Infektionsforscher Jörg Hacker "Rückenwind im Kampf gegen Seuchen"

Auch das Thema Gesundheit stand beim G7-Gipfel auf der Tagesordnung. Welche Auswirkungen die Beschlüsse von Elmau für die Weltgesundheit haben werden.

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Mikrobiologe Jörg Hacker Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Professor Hacker, das Thema Gesundheit stand beim G7-Gipfel in Elmau auf der Tagesordnung, allerdings ziemlich weit hinten.

Hacker: Immerhin wurde es endlich einmal auf dem internationalem Parkett und bei dieser hochrangigen Versammlung der sieben weltweit bedeutendsten Staatschefs behandelt. Das ist an sich schon ein Erfolg. Das G7-Treffen hat zwar nur informellen Charakter, gibt aber dennoch Rückenwind im globalen Kampf gegen Seuchen. So sind im Zusammenhang mit Ebola sehr konkrete Beschlüsse gefasst worden, die Kompetenz der Weltgesundheitsorganisation WHO zu stärken und in 60 Staaten zum Beispiel in Westafrika die Gesundheitssysteme auszubauen.

Zur Person

Das Problem der Antibiotika-Resistenzen, das weltweit jährlich 700.000 Todesopfer fordert, war den Wissenschaftsakademien der G7-Staaten besonders wichtig. Sie hatten das Thema für den Gipfel vorgeschlagen und vorbereitet. In der einundzwanzigseitigen Abschlusserklärung wird es in zwei gerade einmal 15 Zeilen langen Absätzen abgehandelt. Und in der Berichterstattung tauchte das Thema überhaupt nicht auf. Sind Sie enttäuscht?

Nein, ganz und gar nicht. Denn als Naturwissenschaftler freut es mich ebenso, dass der Gipfel so klare Aussagen zum Thema Klimaschutz erbracht hat. Und das, was in den 15 Zeilen zum Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen steht, ist zwar extrem gerafft, aber sehr gehaltvoll: Es ist ein klares Bekenntnis zu mehr Forschung – sowohl was die Vermeidung von Resistenzen angeht, als auch was neue Antibiotika, Tests oder Impfstoffe betrifft.

Wie man Antibiotika richtig einsetzt

Und die Gipfelteilnehmer bekennen sich zum sogenannten „One Health“-Ansatz. Sie haben also erkannt, dass die Bereiche der menschlichen und tierischen Gesundheit sowie Landwirtschaft und Umwelt gemeinsam betrachtet werden müssen.

Also der massive Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung?

Ja, zum Beispiel.

In den USA ist der Einsatz dieser Medikamente als Mastbeschleuniger immer noch erlaubt. Hätte ein solcher Gipfel da nicht ein klares Signal setzen können und diesen Missbrauch endlich bannen können?

Manchmal muss man zwischen den Zeilen lesen. Im Abschlussbericht steht, dass die G7-Staaten eine fachgerechte Verwendung von Antibiotika fördern werden. Das ist zwar etwas verklausuliert, aber es beinhaltet selbstverständlich, dass diese lebensrettenden Medikamente sowohl in der Tierhaltung als auch beim Menschen nur dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden. Nämlich um schwere bakterielle Infektionen zu stoppen. Da greifen nicht nur Tierärzte, sondern auch Humanmediziner weltweit – und gerade auch bei uns – noch viel zu schnell und unüberlegt zu Antibiotika, was Resistenzen fördert und diese Waffen stumpf werden lässt. Deshalb ist es ja auch dringend notwendig, neue, hochwirksame Antibiotika zu entwickeln und sie dann erst einmal nicht großflächig zu benutzen, sondern nur für Notfälle aufzuheben, also Infektionen mit Erregern, die gegen alle bisher verfügbaren Antibiotika resistent sind.

Wer soll die Erforschung solcher Reserve-Antibiotika eigentlich bezahlen? Die Pharmaindustrie erwartet hier finanzielle Unterstützung von politischer Seite, weil das Ziel ja eben kein massenhafter, gewinnträchtiger Absatz ist. Hat der G7-Gipfel dazu etwas erbracht?

Natürlich müssen solche Absichtserklärungen auch materiell unterlegt werden. Ich denke aber, dass der finanzielle Aspekt nicht allentscheidend ist. Wichtig ist auch, dass sich Grundlagenforscher an öffentlichen Einrichtungen den Unternehmen gegenüber öffnen und auch die Zulassungsbehörden in solche Entwicklungen früh eingebunden sind.

Davon steht aber kein Wort im Abschlussbericht.

Man darf von so einem Gipfel auch nicht zu viel erwarten. Ich bin sehr gespannt auf die für Herbst angekündigten Nachfolgetreffen der Forschungsminister und der Gesundheitsminister der G7-Staaten. Hier müssen die Pläne konkreter werden. Wichtig ist aber, dass die internationale Zusammenarbeit angeschoben ist. Denn Seuchen lassen sich heute nicht mehr regional bekämpfen, die Krankheitserreger reisen mit Menschen und Lebensmitteltransporten um die ganze Welt.

So wie jetzt das tödliche Atemwegs-Virus MERS?

Ja, genau. Das MERS-Virus ist eng verwandt mit dem SARS-Erreger, der uns Epidemiologen vor einigen Jahren schon einmal große Sorgen bereitet hat, weil wir einen weltweiten Seuchenzug, eine sogenannte Pandemie befürchteten. MERS war bisher recht begrenzt nur auf der arabischen Halbinsel verbreitet und schien sich nur über den Kontakt von infizierten Tieren wie Kamelen auf den Menschen ausbreiten zu können. Nun ist MERS in Korea aufgetaucht und scheint von Mensch zu Mensch zu springen. Das beunruhigt mich sehr. Es zeigt aber auch: Dass Krankheitserreger sich ausbreiten, verändern und anpassen liegt in der Natur der Sache. Wir müssen darauf vorbereitet sein und Strukturen schaffen, um solche Probleme global und gemeinsam zu lösen.

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