Buchrezension "Sparen ist bei Regierungen unbeliebt"

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Armer Spar-Michel

Wo das Leben in Europa am meisten kostet
Autoverkauf in Bulgarien Quelle: REUTERS
Polen und Rumänien Quelle: dpa
Litauen und Ungarn Quelle: dapd
Lettland und Slowakei Quelle: APN
Estland, Malta und Tschechische Republik Quelle: dpa
Autokauf in Portugal Quelle: gms
Spanien und Griechenland Quelle: dpa

Hier fragen sich die Autoren zu Recht, wo denn das zusätzlich geschaffene Geld überhaupt geblieben sei und wem es zu Gute komme. "Je später das Geld bei einem ankommt, desto weniger profitieren wir". Sie bemühen dabei erneut ihr anschauliches Beispiel-Dorf.

Im "Goldstandard" führt eine Innovation dazu, dass bestimmte Goldschürfer mehr Gold gewinnen als andere. Sie machen daraus Münzen und haben so mehr Geld denn je.

Dieses investieren sie - in Maschinen, Grundstücke und andere Unternehmen. Während sie selber immer reicher werden, steigern sie damit gleichzeitig die Preise. Je später das zusätzliche Geld aber bei anderen Dorfbewohnern ankommt, desto weniger profitieren diese. Im Gegenteil: vViele sind im Nachteil, weil sie die gestiegenen Preise mittragen müssen.

Marquart und Bagus übertragen das auf die Geldanlage und die Realität an den Finanzmärkten. Die Profiteure der Geldschwemme sind die Erstbezieher des frischen Kapital - Banken, Staaten oder Versicherungen etwa. Sie nutzen das Geld, um es zu den (noch niedrigen) Preisen in Aktien oder Immobilien zu investieren. Wenn auch der Sparer an ein solches Investment denkt, haben die Erstbezieher die Preise schon derart in die Höhe getrieben, dass für den Spar-Michel ein Investment nicht mehr denkbar ist.

In der Ökonomie wird dieses Phänomen als Cantillon-Effekt bezeichnet, der besonders in der Österreichischen Schule eine Rolle spielt. Grundsätzlich bezeichnete Richard Cantillon damit den Effekt, dass eine Erhöhung der Geldmenge sich nicht gleichmäßig auf alle Bereiche einer Volkswirtschaft auswirkt, sondern einige Teile wie beispielsweise der Bankensektor zuerst betroffen sind und so profitieren.

Ernüchterndes Fazit

Wie befürchtet fällt das Zwischenfazit düster aus. "Durch die Installierung und Etablierung eines staatlichen Geldmonopols ist es letztlich der Staat selbst, der eine Umverteilung zugunsten Superreicher forciert", schreiben die Ökonomen. Während er also durch Sozialmaßnahmen gegenzusteuern versucht, ist er die eigentliche Quelle der sozialen Ungleichheit. Während es beim Ökonom Piketty vor allem der Markt ist, welcher Ungleichheit schürt, ist es bei Marquart und Bagus der Staat mit seinem Geldmonopol. Eine weitere Folge: die enorme Verschuldung. "Eine Staatsverschuldung in den gegenwärtigen Dimensionen ist nur in einem staatlich monopolisierten Papiergeldsystem möglich."

Interessant zeigen die Autoren auf, was das staatliche Geldmonopol in der (inflationären) Folge mit seinen Bürgern anrichtet. "Früher hatte man einfach Goldmünzen in bar gespart. Heute muss man sich verschulden und viel Zeit in die Geldanlage investieren, um oben zu schwimmen. Zeit für die schönen Dinge des Lebens, Kultur, Sport, Familie, bleibt immer weniger."

Das Fazit der Autoren: "Schlechtes Geld macht die Menschen zunehmend abhängig, unmündig, unselbstständig, sozial isoliert, entwurzelt, unvorsichtig, rücksichtslos, egoistisch, materialistisch, oberflächlich, gestresst und depressiv."

Zwar mag das Buch an vielen Stellen vereinfachen - bei einem derart komplexen Finanzsystem wie dem heutigen ist das anders kaum möglich. Aber es erfüllt eine sehr wichtige Aufgabe: Es stellt vermeintliche Alltäglichkeiten in Frage - und noch viel wichtiger: Es regt auch den Leser an, über eben diese nachzudenken. Angesichts der populärwissenschaftlichen und provokanten Thesen sorgt es dafür, sich mit dem politischen und wirtschaftlichen System auseinanderzusetzen. Und das ist gut so.

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