstockrentnern passieren würde: Bekommt die Sozialleistung einfach jeder, der die Zugangshürden überspringt – oder auch hier nur der wirklich Bedürftige?
Bei der Solidarrente soll eine Bedarfsprüfung zumindest für einen Teil der Fälle stattfinden, bei der Lebensleistungsrente immer. Die Grünen wollen zuerst eine Art Splitting anwenden: Bei zukünftigen Ehepaaren und Lebenspartnerschaften sollen die Rentenansprüche beider zusammengerechnet und später halbiert werden. Erst danach ist klar, ob die Garantierente fließt.
Wer darf - und wer nicht?
Die Rentenversicherung – das hat die Verwaltung dem Bundessozialministerium bereits schriftlich gegeben – will mit den Aufgaben der Jobcenter und Kommunen jedenfalls rein gar nichts zu tun haben. Zu Recht, findet Ökonom Raffelhüschen: „Soll die Rentenversicherung in Zukunft durchleuchten, ob die 600 Euro der Zahnarztgattin aufgestockt werden dürfen oder nicht? Eine solche Bedarfsprüfung darf die Rentenkasse gar nicht machen.“ Die Ironie der Geschichte: Dann müssten die potenziellen Lebensleistungsrentner zur Offenlegung der Finanzen doch wieder zum Sozialamt. Genau diesen Gang wollten die Wohltäter doch vermeiden.
Von solchen Details hängt die Rechnung ab, die den Steuerzahlern am Ende präsentiert würde. 2,6 Milliarden Euro pro Jahr soll das Lebensleistungsmodell laut Sozialministerium ab 2030 kosten. Die SPD-Solidarrente beläuft sich nach Aussage von Sigmar Gabriel beim selben Zieldatum auf 3,2 bis 10 Milliarden.
Die Grünen taxieren ihre Garantierente auf rund fünf Milliarden Euro. In Regierungskreisen kursieren für die Oppositionspläne noch andere Kalkulationen, naturgemäß nicht ganz so wohlwollend gerechnet: Demnach könnte die Solidarrente eher mit 10 bis 15 Milliarden Euro zu Buche schlagen und die Garantierente mit fünf bis sieben Milliarden.
Mittel, die in jedem Fall aus dem angespannten Haushalt zugebuttert werden müssten – also aus Steuern. Für den Rentenfachmann Börsch-Supan eine fürchterliche Vorstellung: „Wenn die Politiker dringend Geld ausgeben möchten, dann sollten sie es unbedingt in Bildung, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und bessere Kinderbetreuung stecken.“ Das würde der Rentenkasse auf lange Sicht am besten helfen.
Aber auf lange Sicht ist im Wahljahr nun wirklich keine Kategorie.