Risiken und Nebenwirkungen der Statistik Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet

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Wo Warnungen nur ablenken

Diese Warnungen mögen im Einzelfall durchaus ihre Berechtigung besitzen, lenken aber im Großen und Ganzen von den eigentlichen Krebsgefahren eher ab. Insbesondere reiten sie zu oft auf der Technik, der Chemie, der Industrie herum und übersehen dabei die wahren Ursachen für die meisten Krebserkrankungen, die ganz woanders zu suchen sind.

Der beste Rat meines Lebens
Guter Rat ist teuer Quelle: WirtschaftsWoche Online
Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann: In andrer Glück sein eignes findenIch war noch ein Junge, als mir mein Vater das Gedicht von Christoph Martin Wieland aufschrieb: „In andrer Glück sein eignes finden, ist dieses Lebens Seligkeit. Und andrer Menschen Wohlfahrt gründen, Schafft göttliche Zufriedenheit.“ Seine tiefe Weisheit hab ich erst in der Finanzkrise vollständig erfasst. Unternehmen haben eine gesellschaftliche Aufgabe: sozialen Mehrwert zu schaffen. Die erste Aufgabe von Managern ist es, Gewinn zu erwirtschaften. Aber nicht des Gewinnes selbst wegen, der ist nur Mittel zum Zweck, damit das Unternehmen wachsen und neue Produkte entwickeln, Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen – kurz Wohlfahrt gründen – kann. Quelle: dpa
Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner: Wenn du es eilig hast, nimm einen UmwegAls ich darüber grübelte, was wohl das richtige Studium wäre, um ein berühmter Journalist zu werden und mir mein gesamter Bekanntenkreis und alle Profis rieten, Publizistik zu studieren, fragte ich zur Sicherheit noch Artur Joseph, Journalist und väterlicher Freund meiner Mutter. Er sagte: „Es ist egal, was du studierst, nur ein Fach auf keinen Fall: Publizistik“. Ich war verwirrt: „Aber das ist doch der direkte Weg?“ „Und deshalb ist es falsch. Wenn du es eilig hast, mach einen Umweg“. Er fragte mich, worüber ich am liebsten schreibe. Ich studierte Musik, Literatur und Theater. Zwei Jahre später war ich freier Musikkritiker bei der FAZ. 20 Jahre später CEO von Axel Springer. Quelle: dpa
Henkel-Chef Kasper Rorsted: Mach es richtigMein Vater sagte mir schon als Teenager: Man kann als Schüler kein gutes Abitur machen, wenn man zehn Jahre in der Schule schläft, und auch an der Universität keinen guten Abschluss erzielen, wenn man erst kurz vor den Prüfungen anfängt, ernsthaft zu arbeiten. So ist es auch im Geschäftsleben. Es wird kein erfolgreiches Geschäftsjahr geben, wenn schon die ersten zwei Quartale schlecht gelaufen sind. Wenn man sich entschieden hat, etwas zu tun, dann natürlich auch richtig. Quelle: dpa
Allianz-Chef Michael Diekmann: Eine kleine Lüge wird immer größer„Eine kleine Lüge wird immer größer“, das war der beste Rat, den ich bekommen habe. Immer wieder habe ich erlebt, dass Unwahrheiten ihren Schöpfer einholen und womöglich übermannen. Deshalb rate ich zur Aufrichtigkeit. Nicht nur privat; beruflich erst recht. Ich finde es künstlich, die zwei Bereiche unter diesem Aspekt zu unterscheiden. Wenn ich beruflich handle, tue ich dies als Person. Quelle: dpa
UBS-Chef Sergio Ermotti: Der beste Rat ist der, den man sich holtFragen Sie andere um Rat, wenn Sie nicht weiterwissen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, im Gegenteil. Aber wählen Sie Ihre Berater sorgfältig aus. Und messen Sie die Qualität der Ratschläge stets daran, ob und wie gut diese auf Ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele zugeschnitten sind. Dies zu beurteilen kann Ihnen kein Berater abnehmen. Quelle: REUTERS
Unternehmer Reinhold Würth: Von der Pike auf lernenDer beste Rat meines Lebens war die Entscheidung meines Vaters, mich nach den acht Pflichtschuljahren von der Schule zu nehmen und mich als ersten Lehrling in seinem Unternehmen zu beschäftigen. Noch heute, 64 Jahre später, bin ich meinem Vater dafür dankbar, denn über die Lehrzeit hinaus konnte ich noch zwei weitere Jahre bis zu seinem Tod mit ihm zusammen arbeiten. Dadurch war ich wohlgerüstet, die kleine, solide Schraubengroßhandlung mit zwei Mitarbeitern weiterführen zu können und wachsen zu sehen bis zu einer Unternehmensgruppe mit zehn Milliarden Euro Umsatz. Quelle: dpa

Die nebenstehende Tabelle, einem Aufsatz der britischen Epidemiologen Doll und Peto entnommen, teilt alle Todesfalle durch Krebs in den USA nach den vermuteten Ursachen auf.

Ursache Krebsmortalität in den USA% aller Todesfälle
Ernährung35 %
Rauchen30 %
Infektionen10 %
Sexualverhalten7 %
UV-Licht und nat. radioakt. Strahlung5 %
Beruf4 %
Luftverschmutzung2 %
Medizintechnik1 %
Industrieprodukte< 1 %
Nahrungsmittelzusätze< 1 %

Diese Zahlen sind schon einige Jahre alt und betreffen ein anderes Land, sehen aber vermutlich für das aktuelle Deutschland nicht viel anders aus. In einem neueren Aufsatz in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature finden sich diese Zahlen im Wesentlichen bestätigt. Danach sind etwa Fettleibigkeit und Alkohol für insgesamt 20 bis 30 Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich zu machen.

„Unsere Analyse des Ausmaßes synthetischer Gifte in Trinkwasser und synthetischer Pestizide in Nahrungsmitteln zeigt, dass diese im Vergleich zu natürlichen Krebserregern vernachlässigt werden können“, schreibt auch der weltweit wohl angesehenste Biochemiker Bruce N. Ames in Science, der renommiertesten aller Wissenschaftszeitschriften überhaupt.

„Dieses Fazit stimmt auch mit epidemiologischen Untersuchungen überein. Zwar sollten wir bei jeder Art von Krebserregern Vorsicht walten lassen, aber wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen einer verbreiteten Chemophobie mit ihren assoziierten hohen Kosten (und geringem Nutzen) und einem vernünftigen Management von Industriechemikalien aller Art.“

Von einem solchen Gleichgewicht sind wir aber in Amerika, und erst recht in Deutschland, noch weit entfernt. Nach Ames und Koautoren übertreffen die natürlichen, als krebserregend identifizierten Pestizide und Lebensmittelgifte in unserer Ernährung (Ethylalkohol in Bier und Wein, Hydrazine in Pilzen usw.) die künstlichen Zusatze bei Weitem sowohl an Menge als auch an Gefährlichkeit. Und nach Auskunft neuerer Arbeiten hat sich der chemieinduzierte, ohnehin schon minimale Anteil aller Krebserkrankungen inzwischen nochmals weiter reduziert.

Auszug aus:
Thomas Bauer, Gerd Gigerenzer und Walter Krämer
„Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“
Erschienen am 14.August im Campus-Verlag, Frankfurt/New York
Preis: 16,99 Euro
ISBN: 978-3-593-50030-0

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