Gesellschaft Thesen für eine neue Konsumkultur

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Und auch wenn 58 Milliarden Tonnen schon eine ziemlich beeindruckende Zahl ist, steht sie doch nur für jenen Teil der Rohstoffe, die tatsächlich Eingang in die Gesamtwirtschaft finden.

Weitere rund 39 Milliarden Tonnen werden während des Produktionsprozesses verbraucht. Dieses nicht verwertete oder verschwendete Material nennt man auch Abraum. Damit wird zum Beispiel das beim Kohlebergbau abgetragene Erdreich oder Pflanzenabfall bezeichnet. Bei einigen Konsumgütern ist der Abraum enorm groß. Für die Gewinnung einer einzigen Unze Gold muss eine Minengesellschaft mehr als 100 Tonnen Erde ausheben.

Viele glauben immer noch, dass unendliches Wachstum möglich sei – der technologische Wandel bringe zwangsläufig eine Senkung des Materialeinsatzes mit sich. Dahinter steht die Vorstellung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) könne von Materialverwertung und Umweltverschmutzung so abgekoppelt werden, dass das BIP ins Unermessliche steigt, während der Materialeinsatz schrumpft.

Papierlose Gesellschaft

Doch obwohl heute jeder Dollar des BIPs einen geringeren Materialstrom verursacht (was von Experten als "relative Entkopplung" bezeichnet wird), hat das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Verlauf der letzten 25 Jahre diese Reduktion fast überall wieder aufgehoben.

Zwischen den Jahren 1980 und 2005 steigerten die Vereinigten Staaten und Kanada ihren Materialeinsatz um 54 Prozent. Die Bevölkerungszahl stieg in der gleichen Zeit allerdings nur um 35 Prozent. Dies wiederum hatte nicht nur einen Anstieg in absoluten Zahlen zur Folge, sondern wirkte sich auch auf den Pro-Kopf-Einsatz aus. Obwohl der Materialstrom pro Dollar des Bruttoinlandsprodukts um etwa 25 Prozent sank, verdoppelten sich die absoluten Zahlen.

Papier etwa ist ein gutes Beispiel für das Scheitern von Technologie, wenn es um das Sparen von Material geht: Der Computer sollte uns zu einer papierlosen Gesellschaft machen. Doch stattdessen stieg in den Vereinigten Staaten der Pro-Kopf-Verbrauch seit 1980 immer weiter an. 2005 war er mit gut 300 Kilo pro Kopf jährlich der höchste der Welt. 4,5 Prozent der Weltbevölkerung sind Amerikaner. Diese wiederum verbrauchen jedoch ein Drittel des Papiers, das praktisch komplett aus Holz hergestellt wird.

Unwissender Käufer

In Westeuropa ist die Lage etwas besser – sicher auch deswegen, weil dort der Einsatz von fossilen Brennstoffen zurückging, während er in Nordamerika um 43 Prozent anstieg. Der Materialeinsatz wiederum stieg in Europa um gerade einmal neun Prozent.

Auf der Suche nach Lösungen müssen wir berücksichtigen, dass Verbraucher über den Materialeinsatz in der Produktion wenig wissen. Information darüber, welchen Schaden ihre neu erworbenen Produkte der Erde zufügen, erhalten sie in der Regel nicht.

Läuft die Fabrik, in der das Handy montiert wurde, mit schmutzigem Strom aus Kohle? Enthält das T-Shirt, wie die meisten Kleidungsstücke der Welt toxische Farbstoffe? Stammt dieses wundervolle goldene Schmuckstück aus einer Mine, deren chemische Verarbeitungsprozesse das Trinkwasser vergiften und bei der Bevölkerung der umliegenden Gegend Krebs verursachen?

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