High-Tech-Baustoff Was mit neuartigem Glas alles möglich ist

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Vorurteil 1 "Glas ist zerbrechlich"

iPadGlas Quelle: Pressebild

Damit mochte sich schon Steve Jobs nicht abfinden: Als Apple-Chef wollte er für seine iPhones und iPads eine gläserne Oberfläche – koste es, was es wolle. Denn Glas sieht nicht nur besser aus, es ist auch unempfindlicher gegen Kratzer und wird nicht trüb, wie transparente Plastikoberflächen. Und so trieb Jobs das amerikanische Unternehmen Corning dazu, Glas für tragbare Tablet-PCs mit einem chemischen Verfahren extrem hart und zwei bis drei Mal so kratzfest zu machen.

Das neue Material kam schließlich unter dem Handelsnamen Gorilla-Glas auf das iPad und wurde weltbekannt. Mittlerweile beliefert Corning mehr als 30 Hersteller von Smartphones, Netbooks und Tablets und erwirtschaftete 2010 einen Umsatz von 6,6 Milliarden Dollar.

Nun geht der Trend zu noch dünneren, festeren Displays. „Fein wie ein menschliches Haar wird das Glas bald sein“, prophezeit Peter Bocko, Technologiechef bei Corning. Denn je dünner die Scheibe zwischen Elektronik und Mensch, desto schärfer das Bild und desto leichter bedienbar der Monitor.

Besonders widerstandsfähiges Glas

Damit kommt auch der deutsche Spezialglashersteller Schott ins Spiel. Das Unternehmen hat jüngst vorgeführt, dass das Material mittlerweile zu den stabilsten Werkstoffen überhaupt gehört: Schott produziert nicht nur Glas, das viele Hundert Grad Hitze aushält oder Flugzeuge gegen Hagel schützt. Neuerdings laufen in der Fabrik in Jena auch Scheiben vom Band, die mit 0,7 Millimeter fast so dünn sind wie ein Haar und trotzdem heil bleiben, wenn ein Mensch darauf herumtrampelt.

Dieses bruch- und kratzfeste Material, das Schott vor wenigen Wochen vorstellte, soll zu Bildschirmabdeckungen von Mobiltelefonen, Fernsehgeräten und Computern verarbeitet werden – und die Geräte wesentlich widerstandsfähiger machen.

Dafür hat Schott einen uralten Produktionsprozess wesentlich verändert: Glas besteht vor allem aus Quarzsand. Damit es so stabil wird, dass die Displays auch nach einem Sturz nicht brechen, fügen die Jenaer Techniker farblose Kristalle der Chemikalie Boroxid hinzu. Sie machen den Werkstoff besonders widerstandsfähig.

Mit einem Spezialverfahren wird das Material dann zusätzlich gehärtet. Dazu kühlen die Ingenieure die viele Hundert Grad heiße Glasschmelze mit Gas. Das lässt die orange glühende Masse an der Oberfläche erstarren, während sie im Kern heiß bleibt. Gänzlich abgekühlt ist sie ein Dutzend Mal stabiler als Fensterglas, verspricht Schott.

Nach Angaben des Unternehmens testen alle weltweit relevanten Elektronikhersteller das neue deutsche Superglas. Noch dieses Jahr, sagt Klaus Schneider, Geschäftsführer der Schott Technical Glass Solutions in Jena, komme das erste Produkt auf den Markt: „Ein handliches Elektronikgerät.“ Mehr verrät er nicht. Immerhin aber will das Unternehmen mit der Innovation Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe erwirtschaften.

50 bis 70 Tonnen Bildschirmglas könne Schott laut Schneider am Tag produzieren. Bisher landete dies vorwiegend in Navigationsgeräten. Mit dem neuen Material will Schott nun die Mobiltelefon-, Tablet-, PC- und Fernsehindustrie erobern.

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