Deutschland gehört zu den wenigen Ländern in der Welt, die neben den biologischen Geschlechtern Mann und Frau auch noch das „dritte Geschlecht“ anerkennen. Dänemark, Malta, Pakistan, Kolumbien und Bangladesh handhaben es zum Beispiel auch so. Im Ausweis steht dann nicht m oder w, sondern x. Das macht ohne Zweifel Sinn, da es ohne Zweifel Menschen gibt, deren biologisches Geschlecht sind nicht in männlich oder weiblich einsortieren lässt, etwa intersexuelle Leute.
Neben dem biologischen Geschlecht, dem Sex, gibt es auch das soziale Geschlecht, Gender, also das, in dem man sich als sich selbst fühlt, unabhängig von seinen biologischen Geschlechtsmerkmalen. Üblich und anerkannt sind hier ganze 60: Androgyner Mensch, Androgyn, Bigender, Weiblich, Frau zu Mann, Gender variabel, Genderqueer, Intersexuell (oder auch inter*), Männlich, Mann zu Frau, Weder-noch, Geschlechtslos, Nicht-binär, Weitere, Pangender, Trans, Transweiblich, Transmännlich, Transmann, Transmensch, Transfrau, Trans*, Trans* weiblich, Trans* männlich, Trans* Mann, Trans* Mensch, Trans* Frau; Transfeminin, Transgender, Transgender weiblich, Transgender männlich, Transgender Mann, Transgender Mensch, Transgender Frau, Transmaskulin, Transsexuell, Weiblich-transsexuell, Männlich-transsexuell, Transsexueller Mann, Transsexuelle Person, Transsexuelle Frau, Inter*, Inter* weiblich, Inter* männlich, Inter* Mann, Inter* Frau, Inter* Mensch, Intergender, Intergeschlechtlich, Zweigeschlechtlich, Zwitter, Hermaphrodit, Two-Spirit (Drittes Geschlecht), Viertes Geschlecht, XY-Frau, Butch, Femme, Drag, Transvestit, Cross-Gender.
Da kann man als klar definierter Mann oder als eindeutige Frau große Augen machen, den Kopf schütteln darf man aber nicht. Es gibt bekanntlich mehr auf der Welt, als vor den eigenen Horizont passt. Die Frage ist nur: Sollen wir diese 58 zusätzlichen Gender in unsere Sprache einbeziehen und wenn ja, wie? An dieser Frage verzweifeln sogar führende Politiker. Die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg hat drüber gestritten, die rot-rot-grüne in Berlin hat das * offiziell vereinbart.
Gender-Gap-Report 2016 Gesamtranking
Island
Gesamtscore: 0,874
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 9, Score: 0,806
Bildungsweg: Rang 1, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 104, Score 0,970
Politische Teilhabe: Rang 1, Score: 0,719
Finnland
Gesamtscore: 0,845
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 16, Score: 0,794
Bildungsweg: Rang 1, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 1, Score 0,980
Politische Teilhabe: Rang 2, Score: 0,607
Norwegen
Gesamtscore: 0,842
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 7, Score: 0,818
Bildungsweg: Rang 28, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 68, Score 0,974
Politische Teilhabe: Rang 3, Score: 0,576
Schweden
Gesamtscore: 0,815
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 11, Score: 0,802
Bildungsweg: Rang 36, Score: 0,999
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 69, Score 0,974
Politische Teilhabe: Rang 6, Score: 0,486
Ruanda
Gesamtscore: 0,800
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 8, Score: 0,817
Bildungsweg: Rang 110, Score: 0,958
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 89, Score 0,972
Politische Teilhabe: Rang 8, Score: 0,452
Irland
Gesamtscore: 0,797
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 49, Score: 0,709
Bildungsweg: Rang 1, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 54, Score 0,979
Politische Teilhabe: Rang 5, Score: 0,502
