Diese Warnungen mögen im Einzelfall durchaus ihre Berechtigung besitzen, lenken aber im Großen und Ganzen von den eigentlichen Krebsgefahren eher ab. Insbesondere reiten sie zu oft auf der Technik, der Chemie, der Industrie herum und übersehen dabei die wahren Ursachen für die meisten Krebserkrankungen, die ganz woanders zu suchen sind.
Die nebenstehende Tabelle, einem Aufsatz der britischen Epidemiologen Doll und Peto entnommen, teilt alle Todesfalle durch Krebs in den USA nach den vermuteten Ursachen auf.
Ursache Krebsmortalität in den USA | % aller Todesfälle |
Ernährung | 35 % |
Rauchen | 30 % |
Infektionen | 10 % |
Sexualverhalten | 7 % |
UV-Licht und nat. radioakt. Strahlung | 5 % |
Beruf | 4 % |
Luftverschmutzung | 2 % |
Medizintechnik | 1 % |
Industrieprodukte | < 1 % |
Nahrungsmittelzusätze | < 1 % |
Diese Zahlen sind schon einige Jahre alt und betreffen ein anderes Land, sehen aber vermutlich für das aktuelle Deutschland nicht viel anders aus. In einem neueren Aufsatz in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature finden sich diese Zahlen im Wesentlichen bestätigt. Danach sind etwa Fettleibigkeit und Alkohol für insgesamt 20 bis 30 Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich zu machen.
„Unsere Analyse des Ausmaßes synthetischer Gifte in Trinkwasser und synthetischer Pestizide in Nahrungsmitteln zeigt, dass diese im Vergleich zu natürlichen Krebserregern vernachlässigt werden können“, schreibt auch der weltweit wohl angesehenste Biochemiker Bruce N. Ames in Science, der renommiertesten aller Wissenschaftszeitschriften überhaupt.
„Dieses Fazit stimmt auch mit epidemiologischen Untersuchungen überein. Zwar sollten wir bei jeder Art von Krebserregern Vorsicht walten lassen, aber wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen einer verbreiteten Chemophobie mit ihren assoziierten hohen Kosten (und geringem Nutzen) und einem vernünftigen Management von Industriechemikalien aller Art.“
Von einem solchen Gleichgewicht sind wir aber in Amerika, und erst recht in Deutschland, noch weit entfernt. Nach Ames und Koautoren übertreffen die natürlichen, als krebserregend identifizierten Pestizide und Lebensmittelgifte in unserer Ernährung (Ethylalkohol in Bier und Wein, Hydrazine in Pilzen usw.) die künstlichen Zusatze bei Weitem sowohl an Menge als auch an Gefährlichkeit. Und nach Auskunft neuerer Arbeiten hat sich der chemieinduzierte, ohnehin schon minimale Anteil aller Krebserkrankungen inzwischen nochmals weiter reduziert.
Auszug aus:
Thomas Bauer, Gerd Gigerenzer und Walter Krämer
„Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“
Erschienen am 14.August im Campus-Verlag, Frankfurt/New York
Preis: 16,99 Euro
ISBN: 978-3-593-50030-0