Vereinigtes Königreich Vater von Boris Johnson will gegen Brexit stimmen

Boris Johnson ist der wichtigste konservative Fürsprecher der "Leave"-Kampagne. Sein Vater Stanley aber erklärt: "Ich stimme für die EU-Mitgliedschaft“. Seinen Sohn würde er trotzdem gerne als Premierminister sehen.

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Boris Johnson kämpft für einen Brexit - ohne Unterstützung seines Vaters Stanley. Quelle: dpa

Stanley Johnson, ehemaliger Europaabgeordneter und Kommissionsvertreter, will gegen den EU-Austritt Großbritanniens stimmen. Damit bricht er mit der Haltung seines Sohnes Boris Johnson, ehemaliger Bürgermeister von London und Mitglied der konservativen Partei, der dafür wirbt, Großbritannien solle die EU verlassen.

Sollte sich das Vereinigte Königreich für den Brexit entscheiden, gilt Boris Johnson als Anwärter auf das Amt des Premierministers – für seinen Vater eine „großartige Vorstellung“. „Es ist nicht zwangsweise so, also ob Welten zwischen uns liegen würden“, erklärt er. „Ich persönlich glaube, dass in Europa noch viele wichtige Reformen durchgeführt werden müssen. Ich würde da nicht unbedingt um 180 Grad von Boris‘ Analyse abweichen.“

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„Die Brexit-Befürworter kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen und ich respektiere ihre Beweggründe. Die demokratische Grundlage der Entscheidungsfindung auf dem Kontinent lässt sich durchaus in Frage stellen. Ich würde mir jedoch wünschen, in der EU zu bleiben und die Reformen von Innen durchsetzen.“ Ein Abstimmungsergebnis für den Verbleib in der EU sei immer noch eine Warnung, so Johnson Senior. „Wenn Großbritannien bleibt, muss man sich als erstes um das Einwanderungsproblem kümmern. Interne und auch externe Migrationsfragen müssen angegangen werden“, betont er.

Eines der Hauptargumente der Brexit-Verfechter ist, dass Großbritannien als EU-Mitgliedsstaat scheinbar nicht in der Lage ist, seine Grenzen zu sichern. Im Juni forderte Boris Johnson, nach dem potenziellen EU-Austritt ein Einwanderungspunktesystem nach australischem Vorbild einzuführen. Diesem zufolge würden nur diejenigen aufgenommen werden, die bereits gutes Englisch sprechen. „Das Thema Migration spielt in der derzeitigen Debatte eine bedeutende Rolle“, bekräftigt der ehemalige Europaabgeordnete. „Die jährliche Nettoeinwanderungszahl liegt bei etwa 360.000. Damit steigt die britische Bevölkerung auf über 70 Millionen. Bald werden es sogar 80 Millionen sein. Diese Situation ist inakzeptabel.“

„Ganz Europa wird aufatmen, wenn sich das Vereinigte Königreich für die EU entscheidet. Dann sollten sich unsere europäischen Verbündeten allerdings genau ansehen, warum wir so kurz vor dem Absprung gestanden haben. Ich denke nicht, dass ein Brexit unser Problem lösen wird. Wir müssen uns zusammen diesen Vertrag vornehmen und überlegen, wie wir der Situation Herr werden können“, meint Johnson Senoir. „Wahrscheinlich haben wir in Europa viel mehr Gleichgesinnte als bisher vermutet.“

Der Euro – „nette Idee, hat aber nicht funktioniert“

Immer wieder betont die „Leave“-Kampagne, die britische EU-Mitgliedschaft habe die Nation „in Handschellen“ der sterbenden Euro-Zone ausgeliefert, welche noch immer um Wirtschaftswachstum ringe. In seinen Reformverhandlungen mit der EU versuchte Großbritanniens Premierminister David Cameron, diese Ängste anzugehen. So erstritt er einen Absicherungsmechanismus, der die Nicht-Euroländer vor den Regulierungsbemühungen aus dem Kreis der Mitglieder schützt.

Johnson hingegen ist überzeugt, die EU täte gut daran, die Einheitswährung ganz abzuschaffen. Ihm zufolge schadet sie der Demokratie. „Es wäre bei Weitem das Beste, wenn der Euro verschwinden würde“, meint er, „Die Einheitswährung ist nicht der Heilige Gral. Es ist an der Zeit, dass sich die Leute den Euro ansehen und sagen: Nette Idee, hat aber nicht funktioniert.“

„Man kann einen demokratischen Ansatz meiner Meinung nach nicht mit Politik verbinden, wenn eine Situation vorherrscht, in der die kernpolitischen Maßnahmen eines Landes von außerhalb des normalen, nationalen Demokratieprozesses kommen. Wie ironisch es wäre, wenn die Euro-Zone in gewisser Weise demokratische Rechte unterdrücken würde. Die Freiheit eines Staates, sich um seine eigenen Wirtschaftsangelegenheiten zu kümmern, ist für mich eine notwendige Freiheit.“

Unabhängig von einem Brexit werde die Euro-Zone jedoch auch in Zukunft einen gewissen Einfluss auf das Vereinigte Königreich haben, gesteht Johnson. „Ist es das Richtige, wenn sich Großbritannien zurückzieht und der Euro-Zone bei ihrem Untergang zusieht? Wie gewinnbringend wäre es, wenn es sich in Europa vollständig einbringen und die bestmöglichen Beiträge zur Euro-Zone leisten würde? So etwas könnte die Währungsgemeinschaft verändern, ihr ein Ende bereiten oder zumindest ihre schlechtesten Eigenschaften abwandeln.“

Am 23. Juni gehen die Briten an die Wahlurnen. „Ich denke, die Menschen werden in dieser Angelegenheit genauso sehr mit Herz wie mit Verstand wählen“, betont Johnson. „Der Brexit würde viel verändern. So würde es in manchen Bereichen keine gemeinsamen Vorschriften mehr geben. Ich habe das Gefühl, manche Leute glauben, so die Kontrolle über gewisse Aspekte ihres Lebens wiederzuerlangen.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei EurActiv. Das ganze Interview in englischer Sprache können Sie hier lesen.

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