BIZ Diese Bank heizt den Zentralbanken ein

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich will die Welt vor einer neuen Finanzkrise retten – und legt sich mit fast allen Zentralbanken an.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Basel: Bank für internationalen Zahlungsausgleich. Quelle: Illustration: Simon Prades

Ein wenig muten sie an wie Treffen einer Geheimloge, die Meetings, zu denen die wichtigsten Notenbanker der Welt alle zwei Monate in Basel einfliegen. In der neutralen Schweiz diskutieren sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit die drängendsten Fragen der Weltwirtschaft. Das turmförmige Hochhaus am Basler Bahnhof, in dem das Konklave der Hochfinanz stattfindet, versprüht mit seiner grau-braunen Fassade, den verspiegelten Fenstern und den weißen Ledersofas drinnen in der Konferenzetage den eigenwilligen Charme der Siebzigerjahre.

Eigenwillig sind auch die Turmherren, die in dem durch Sicherheitsschleusen geschützten Gebäude arbeiten. Sie sind die Angestellten einer traditions- und einflussreichen Institution der Finanzwelt: der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – der Bank der Zentralbanken. Dass die Ökonomen der BIZ von einem eigenen Willen beseelt sind, für den zu streiten sie bereit sind, zeigt die geldpolitische Grundsatzdebatte, die sie mit – oder besser – gegen die Zentralbanken führen. Jetzt, da die Wirtschaft wieder läuft und die Zeit für eine straffere Geldpolitik gekommen ist, gewinnt die Auseinandersetzung an Brisanz. Denn bei dem Streit geht es um nicht weniger als um die Frage, wie man am besten eine neue Finanzkrise verhindert.

Während die Zentralbanker, unterstützt vom Mainstream der Ökonomen, in einer verschärften Regulierung der Banken das Zaubermittel gegen Krisen sehen, nehmen die BIZ-Volkswirte die Notenbanker in die Pflicht. Gestützt auf zahlreiche Studien, ermahnen sie die Währungshüter, möglichst frühzeitig die Leitzinsen anzuheben, um ‧eine neuerliche Finanzkrise zu verhindern. In der Auseinandersetzung wissen die BIZ-Ökonomen nur wenige Zentralbanken wie die australische Notenbank und die Bundesbank an ihrer Seite. Dabei sind die Forderungen der BIZ gut begründet: Die Turmfalken waren die Einzigen, die die jüngste Finanzkrise kommen sahen.

An dieser Stelle finden Sie die Publikationen des WirtschaftsWoche-Volkswirt-Teams mit allen Kommentaren, Konjunkturanalysen, Interviews, neuen Studien und wirtschaftswissenschaftlichen Debattenbeiträgen.

An den Umgang mit Krisen ist die BIZ gewöhnt. Als sie 1930 als Reparationsbank gegründet wurde, befand sich die Weltwirtschaft in der Großen Depression. Aufgabe der Bank war es, die Reparationszahlungen des Deutschen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg abzuwickeln. Um Deutschland zahlungsfähig zu halten, kaufte die Bank deutsche Staatsanleihen und schleuste so die Reparationszahlungen ins Deutsche Reich zurück. Später finanzierten die Nazis ihre Kriegsimporte über die BIZ und ließen sich das Gold der von ihnen besetzten Staaten bei ihr gutschreiben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten die Notenbanken, die Aktionäre und somit Eigentümer der BIZ sind, diese zu einem Forum für die internationale Zusammenarbeit in Währungsangelegenheiten aus. Als Reaktion auf die Bankenpleiten in den Siebzigerjahren entstand der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, der bei der BIZ angedockt ist. Heute verwaltet die BIZ Teile der Währungsreserven der 60 nationalen Zentralbanken, die Anteile an der Bank halten.

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank wird vor allem in Deutschland heftig kritisiert. Sie verleitet Regierungen zum Stillstand. Das wird sich im kommenden Jahr ändern.

Wichtigste Aufgabe der BIZ heute ist es, Denkanstöße für die Geld- und Währungspolitik zu geben. Dabei kann sie sich einen langfristig-strategischen Blick auf das Geldwesen erlauben. „Wir stehen anders als die Zentralbanken nicht unter dem Druck der Finanzmärkte“, erklärt Claudio Borio, der bei der BIZ die wichtige Abteilung Geld und Wirtschaft leitet. Der drahtige kleine Italiener mit dem verschmitzten Blick ist so etwas wie der Chefvolkswirt der BIZ.

Anfang der 2000er-Jahre machten die BIZ-Ökonomen eine wichtige Entdeckung. Sie fanden heraus, dass die globale Wirtschaft nicht nur durch das Auf und Ab der Realwirtschaft, sondern auch durch die Schwankungen der Finanzmärkte in Bewegung versetzt wird. Solche Finanzzyklen spiegeln sich in der Entwicklung von Krediten und Immobilienpreisen wider. Mit einer Dauer von 15 bis 20 Jahren überlagern sie die kürzeren Konjunkturzyklen und verstärken diese zum Teil. Kippen die Finanzzyklen, schrumpfen Kredite und Immobilienpreise, stürzt die Wirtschaft meist in eine schwere Finanz- und Bankenkrise.