Philippinen
Gesamtscore: 0,786
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 21, Score: 0,780
Bildungsweg: Rang 1, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 1, Score 0,980
Politische Teilhabe: Rang 17, Score: 0,386
Slowenien
Gesamtscore: 0,786
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 19, Score: 0,784
Bildungsweg: Rang 25, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 76, Score 0,973
Politische Teilhabe: Rang 18, Score: 0,385
Neuseeland
Gesamtscore: 0,781
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 24, Score: 0,765
Bildungsweg: Rang 40, Score: 0,999
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 104, Score 0,970
Politische Teilhabe: Rang 16, Score: 0,390
Nicaragua
Gesamtscore: 0,780
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 92, Score: 0,632
Bildungsweg: Rang 1, Score: 1,000
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 1, Score 0,980
Politische Teilhabe: Rang 4, Score: 0,506
Schweiz
Gesamtscore: 0,776
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 30, Score: 0,745
Bildungsweg: Rang 61, Score: 0,993
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 72, Score 0,974
Politische Teilhabe: Rang 15, Score: 0,391
Burundi
Gesamtscore: 0,768
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 1, Score: 0,865
Bildungsweg: Rang 124, Score: 0,917
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 66, Score 0,974
Politische Teilhabe: Rang 28, Score: 0,314
Deutschland
Gesamtscore: 0,766
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 57, Score: 0,691
Bildungsweg: Rang 100, Score: 0,966
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 54, Score 0,979
Politische Teilhabe: Rang 10, Score: 0,428
Namibia
Gesamtscore: 0,765
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 20, Score: 0,781
Bildungsweg: Rang 35, Score: 0,999
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 1, Score 0,980
Politische Teilhabe: Rang 31, Score: 0,299
Südafrika
Gesamtscore: 0,764
Einzelwertungen:
Wirtschaftliche Chancen: Rang 63, Score: 0,677
Bildungsweg: Rang 55, Score: 0,995
Gesundheit und Überlebenschancen: Rang 1, Score 0,980
Politische Teilhabe: Rang 13, Score: 0,404
1. Sollen wir immer alle Gender einbeziehen?
Zunächst einmal müssen wir uns fragen: Wollen wir alle ausdrücklich ansprechen, die uns zuhören?
Diese Frage stellte ich mir jüngst, als ich im ICE die Durchsage hörte: „Guten Tag, meine Damen und Herren, liebe Kinder.“ Sind Kinder bei „Guten Tag, meine Damen und Herren“ ausdrücklich nicht gemeint? Mein Bauch sagt mir: Man erwähnt Kinder meist nicht, weil es ihnen ohnehin egal ist, ob sie begrüßt werden. Der Kinder-Gruß ist eher ein netter Hinweis an die Eltern: Wir sind eine Familien-Bahn. Hieße es im ICE aber: „Guten Tag, meine Herren“, die Damen würden blöde gucken.
Und genauso wenig sollte man Erwachsene anderer Gender aus der Begrüßung ausklammern. Erwachsene, die sozial weder Mann noch Frau sind, stehen eben nicht auf der Stufe unreifer Kinder. Dass die westliche Welt - anders als etwa das Volk der Bugis in Indonesien mit fünf kulturell anerkannten Geschlechtern - die vielen Gender bislang hat unter den Tisch fallen lassen, heißt nicht, dass wir nicht umdenken können.
2. Wie begrüßt man 60 Gender?
Stets 60 Gender zu nennen, ist weder für den Redner noch für den Zuhörer zumutbar („die Fahrerinnen und Fahrer, die fahrenden Transmenschen, die transmännlichen Fahrer, die Hermaphroditen on Tour…“ - nein.)
Allen war stets klar: Dafür braucht es eine andere Sprachregelung. Und damit ging das Chaos los.
