Die Euro-Krise, drückende Rezessionen und Massenarbeitslosigkeit haben die europäische Solidarität brüchig und anfällig werden lassen. „Man muss die Sorgen der Menschen ernst nehmen und darüber rational, offen und ehrlich reden“, sagt Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlamentes, „gerade um sie den Rechten und Populisten mit ihrer Panikmache, den bewussten Übertreibungen, den fremdenfeindlichen Untertönen und der offensichtlichen Wahltaktik nicht zu überlassen.“ Auch Schulz sagt deshalb offen: „Wir können nicht leugnen, dass es in manchen Städten Probleme gibt mit einer kleinen Minderheit, die nicht oder schwer integrierbar ist und sich nicht verantwortungsbewusst verhält.“
Seit vergangener Woche gibt es eigens eine Staatssekretärsrunde des Bundes, die das deutsche Sozialrecht auf missbrauchsanfällige Schlupflöcher durchleuchten soll. „Freizügigkeit heißt freier Zugang zum Arbeitsmarkt, nicht freier Zugang zu Sozialleistungen“, sagt Hans-Peter Uhl (CSU), innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Wir wollen die Probleme nicht mit Geld zukleistern, sondern durch eine Rechtsänderung lösen.“
Die CSU will baldmöglichst konkrete Maßnahmen auf allen staatlichen Ebenen. In den Städten und Kreisen könnten die Behörden enger zusammenarbeiten. Das Sozialamt, das Stütze auszahlt, sollte sich mit der Familienkasse abstimmen, von der das Kindergeld kommt. Die Gewerbeaufsicht müsse die (Schein-)Selbstständigkeit prüfen, so wie das Einwohnermeldeamt kontrollieren solle, wie viele Menschen oder Firmen in einer Drei-Zimmer-Wohnung angemeldet seien. Und schließlich solle die Polizei ihre Erkenntnisse über Straßenprostitution und den sogenannten Arbeiterstrich für billige Leihkräfte beisteuern. Die meisten Informationen, so Uhl, könnten problemlos ausgetauscht werden. Wo dies bisher aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich sei, müssten die Vorschriften geändert werden. Auch die Ergebnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, für die der Zoll Razzien durchführt, sollten ebenfalls einfließen.
Allerdings: Schon im vergangenen Herbst hatte sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe intensiv über die Themen gebeugt. Das Ergebnis waren viele Bedenken und Fallstricke.
Dass Horrorszenarien vor überbordender Einwanderung aus Osteuropa schon in früheren Jahren stets überzeichnet waren; dass sich handfeste Belege für großflächigen Missbrauch der Wohlfahrtssysteme bis heute nicht finden lassen – diese Wahrheit geht in der erhitzten Debatte schnell verloren. „Die Zuwanderung nach Deutschland ist eine Erfolgsstory“, urteilt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. „Wir erleben eine Wende: Die Zahl der gut Ausgebildeten wächst, die der Ungebildeten sinkt.“ Der krisenresistente deutsche Arbeitsmarkt ist so attraktiv wie seit Jahrzehnten nicht, Zuwanderer haben einen immer größeren Anteil am Jobboom. Die Ausnahmen von dieser Erfolgsgeschichte betreffen in der Tat vor allem Rumänen und Bulgaren. „Sie sind im Schnitt schlechter qualifiziert als die Einwanderergenerationen vor ihnen“, hat Brücker herausgefunden.