Aus ihren Analysen leiteten die BIZ-Ökonomen zwei Schlussfolgerungen ab. Erstens: Die Zentralbanken müssen frühzeitig auf die Bremse treten, um Finanzzyklen zu dämpfen. Zweitens: Die Banken müssen widerstandsfähiger werden, indem sie im Boom mehr Eigenkapital aufbauen.

Prozyklische Gefahren

Borio und sein Vorgänger William White trugen ihre Erkenntnisse auf einer Konferenz führender Zentralbanker im Jahr 2003 vor – und stießen auf Ablehnung. So fand der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan die Idee, die Notenbank solle sich mit höheren Leitzinsen gegen den Wind stemmen, absurd. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem das zum Erfolg geführt habe, grummelte Greenspan.

Als 2007 die Finanzkrise ausbrach, zeigte sich, dass die BIZ mit ihrer Diagnose prozyklischer Gefahren recht hatte. Das brachte ihr zwar Anerkennung. Aber es führte nicht dazu, dass die Zentralbanken den Politikempfehlungen der BIZ folgten. Zwar bestreite heute niemand mehr, dass es die Finanzzyklen gebe, sagt Borio. Doch herrsche unter Zentralbankern die Meinung vor, diese durch regulatorische Maßnahmen eindämmen zu können. Das könne sich als falsch erweisen. „Der Finanzzyklus ist zu stark, als dass man ihn mit Regulierungen allein kontrollieren kann, nicht zuletzt dann, wenn die Geldpolitik mit niedrigen Zinsen den Zyklus stützt“, sagt Borio.

So erzielen die Banken im Boom höhere Gewinne, die ihnen die Möglichkeit verschaffen, ihr Eigenkapital aufzustocken und mehr Kredite zu vergeben. Restriktivere Beleihungsgrenzen für Immobilienkredite können kaum etwas dagegen ausrichten, da steigende Immobilienpreise höhere Kreditvolumina nach sich ziehen. Geldpolitisch Vollgas zu geben und gleichzeitig die Regulierung zu verschärfen habe etwas davon, „beim Autofahren Bremse und Gaspedal gleichzeitig zu treten“, kritisiert Borio.

Glossar zur Zinspolitik

Der Italiener ist skeptisch, dass es den Zentralbanken gelingt, mit niedrigen Zinsen die Inflation anzukurbeln. „Die Globalisierung hält die Preise in Schach“, erklärt Borio. Das viele Geld der Notenbanken fließe daher in die Immobilienmärkte und löse einen neuen Finanzzyklus aus, der die Gefahr einer späteren Krise in sich berge.

Die Zentralbanker reagieren auf die ostentative Kritik aus dem BIZ-Turm in Basel zunehmend gereizt. Die Analysen und Ratschläge der BIZ entstammten dem „Baseler Vakuum“ und befänden sich „außerhalb der Realität der Politik“, giftete der Chef der britischen Notenbank, Mark Carney.

Vergangenes Jahr ließ das Management der BIZ in Abstimmung mit den Zentralbankern, die im Verwaltungsrat der Basler Institution sitzen, ein Gutachten anfertigen, das die Arbeit der Abteilung von Borio kritisch unter die Lupe nahm. Der Bericht, von zwei ehemaligen Zentralbankern und einem Wirtschaftsprofessor verfasst, lobt zwar die wissenschaftliche Expertise der Borio-Abteilung. Zugleich aber wirft er ihr vor, halsstarrig an ihren geldpolitischen Heterodoxien festzuhalten. Von der Hausmeinung abweichende Positionen hätten in der BIZ kaum eine Chance, Studien würden so kalibriert, dass sie die Hausmeinung stützten, lauten die Vorwürfe.

Die Gutachter fordern die BIZ-Ökonomen auf, nicht immerzu das Ende der Welt an die Wand zu malen, sondern ihr Augenmerk auf die Erfolge der Zentralbanken bei der Krisenbekämpfung zu richten und zu analysieren, „was alles richtig gelaufen ist“. Heftiger hätte der Tritt vors Schienbein kaum ausfallen können.

Doch die Experten in Basel bleiben gelassen. Evaluierungsberichte seien grundsätzlich sinnvoll, wiegelt Dietrich Domanski, Stellvertreter Borios, die Vermutung ab, die BIZ-Ökonomen sollten mundtot gemacht werden. Die Finanzkrise habe viel wissenschaftliche Kapazität für das Krisenmanagement absorbiert. Dass die BIZ einen wirtschaftspolitischen Standpunkt habe und diesen öffentlich vertrete, sei „weder ungewöhnlich noch schlecht“, so Domanski. Auch andere Denkfabriken verträten eine klare wirtschaftspolitische Position.

Was aber, wenn es den geldpolitischen Falken aus dem BIZ-Turm nicht gelingt, mit ihrem Paradigma im Taubenstall der Zentralbanker durchzudringen? Dann, so ist zu befürchten, könnte es nur noch eine Frage der Zeit bis zur nächsten Krise sein.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%