„Es ist wie in einer Ehe, wenn einer fremdgegangen ist: Danach wird es nie mehr so wie es vorher war. Für mich ist England jetzt angeschlagen“, sagt Claudius König. „Unterschätzen wir nicht, auch Emotionen sind für geschäftliche Prozesse wichtig und da ist seit dem Brexit-Votum am 23. Juni 2016 einiges kaputt gegangen. Für mich war das ein Vertrauensbruch“. Seit 30 Jahren schon lebt der Gründer und Chef der Markenberatungsfirma „Closer Europe“ in Großbritannien, doch seit dem 23. Juni vergangenen Jahres ist er von seiner Wahlheimat enttäuscht und fühlt sich dort nicht mehr willkommen.
Noch wartet der Deutsche ab, noch hat sich ja nichts verändert, noch laufen die Geschäfte gut und noch es gibt vielleicht noch ein Fünkchen Hoffnung. Könnte ja sein, dass der Austritt doch noch vermieden wird. „Aber im Grunde weiß ich, der Brexit kommt“, sagt der 56-Jährige. Dann dürfte er sich neu orientieren und wieder zurück nach Deutschland gehen, nach Berlin zum Beispiel.
Noch ist es nicht soweit. Die Uhr tickt allerdings, seit Premierministerin Theresa May Ende März den offiziellen Scheidungsantrag einreichte, der Countdown hat damit begonnen und am 30. März 2019 werden die Briten die EU nach mehr als 40-jähriger Zugehörigkeit verlassen. Und am Montag begannen Großbritannien und die Europäische Union nun auch ernsthaft mit den Verhandlungen über die Scheidungsmodalitäten: Im Fokus der Gespräche zwischen dem britischen Brexit-Minister David Davis und dem EU-Unterhändler Michel Barnier stehen die Rechte von britischen und EU-Bürgern im jeweils anderen Hoheitsgebiet, die britischen Finanzverpflichtungen gegenüber der EU und die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland.
Erst danach soll das von den Briten gewünschte Freihandelsabkommen Thema sein. Eine Woche lang wird von nun an jeden Monat über die Konditionen des britischen EU-Austritts verhandelt werden. Schon bis zu diesem Donnerstag sollen Arbeitsgruppen mögliche Kompromisse ausloten.
Topthema sind die Bleiberechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und der 1,2 Millionen Briten in der EU. Allerdings liegen die öffentlich bekannten Positionen noch weit auseinander und der von Davis bereits im Vorfeld veröffentlichte Vorschlag für den künftige Status der EU-Bürger in Großbritannien wird von Barnier und vielen Betroffenen selbst als „unzureichend“ bewertet. Die Spitzen des Europaparlaments haben sogar schon mit einem Veto gedroht. Nach dem Vorschlag der britischen Regierung sollen alle EU-Bürger im Vereinigten Königreich die Chance bekommen, sich um einen „gesicherten Status“ zu bewerben und damit ein Daueraufenthaltsrecht zu erwerben.
Dieser sogenannte „settled Status“ aber hat gegenüber dem Status Quo einige Nachteile: Etwa beim Nachzugsrecht von Familienangehörigen und späteren Ehepartnern, bei denen die EU-Bürger künftig schlechter gestellt wären als heute. Außerdem verlören sie das Wahlrecht bei den Kommunalwahlen und wenn sie Großbritannien einmal für zwei Jahre oder länger verlassen sollten, ginge ihnen auch der „gesicherte Status“ flöten. Sie hätten dann keinerlei Recht mehr, in Großbritannien zu leben und zu arbeiten sondern wären allen anderen Ausländern aus der ganzen Welt gleichgestellt.