Weltwirtschaft Den Schwellenländern geht die Puste aus

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Druck der Finanzmärkte

Als wäre das nicht genug, geraten die BRIC-Länder nun auch noch unter den Druck der Finanzmärkte. Seit die US-Notenbank Fed andeutete, ihre Käufe von Staatsanleihen möglicherweise bald zu drosseln, sind die Renditen für US-Bonds in die Höhe geschossen. Investoren, die ihr Geld in den vergangenen Jahren in die Schwellenländer geleitet haben, holen dieses nun in die USA zurück. Die Verkaufswelle hat in den Schwellenländern Aktien, Anleihen und Wechselkurse nach unten geprügelt. Mit den schwachen Währungen steigen nun die Importrechnungen. Die Notenbank in Brasilien hat darauf schon reagiert und die Zinsen erhöht, was dem Wachstum einen zusätzlichen Dämpfer versetzt.

Das spüren auch die deutschen Exporteure. In den ersten fünf Monaten des Jahres sind ihre Ausfuhren nach Brasilien um 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Lieferungen nach Indien schrumpften im gleichen Zeitraum sogar um rund zehn Prozent. Die Lieferungen nach China gingen um 4,3 Prozent zurück, 2010 waren sie noch um mehr als 44 Prozent gestiegen. Das ist bitter, denn die Chinesen kaufen den Deutschen 6,1 Prozent aller Exporte ab (BRIC insgesamt: 9,4 Prozent). Damit stellt China den fünftgrößten Auslandsmarkt für deutsche Exporteure dar. Für die Maschinenbauer und die Hersteller elektrotechnischer Erzeugnisse ist China sogar der wichtigste Absatzmarkt im Ausland, für die Automobil- und Metallindustrie der zweitwichtigste.

Vor allem für die deutschen Anlagenbauer dürften im China-Geschäft bald magerere Zeiten anbrechen: „Der Kursschwenk Pekings weg von Investitionen sowie die straffere Geldpolitik werden die Ausfuhren der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer bremsen“, prophezeit Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt der Bank UniCredit. Diesen Effekt könne auch ein besseres Amerika-Geschäft nicht ausgleichen, da China 10,2 Prozent aller Maschinen abnehme, die USA hingegen nur 9,1 Prozent. Auch die deutsche Chemieindustrie spürt die Schwäche aus Fernost. „Der chinesische Wachstumsmotor läuft nicht mehr auf Hochtouren“, sagt Kurt Bock, Chef des Chemieriesen BASF. Folge: Der Konzerngewinn ging im zweiten Quartal um 4,2 Prozent zurück.

Weniger pessimistisch zeigt sich Uni-Credit-Ökonom Rees für die deutschen Autobauer. Zwar erlebten sie in den vergangenen Monaten mit einem Minus von 21 Prozent einen starken Einbruch ihres Exportgeschäfts nach China. Doch bestehe in dem Riesenreich noch immer ein gewaltiger Nachholbedarf. So kommen in China derzeit auf 1000 Einwohner rund 60 Autos, in Deutschland sind es 600. „Der Appetit der Chinesen auf deutsche Autos wird weiter wachsen“, prognostiziert Rees.

Davon scheint man auch beim Autobauer BMW in München auszugehen. „Wir denken langfristig und haben auch in schwierigen Zeiten in Zukunftstechnologien und Standorte investiert“, heißt es dort. Im vergangenen Jahr eröffnete BMW für sein Gemeinschaftsunternehmen BMW Brilliance Automotive ein zweites Fahrzeugwerk in China. Zudem starteten die Münchner im Reich der Mitte eine lokale Motorenfertigung.

Die Wachstumsschwäche der Schwellenländer schickt die deutschen Exporte auf Talfahrt

Profiteure des neuen Wachstumsmodells Chinas dürften eindeutig die Produzenten von Konsumgütern sein. So betrachtet der Sportartikelhersteller Adidas China nach wie vor als Wachstumsmarkt. In der Stadt Tianjin will Adidas im nächsten Jahr ein neues Distributionszentrum aufbauen, das die Kunden im Norden beliefert. Auch der Klebstoffhersteller Henkel setzt weiter auf China. Im Herbst vergangenen Jahres haben die Düsseldorfer dort ein neues Klebstoffwerk eröffnet.

Ob das Vertrauen der Unternehmen in China und die anderen Schwellenländer berechtigt ist, dürfte sich schon in den nächsten Monaten zeigen. Gelingt der Kurswechsel nicht und fährt das Land „vor die Wand“, wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman fürchtet, wäre der Traum von den BRIC als neuem Kraftzentrum der Weltwirtschaft endgültig ausgeträumt. Es würden auch andere Länder in Asien wie Japan, Indonesien, Taiwan und Korea, die wirtschaftlich stark mit China verflochten sind und aktuell noch ordentlich wachsen, heftig in Mitleidenschaft gezogen. Dann droht ein Dominoeffekt, dem auch der Aufschwung in Deutschland zum Opfer fällt.

Wie kippelig die Lage in den BRIC-Ländern ist, zeigt die Einzelanalyse auf den folgenden Seiten:

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