Als es anfänglich nur um die sprachliche Gleichberechtigung der Frauen ging, hieß es: Fahrerinnen und Fahrer. Geschrieben aber wurde Fahrer(-innen) und Fahrer/-innen und FahrerInnen. Jetzt mit den 60 Gendern schreibt man Fahrer_innen, denn die Lücke über dem Unterstrich symbolisiert den Platz, den die 58 weiteren Gender einnehmen. Mittlerweile wird allerdings oft Fahrer*innen geschrieben. Der * steht für das Gleiche wie _.
Da beneidet man die Engländer um ihre geschlechtsneutralen Driver. Denn so gut gemeint es ist, die ganze Welt mit einem * umarmen zu wollen, „*innen“ versaut die Lesbarkeit der Texte. Und ist doch nur ein übriggebliebenes Sonderzeichen auf der Computertastatur.
Sprechbare Bezeichnungen für alle!
Nun ist es aber so, dass Schrift nur ein Vehikel ist, um gesprochene Sprache zu konservieren. Die gesprochene Sprache ist das Original. Textelemente, die man nicht sprechen kann, sind codierte Informationen, aber keine Sprache. Lesen Sie mal Texte in Anführungsstrichen und Klammern vor, ohne beschreibend mit den Händen zu wedeln. Und nun sollen 58 Geschlechtsidentitäten als codierte Info per * reingepresst werden? Ich finde das unbeabsichtigt diskriminierend, oder zumindest fürchterlich unbeholfen.
Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern
Die Berechnung stützt sich allein auf den durchschnittlichen Stundenlohn. Aus den 21 Prozent lässt sich also nicht ableiten, dass alle Frauen in Deutschland 21 Prozent weniger als Männer verdienen. Die Qualifikation der Beschäftigten und ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten, wird nicht berücksichtigt. Daran stören sich Kritiker. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wendet zum Beispiel ein, die Berechnung sei „kein Indikator für mögliche Diskriminierung, denn er vergleicht eben gerade nicht vergleichbare Tätigkeiten miteinander“.
Die Statistiker führen rund zwei Drittel der Differenz darauf zurück, dass Frauen in eher schlechter bezahlten Berufen tätig sind - zum Beispiel als Reinigungskraft (Frauenanteil 85 Prozent) oder Verkäuferin (73 Prozent). Deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit, deutlich weniger in höheren Führungsebenen.
Das letzte Drittel der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern lässt sich daraus aber nicht erklären: Dem Statistischen Bundesamt zufolge verdienen Frauen auch bei ähnlicher Tätigkeit und Qualifikation im Schnitt sieben Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Das wird unter anderem damit erklärt, dass Frauen häufiger eine Auszeit vom Beruf nehmen - um sich um Kinder zu kümmern oder Angehörige zu pflegen. Und sie treten bei Gehaltsverhandlungen anders auf.
Denkbar schlecht. EU-weit betrug der Rückstand 2013 lediglich 16 Prozent. In Slowenien zum Beispiel verdienten Frauen im Schnitt 3,2 Prozent weniger als Männer, in Italien 7,3 Prozent. Nur in Estland (30 Prozent), Österreich (23 Prozent) und Tschechien (22 Prozent) war die Lücke noch größer als hierzulande.
Davon gehen Experten zumindest aus. „Wenn der Mindestlohn eingehalten wird, werden Frauen davon profitieren, weil eben der größere Teil derjenigen, die unter 8,50 Euro verdient haben, Frauen waren“, sagt Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Auch Hermann Gartner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erwartet einen solchen Effekt. Erhebungen gibt es aber noch nicht.
Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf festgelegt, die Entwicklung zumindest abzumildern. Ein Ziel ist demnach, dass Unternehmen ab 500 Beschäftigte künftig transparenter machen sollen, was Frauen und Männer verdienen. Einen Gesetzesentwurf gibt es allerdings noch nicht.
Das merkt man daran, wenn man versucht, den *-Text vorzulesen. Wenn ein * für 58 Gender steht, was soll man dann sagen?
