CETA und TTIP Die große Angst vor dem Freihandelsabkommen

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Es bedarf keiner Geheimjustiz

Die Grundlage für die Vattenfall-Klage ist die von Deutschland ratifizierte Energiecharta. Darin ist eine Investitionsschutzklausel festgelegt – ähnlich der in CETA und TTIP geplanten. Auch RWE und Eon klagen gegen die Bundesregierung – mit derselben Argumentation. Allerdings müssen sie den herkömmlichen Rechtsweg bestreiten, da sie als inländische Unternehmen nicht durch die Energiecharta geschützt sind.

Nur wenige Details über das Vattenfall-Verfahren dringen an die Öffentlichkeit. „Allerdings sind es oft die Staaten, die verhindern, dass ein Schiedsspruch öffentlich wird“, weiß Klaus Sachs. Sachs ist Partner einer Münchener Wirtschaftskanzlei und einer von vier deutschen Juristen, die von der Bundesregierung als Schiedsrichter für solche Verfahren benannt wurden. „Manche Staaten haben aus Wettbewerbsgründen ein Interesse daran, dass ihre Verstöße gegen völkerrechtliche Pflichten nicht an die große Glocke gehängt werden.“

Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt

Kritiker monieren immer wieder, dass der deutsche Gerichtsschutz ausreiche und es keiner Geheimjustiz bedürfe. „Investitionen und Eigentum von Unternehmen sind in Deutschland juristisch schon sehr gut abgesichert“, sagt Süß von Attac Deutschland.

Dem stimmt auch Sachs zu. Allerdings verweist er darauf, dass die USA und Kanada sich nicht nur mit Deutschland auf eine Freihandelszone einließen, sondern mit allen 28 EU-Staaten. „Nicht in jedem ist ein Justizsystem vorhanden, das kanadische Investoren ruhig schlafen lässt.“ Deswegen drängten sowohl Kanadier als auch Amerikaner auf internationale Schiedsgerichte.

Was viele Kritiker missachten: Mit CETA und TTIP könnten Schiedsgerichtsverfahren deutlich transparenter werden. Denn Nichtregierungsorganisationen sollen die Verfahren als Beobachter begleiten. „Das soll dazu beitragen, dass Investitionsschiedsverfahren den Ruf der Geheimjustiz verlieren“, sagt Sachs. „Eine vollkommen berechtigte Forderung.“

Die neue Transparenz stimmt die Kritiker nicht milde

Auch Krajewski ist davon überzeugt. Allerdings dürfe man nicht glauben, die Europäer hätten Kanada und den USA Transparenz abgetrotzt. Denn die Abkommen sehen vor, dass die seit April 2014 gültigen UNCITRAL-Transparenzregeln eingehalten werden.

UNCITRAL, die UN-Kommission für Internationales Handelsrecht, hat diese Regeln 2013 veröffentlicht. Sie sehen vor, dass das öffentliche Interesse bei Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten künftig stärker berücksichtigt wird. Bei den Verhandlungen dieser Transparenzregeln hatte sich die Bundesregierung noch gewehrt – und stand mit dieser Position in einer Reihe mit Staaten wie China und Bahrain. Die Transparenz in puncto Schiedsgerichtbarkeit spiele im nordamerikanischen Raum eine weitaus größere Rolle, so Krajewski.

Die zusätzliche Transparenz stimmt die Kritiker allerdings keineswegs milde.  „Das Sonderklagerecht für ausländische Unternehmen ist ein ganz besonderes Privileg“, sagt Scherrer. „Die Unternehmen kriegen ihre eigene Gerichtsbarkeit gegen Staaten – das erhöht die Macht der Konzerne drastisch.“

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