Inflation Die Finanzkrise treibt die Preise

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Grafik: Die globale Liquiditätsschwemme und die steigenden Rohstoffpreise erhöhen die Inflationserwartungen

Auf den ersten Blick erscheinen die Sorgen vor einer Rückkehr der Inflation unbegründet. In den USA lagen die Kosten der Lebenshaltung im Dezember gerade mal um 1,5 Prozent höher als im Vorjahr, in Deutschland belief sich die Teuerungsrate auf 1,7 Prozent, im Euro-Raum auf 2,2 Prozent. Doch der Trend, der hinter den harmlos anmutenden Zahlen steckt, geht eindeutig nach oben.

Das hat mehrere Gründe. Angeführt von der amerikanischen Notenbank Fed haben die großen Notenbanken in den vergangenen Jahren Milliardensummen an Liquidität in das globale Finanzsystem gepumpt. In den USA hat sich die monetäre Basis – der Bestand an Bargeld und Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank – seit der Lehman-Pleite von 900 Milliarden auf rund 2000 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. In Großbritannien erhöhte sich die Geldbasis von 86 Milliarden auf rund 200 Milliarden Pfund, in der Euro-Zone von 900 auf mehr als 1000 Milliarden Euro.

Geldmenge hat sich seit 1980 mehr als verzehnfacht

Anders als von Ökonomen zunächst erwartet, hat das zusätzliche Zentralbankgeld die Kreditvergabe der Banken aber noch nicht nennenswert angekurbelt. In der Euro-Zone vergaben die Banken im November 2,7 Prozent mehr Kredite an private Haushalte als im Vorjahr. Die Kreditvergabe an Unternehmen schrumpfte hingegen um 0,1 Prozent. Die Geldmenge M3, die neben dem Bargeld auch die Sicht-, Spar- und Termineinlagen bei Geschäftsbanken sowie die Anteile an Geldmarktfonds umfasst, legte daher nur um 1,9 Prozent zu.

Doch das derzeit moderate Geldmengenwachstum kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in den vergangenen Jahren als Folge der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken ein riesiger globaler Liquiditätsüberschuss angesammelt hat. Nach Berechnungen der Ökonomen der italienischen Bank UniCredit hat sich die weltweite Geldmenge seit 1980 mehr als verzehnfacht. Dagegen ist die globale Güterproduktion nur um den Faktor sechs gestiegen. "Weltweit jagt zu viel Geld zu wenige Güter", urteilt Elga Bartsch, Euro-Land-Chefökonomin der US-Bank Morgan Stanley. Die Folge sind steigende Preise.

Kurswechsel der Politik nicht in Sicht

Dass Inflation letztlich immer ein monetäres Phänomen ist, hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman in umfangreichen Studien zur Geldgeschichte der USA nachgewiesen. Friedmans Fazit: Wächst die Geldmenge in einer Volkswirtschaft stärker als die Gütermenge, schlägt sich das in steigenden Preisen nieder. Allerdings können dabei Verzögerungen auftreten, die "lang und variabel" sind, so Friedman.

Nach Ansicht von Andreas Rees, Deutschland-Chefökonom von UniCredit, steht die Welt erst "am Anfang einer neuen Inflationsphase". Dafür spricht, dass ein Ende des Gelddruckens seitens der Notenbanken nicht in Sicht ist. Die US-Notenbank Fed will bis Juni dieses Jahres insgesamt weitere 600 Milliarden Dollar für den Kauf von Staatsanleihen ausgeben. Im Gegenzug fließt Zentralbankgeld in gleicher Höhe in das Bankensystem. Angesichts dieser Dimensionen beschleicht selbst einige US-Währungshüter ein mulmiges Gefühl. "Die Aggressivität unserer Politik kann schnell nach hinten losgehen, wenn wir nicht beginnen, unseren Kurs schrittweise zu ändern", warnt Richard Plosser, Chef der regionalen Notenbank von Philadelphia.

Doch ein Kurswechsel ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Weil einige US-Bundesstaaten wie Kalifornien und New Jersey de facto pleite sind, haben Anleger ihr Geld aus Kommunalanleihen abgezogen, mit denen sich die Bundesstaaten finanzieren. Das hat die Zinskosten für die Emittenten in die Höhe getrieben und die Finanzierung erschwert.

Zwar weigert sich Fed-Chef Ben Bernanke bisher, den Bundesstaaten durch den Ankauf ihrer Anleihen aus der Patsche zu helfen. "Doch das kann sich schnell ändern, wenn der politische Druck größer wird", sagt UniCredit-Ökonom Rees. Die Fed würde dann noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpen.

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