Atommüll Altmaiers ernüchternde Endlagersuche

Die Bergung radioaktiver Abfälle aus dem Bergwerk Asse entpuppt sich als Himmelfahrtskommando. Trotzdem liefert sie wichtige Lehren für die Suche nach einem Endlager, über die der Bundestag heute diskutiert.

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Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) versucht, eine tickende Zeitbombe zu entschärfen. Quelle: dpa

Als der frisch ernannte Bundesumweltminister Peter Altmaier Anfang Juni vergangenen Jahres ins niedersächsische Wolfenbüttel reist, ist ihm die Tragweite einer der ersten Amtshandlungen wahrscheinlich allenfalls in Umrissen klar. Vordergründig betrachtet, setzt er mit dem Druck auf einen roten Knopf symbolisch ein Bohrgestänge in Gang, das die vor 30 Jahren versiegelte Kammer 17 des Atommülllagers Asse anbohren soll. Tatsächlich aber stürzt er die Bundesrepublik mit der Erkundungsbohrung in eines ihrer kühnsten technischen Abenteuer.

Ob es gut ausgeht, vermag heute niemand zu sagen. Gewiss ist hingegen schon, dass es für die Steuerzahler mit geschätzten Kosten von vorerst vier Milliarden Euro teuer wird – und viel länger dauert als erwartet. Dabei könnte es sich zu einem Lehrstück entwickeln, welche Fehler die Politik bei der gerade beschlossenen neuen Suche nach einem deutschen Atomendlager unbedingt vermeiden sollte.

Die lange Suche nach einem Atommüllendlager

Vor knapp einem Jahr war die Euphorie noch groß. Altmaier und seine Fachleute glaubten, mit dem Start zur Bergung von 126 000 Fässern mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall – plus einer unbekannten Menge weiterer Giftstoffe wie Arsen und Quecksilber – eine tickende Zeitbombe entschärfen zu können.

Immerhin ist das ehemalige Salzbergwerk Asse II, in dem der strahlende Müll lagert, extrem einsturzgefährdet. Was die atomare Fracht anrichtet, wenn herabstürzende Salzbrocken die Fässer zerdrücken, ob zum Beispiel das Grundwasser weiträumig radioaktiv verseucht wird, darüber streiten die Experten bis heute. Die Bevölkerung in der Region mag jedenfalls nicht als Versuchskaninchen dafür herhalten. Die Politik beugte sich dem Protest und unterstellte Asse II 2009 dem Atomrecht. Inzwischen hat der Bundestag die Rückholung der Fässer und die Stilllegung des Lagers gesetzlich fixiert. Doch schon der erste Bohrversuch zeigt, dass sich die Natur nicht an Pläne hält. Das Gestänge, das Altmaier in Gang gesetzt hatte, kam nie ans Ziel.

Fehlerhafte Pläne erschweren die Arbeit

Neun Monate lange tastete sich der Bohrtrupp in 750 Meter Tiefe vorsichtig durch das Gestein voran; Tag für Tag nur einige Dutzend Zentimeter weit in Richtung der Kammer 17. Aus ihr sollten probeweise die ersten gut 4300 Atomfässer geborgen werden, die dort hinter einer 20 Meter dicken Barriere vor sich hinrotten. Das eigentliche Ziel war, ihren Inhalt zu analysieren. Alle paar Minuten mussten die Männer den Bohrer stoppen und messen, ob sich in den Hohlräumen womöglich explosive Gase gebildet haben. Am Ende des Experiments dann die ernüchternde Erkenntnis: Kammer 17 war nicht da, wo die Messspezialisten sie vermutet hatten.

Nicht dass sie schlecht gearbeitet hätten. Vielmehr sind die Pläne, soweit überhaupt vorhanden, fehlerhaft. Und ganz offenbar hat sich die Kammer unter dem Druck des Bergs im Laufe der Jahre um einige Meter verschoben.

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