Es gibt wahrhaftig Aussprache-Vorschläge von Wissenschaftlern, wie man das Sternchen sprechen soll. Per „Glottisschlag“, bei dem sich die Stimmlippen im Kehlkopf stimmlos und leise knackend öffnen, wie beim E bei Spiegel-Ei (anders als bei Spiegelei). Dazu soll man dann eine streichende Handbewegung machen. Also „Fahrer (kurzes Innehalten des Kehlkopfes und Handbewegung) Innen“. Ich wage eine Prognose: Durchsetzungswahrscheinlichkeit 0%. Und was sollen Blinde und Radiohörer davon halten?
Das Dilemma ist: Neue gesellschaftliche Offenheit trifft auf über Jahrhunderte gewachsene Sprache. Letztere lässt sich nicht mit geschlossenen Stimmlippen umpusten. Wie schwer es ist, den Muttersprachler neue Sprachregelungen beizubringen, zeigt die Rechtschreibreform Ende der 90er-Jahre und die Diskussion um den Negerkuss. Das Anliegen ist gut, doch die Akzeptanz scheitert am alten Trott.
Der * ist ein gut gemeintes, aber untaugliches Symbol, das Texte unlesbar macht. Bei „Fahrer*innen“ liest jedes Gehirn „Fahrerinnen“. Und warum sollte von allen 60 Gendern nun ausgerechnet die eine Wahrnehmung auf der Frau liegen?
Dann können wir genauso mit dem generischen Maskulinum „Fahrer“ weitermachen, der schließt offiziell alle Geschlechter ein, tendiert in seiner Wahrnehmung durch die Menschen nach Untersuchungen zwar eher zum Mann, aber eben nur „eher“ Richtung Mann und nicht eindeutig Richtung Frau wie bei „innen“, ist außerdem immerhin kürzer, lesbar und ist bereits gelernt.
Wem nun der Puls hochgeht, der muss jetzt einmal bitte auf neutral schalten. Geben Sie folgendem Gedanken eine Chance: Der * ist ein unaussprechbares Symbol für 58 Gender. Einfach per Definition. Warum definieren wir nicht an einer anderen Stelle um?
Wir definieren: „Die Fahrer“ ist gender-neutraler Plural. Er war bis 2017 maskuliner Plural, der lange Zeit generisch auch für die weibliche Fassung stand. Dann kam das -innen, um den Frauen genüge zu tun. Aber weil das schon nicht ordentlich lesbar war und der * als noch unbelegtes Symbol auf der Tastatur noch mehr Gedankenchaos verursacht hat, haben wir alles zurückgeschnitten und den Männern ihr grammatikalisches Geschlecht einfach weggenommen. Für alle 60 Gender.
„Liebe Fahrer, liebe Studenten, liebe Kollegen“ meint dann ausdrücklich Männer, Frauen, Transvestiten, Butches, Transgender und alle anderen.
Nehmt den Männern ihre exklusive knackig-kurze Endung. Sprechbare Bezeichnungen für alle! Die Männer hätten dann keinen eigenen Plural mehr, die Frauen wären ihr unlesbares „/-innen (-innen) Innen“ los und die 58 anderen ihr *. Wie im Englischen. Oder fällt Ihnen es etwas Praktikableres ein, was Chancen hat, von einem Großteil derer, die Deutsch schreiben, lesen und sprechen, in Herz und Hirn aufgenommen zu werden? Und ich meine jetzt nicht nur die Abgeordneten von Linken, Grünen und SPD auf Twitter. Sondern alle.
Wer als Teil einer kleinen, feinen, außergewöhnlichen Minderheit gemeinsam mit anderen 58 kleinen, feinen, außergewöhnlichen Minderheiten ganz unprätentiöser Teil einer bunten Gesellschaft sein möchte und können soll, der darf nicht mit unaussprechbaren Sonderzeichen abgespeist und sprachlich an den Rand gedrängt werden.
Und statt „Meine Damen und Herren“ künftig „Hallo Leute“. Warum eigentlich nicht?