Schröder bei Rosneft Das fossile Imperium schlägt zurück

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Abschied von fossilen Energien erhöht Energieversorgungssicherheit

Doch so viel ist klar: Die Energieversorgung ist sicher, auch ohne Rosneft und ohne Gerhard Schröder. Nicht die Welt geht unter, sondern nur die eigene Macht.

Derzeit bezieht Deutschland etwa ein Viertel seiner Ölimporte und ein Drittel seiner Gasimporte aus Russland. Was bedrohlich klingt, ist bei Licht betrachtet harmlos. Denn Gazprom und Rosneft befinden sich in hartem Wettbewerb. Auf den internationalen Märkten gibt es massive Überkapazitäten und Überangebote sowohl an Gas als auch an Öl. Wir erinnern uns: Selbst die USA wollen ihr Fracking-Gas liebend gern nach Europa verkaufen, und nicht nur die. Es gäbe ausreichend Alternativen.

Die Klimaziele von Paris reduzieren das Risiko weiter: Wenn Europa – und allen voran Deutschland – entschlossen erneuerbare Energien ausbauen, Elektromobilität stärken und den Energieverbrauch von Gebäuden senken, nimmt der Bedarf an fossilen Energien immer weiter ab. Heimische Energieträger übernehmen die Versorgungssicherheit. Nur so wird ein Schuh draus: Der Abschied von fossilen Energien erhöht die Energieversorgungssicherheit – und nicht umgekehrt!

Mehr noch: Europa wird dadurch unabhängig von willkürlichen – und geopolitisch infiltrierten – Entscheidungen öl- und gasexportierender Länder. Genau deswegen hat sich Europa schon vor Jahren vorgenommen, die fossilen Energieimporte verstärkt zu diversifizieren. Deutschland widerspricht schon mit dem Bau das Ostseepipeline North Stream diesen Zielen und macht sich einmal mehr bei den Nachbarländern unbeliebt. Statt Europa zu stärken, konterkariert Deutschland die EU-Ziele.

Dieser Alleingang ist nicht mal wirtschaftlich zu rechtfertigen, weil Investitionen in fossile Infrastruktur in die falsche Richtung gehen. Nur mit Alters-Starrsinn oder betriebswirtschaftlicher Phantasterei ließe sich erklären, wenn jemand heute noch in eine Schreibmaschinen-Fabrik oder ein Postkutschensystem investierte. „Stranded Investments“, verschwendetes Geld, nennt man das in der Ökonomie.

Wem Rosneft gehört

Der Konzern Rosneft will in den deutschen Tankstellenmarkt expandieren. Das erscheint besonders wagemutig, weil existierende Tankstellen schon heute aufgrund von Überkapazitäten zu kämpfen haben und sich an den Einzelhandels-Strohhalm klammern, um zu überleben. Und im Zuge der Energie- und Verkehrswende benötigen wir derzeit eher Lade- als Zapfsäulen.

Doch die russischen Energieunternehmen, allen voran Rosneft, sind von den Sanktionen betroffen, was sie zu kurzfristigen Strategien nötigt und ihnen die Refinanzierungen von Investitionsgeschäften enorm erschwert. Die Konzerne sind allesamt wirtschaftlich angeschlagen, was paradoxerweise die – von Schröder & Co versprochene – Sicherheit der Energielieferungen gefährdet. Wäre Schröder ein langfristig denkender Aufsichtsratschef von Rosneft, müsste er schleunigst einen Strategiewechsel anraten.

Stattdessen macht er sich zum Kampagnen-Gesicht für eine Investition in die Vergangenheit statt in die Zukunft. Es steht zu befürchten, dass der Kanzler, dessen Name bislang mit wegweisenden Reformen verknüpft war, die Deutschland vom kranken Mann zum Motor Europas gewandelt haben, im Alter nun zum Gesicht des Niedergangs wird. Im Dienst des fossilen Imperiums setzt er unbeirrt auf Techniken der Vergangenheit. Es ist Zeit, dass junge, mutige und innovative Politiker Deutschlands Zukunft in die Hand nehmen – und tatsächlich für Energiesicherheit sorgen.

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